
Alkoholverbot im WM-Stadionbereich Der echte Bierskandal von Doha


Vor den Stadien in Katar wird kein alkoholhaltiges Bier ausgeschenkt
Foto:Bernd Thissen / dpa
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»Konzentrieren wir uns auf den Fußball.« Dieser Satz von Fifa-Präsident Gianni Infantino ist wenige Wochen alt. Nun steht mit dem Turnier in Katar aber eine der fragwürdigsten Veranstaltungen der Sportgeschichte an, und der Gang zur Tagesordnung auf dem grünen Rasen fällt besonders schwer.
Ein solcher Aufruf gehört zum System Fifa: Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen, außer Fußball.
Oder, um noch mal Infantino zu zitieren: »Bitte lasst nicht zu, dass der Fußball in jeden politischen und ideologischen Kampf gezogen wird.« Sport und Politik, zwei Dinge, die untrennbar miteinander verwoben sind, sollen bitte streng getrennt werden. Da liegt die Fifa millimetergenau auf der Linie des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) mit Präsident Thomas Bach.
Doch zurück zum Fußball: Passend zu Infantinos Sicht auf die Welt wurde nun ein Detail bekannt, das viel Aufsehen erregt: Bei den 64 WM-Spielen in den kommenden vier Wochen wird im Bereich der Stadien kein Alkohol ausgeschenkt. Zwei Tage vor dem Eröffnungsspiel wird von Katar ein lang geplanter Kompromiss per Handstreich einkassiert – und die Fifa schaut zu.
Man könnte auch sagen, sie lässt sich auf der Nase herumtanzen.
Es geht nicht darum, das Alkoholverbot an sich zu kritisieren. Wer eine Weltmeisterschaft nach Katar vergibt, sollte sich über die Gepflogenheiten des Landes informieren. Alkohol gilt in dem islamisch geprägten Katar als »haram«, er ist schlicht verboten.
Ursprünglich hätte Fifa-Sponsor Budweiser drei Stunden vor und eine Stunde nach dem Anpfiff eines jeden Spiels alkoholhaltiges Bier verkaufen dürfen. Nun gibt es Alkohol noch auf dem offiziellen Fanfest und in ausgewählten Bars oder Hotels – sowie in den VIP-Bereichen der Stadien, auch für Fifa-Offizielle. So funktioniert sie, die Doppelmoral der obersten Hüter des Fußballs.
Katar ist der wichtigste Geschäftspartner der Fifa
Grundsätzlich geht es aber darum, wie die Fifa als Ausrichter der Weltmeisterschaft zwölf Jahre Zeit haben konnte, das Turnier vorzubereiten, nur um sich zwei Tage vor dem ersten Spiel in dieser Form ausbremsen zu lassen. Die Antwort ist simpel: Katar ist der derzeit wichtigste Geschäftspartner des Weltverbands und kann die Regeln bestimmen. Allein. Es geht um Geld, um Macht. Die Fifa hat sich dem Emirat komplett ausgeliefert.
Andere Beispiele gefällig? Ohne den wohl von Korruption durchzogenen Prozess der WM-Vergabe im Jahr 2010 erneut thematisieren zu wollen. Wer sich dieses Sportswashing-Gemälde noch mal in Gänze anschauen möchte, dem sei diese Zusammenfassung meiner SPIEGEL-Kollegen ans Herz gelegt.
Zunächst war die WM in den Sommermonaten Juni oder Juli geplant. Als, oh Wunder, die klimatischen Verhältnis in Katar stärker in den Fokus rückten, verlegte die Fifa das Turnier im Jahr 2014 in den Herbst, entgegen dem über Jahrzehnte gewachsenen Fußballkalender.
Als der Spielplan längst veröffentlicht war, drängte das Emirat auf ein exklusives Eröffnungsspiel für die katarische Nationalmannschaft. Die Fifa gab klein bei, wieder mit Infantino als Verteidiger an der Spitze. Jener Infantino, der seit knapp einem Jahr die Hälfte seiner Arbeitszeit in einem Haus in Doha verbringt, gemeinsam mit seiner Familie. Im nächsten Jahr wird Infantino sehr wahrscheinlich ohne Gegenkandidat wiedergewählt.
Auf einer Veranstaltung mit WM-Volunteers hielt der Schweizer vor einem halben Jahr eine Rede und wollte seine Zuhörer »zum Vibrieren« bringen. »Ich zähle eins, zwei, drei und dann will ich hören: Katar, Katar, Katar – okay?«
Es ist das Mantra, dem sich die Fifa komplett verschrieben hat.