Brehmes Elfmeter bei WM 1990: Nervenstark vom Punkt
Die großen WM-Duelle mit Argentinien
Als Andreas Brehme unten links den letzten Titel holte
1990, Italien: Deutschland trifft im Finale auf Argentinien, eine Kopie des Endspiels von 1986. Doch dieses Mal dominieren die Deutschen - und Andreas Brehme wird zum umjubelten Matchwinner. Der Final-Countdown, Teil 4.
Klar, es war kein Fußball-Leckerbissen, das weiß auch Andreas Brehme: "Es war sicher kein großes Spiel, aber es ging um den Titel, und da bin ich dann schon stolz, dass ich das entscheidende Tor gemacht habe", erinnerte sich der frühere Nationalspieler 2007 auf SPIEGEL ONLINE an das WM-Finale 1990 gegen Argentinien. Die "Times" wurde deutlicher: Es sei das "schlechteste Finale der Geschichte gewesen".
Doch der deutschen Nationalmannschaft war das egal - für sie zählte nur der Titel. Es war der dritte nach 1954 in Bern und 1974 im eigenen Land. "Nach dem Spielende waren wir überglücklich und stolz. Für einen Fußballer ist Weltmeister der größte Titel, den er erringen kann", sagt Brehme, der vom damaligen Teamgeist schwärmt: "Wir verstanden uns alle hervorragend miteinander, da gab es keinen Neid und keine Konkurrenz. Im Mannschaftshotel teilte ich das Zimmer mit Lothar Matthäus. Wir kannten uns ja schon von Bayern München und von Inter Mailand, wo wir auch immer zusammen auf einem Zimmer waren."
Matthäus war es auch, dem Brehme es zu verdanken hatte, dass er gegen Argentinien zum Helden wurde. Weil der etatmäßige Elfmeterschütze in der Halbzeit seine Schuhe gewechselt hatte - und sich nicht gut fühlte - musste Brehme in der 85. Minute antreten. Zuvor war Rudi Völler über das Bein von José Serrizuela gestolpert - ein Pfiff ertönte, es war eine umstrittene Entscheidung: "Den Elfmeter konnte man geben, musste man aber nicht unbedingt", sagt Brehme: "Allerdings war uns vorher bereits ein ganz klarer Elfer nach einem Foul an Klaus Augenthaler versagt worden. Das gleicht sich eben immer wieder aus."
Serie: Die WM-Duelle zwischen Deutschland und Argentinien
Foto: Getty Images
Dramen, Titel und hässliche Tritte: Der Klassiker Deutschland gegen Argentinien hat große WM-Geschichten geschrieben. Bereits sechs Mal trafen die beiden Nationalteams bei Weltmeisterschaften aufeinander, zweimal sogar im Finale. Im legendären Maracanã-Stadion von Rio de Janeiro kommt es nun zum erneuten Showdown. In einer Serie stellt SPIEGEL ONLINE bis zum Anpfiff am Sonntag um 21 Uhr alle Duelle vor.
Elfmeter also. Doch so schnell ging es dann doch nicht. Die Argentinier waren außer sich und wollten die Entscheidung von Schiedsrichter Edgardo Codesal Méndez nicht akzeptieren. Brehme beschreibt es so: "Dieses Chaos! Am schlimmsten war, dass die Argentinier den Ball wieder wegschossen, als ich ihn mir zurechtgelegt hatte. Ich musste ausblenden, dass die Argentinier versuchten, mich zu verunsichern - und dass die ganze Welt, Millionen von Fernsehzuschauern, auf mich schaute."
Immer wieder versuchten die Argentinier, Brehme aus der Fassung zu bringen. Minutenlang lief dieses Spielchen, dann konnte es endlich losgehen. Brehmes Widersacher im argentinischen Tor: Sergio Goycochea, der sich durch seine Paraden in den Elfmeterschießen gegen Jugoslawien im Viertelfinale und Italien im Halbfinale den Titel "Elfmetertöter" verdient hatte. "Beim Anlauf dachte ich: Ruhig bleiben! Nur auf den Schuss konzentrieren! Dann schoss ich mit rechts. Als der Ball auf den Innenpfosten zulief, hatte ich eine Schrecksekunde", sagt Brehme.
Doch die Angst war unbegründet, der Ball ging rein - und Brehme drehte jubelnd ab: "Was folgte, war unbeschreiblich. In diesem Moment wussten wir alle, dass wir Weltmeister waren. Im Nu lagen sechs, acht Mitspieler auf mir, aber das merkt man in dem Moment nicht so. Bis zum Abpfiff neun Minuten später spielten wir locker weiter. Die Argentinier waren da schon in Unterzahl, die ließen wir nicht mehr an den Ball."
Deutschland - Argentinien 1:0 (0:0), 20 Uhr im Olympiastadion von Rom 1:0 Brehme (85., FE.) Deutschland: Illgner - Augenthaler - Brehme, Kohler, Buchwald - Berthold (74. Reuter), Littbarski, Häßler, Matthäus - Völler, Klinsmann Argentinien: Goycochea - Simon - Sensini, Serrizuela, Ruggeri (46. Monzón) - Troglio, Burruchaga (53. Calderón), Basualdo, Lorenzo - Maradona, Dezotti Zuschauer: 73.600 Schiedsrichter: Méndez (Mexiko)
8 BilderBrehmes Elfmeter bei WM 1990: Nervenstark vom Punkt
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Es ist die Entscheidung im WM-Finale von 1990: Andreas Brehme verwandelt den von Rudi Völler herausgeholten Elfmeter in der 85. Minute. Deutschland wird zum dritten Mal nach 1954 und 1974 Weltmeister.
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Die Entscheidung über den Elfmeterpfiff war strittig. Zuvor hatte Schiedsrichter Codesal Mendez aus Mexiko bereits zwei vermeintliche Elfmeter für Argentinien sowie Deutschland nicht gegeben. In der 85. Minute zeigte er dann aber für die DFB-Elf auf den Punkt. Völler war über das Bein von José Serrizuela gestolpert.
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Der Ex-Lauterer Andreas Brehme trat übrigens nur an, weil Lothar Matthäus in der Halbzeit die Schuhe tauschen musste. Aus Aberglaube und, weil sich der eigentliche Elfmeterschütze der deutschen Auswahl unwohl fühlte, schickte er Brehme vor. Der verwandelte eiskalt.
Der mexikanische Schiedsrichter Edgardo Codesal Mendez zückte im Olmypiastadion in Rom die erste Rote Karte in einem WM-Finale. Abwehrspieler Pedro Monzón hatte Jürgen Klinsmann in der 65. Minute böse gefoult, sprang mit beiden Beinen und offener Sohle den deutschen Angreifer an. Klinsmann trug allerdings auch zu der Entscheidung bei. Er stürzte und wand sich zunächst auf dem Rasen, nur Sekunden später lief er wieder.
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Kapitän Lothar Matthäus und Mittelfeldspieler Pierre Littbarski feiern mit dem Pokal in der Hand. Es wurde eine lange Nacht in Rom.
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Teamchef Franz Beckenbauer im Arm seiner Schützlinge Klaus Augenthaler (2.v.l.) und Jürgen Klinsmann (2.v.r.). Der heutige Präsident des FC Bayern München glaubte nach dem Triumph an eine goldene Zeit für den DFB und begründete seine Prognose damit, dass nach der Wende auch die ostdeutschen Spieler für den DFB auflaufen würden.
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Objekt der Begierde: Brehme (l.) kuschelt mit dem Pokal. Thomas Hässler schaut neidisch zu.