WM-Finalisten Niederlande und Spanien Duell der Unvollendeten

WM-Geschichte: Finaltrauma und Viertelfinalfluch
Es sind große Namen, weltbekannte sogar. Johan Cruyff, Marco van Basten oder Ronald Koeman. Sie gehören zur Elite des Weltfußballs. Zu der gehören zweifellos auch Alfredo di Stéfano, Andoni Zubizarreta oder Raúl. Großartige Spieler, brillante sogar, mit Können gesegnet.
Doch alle haben sie einen Makel: Sie waren niemals Weltmeister.
So gesehen sind die großen Fußballnationen Niederlande und Spanien dann doch nicht so groß. Klasse-Kicker ohne WM-Titel, das tut weh. Es gibt allerdings Hoffnung auf Linderung des Schmerzes. Am Sonntag (20.30 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE) treffen im Stadion Soccer City in Johannesburg die Niederlande und Spanien aufeinander. Ein Team kann sein Trauma besiegen, das andere muss weiter leiden. Es geht nicht anders, auch wenn sich das mancher wünschen mag, weil ja beide Mannschaften aufgrund der vollbrachten Leistungen bei dieser Weltmeisterschaft den Titel verdient hätten.
SPIEGEL ONLINE blickt zurück auf die WM-Historie der beiden Teams - auf unglückliche Elfmeterschützen, schlechte Schiris und fiese Tricks:
Niederlande: Mieser Beginn und frustrierende Finals in den Siebzigern

Niederlage gegen Argentinien: Kein WM-Sieg trotz zweier Finalteilnahmen für Oranje
Foto: Getty ImagesDie Geschichte der niederländischen WM-Teilnahmen beginnt mit einem Fehlschlag. Beim Turnier 1934 scheidet das Oranje-Team mit einer Niederlage gleich im ersten Spiel aus, 1938 wiederholt sich die Pleite. Es folgt eine Jahrzehnte währende Abwesenheit von der großen Fußballbühne.
Erst 1974 sind die Niederlande wieder dabei, in Deutschland trumpft das Team groß auf. Mit 14:1 Toren spielt sich die Mannschaft um Superstar Johan Cruyff ins Finale, wo am 7. Juli 1974 im Münchner Olympiastadion vor 75.200 Zuschauern der Gastgeber wartet. Das Selbstbewusstsein der Niederlande ist grenzenlos, die Disziplin im Keller: Es wird geraucht und Bier getrunken, nicht selten sind die Spielerfrauen dabei.
Kritiker weist Teamleader Cruyff harsch zurück: "Eine WM dient nicht dazu, festzustellen, was einer verträgt, sondern wer am besten spielt." Das sind zu Beginn des Endspiels die Akteure in Orange. Die Niederlande führen bereits nach zwei Minuten 1:0. Wegen eines Fouls an Cruyff hatte Schiedsrichter John Taylor auf Strafstoß entschieden, den Johan Neeskens verwandelte. Kurios: Das deutsche Team war nicht einmal in Ballbesitz gekommen, lag aber schon zurück.
Doch am Ende lagen die Deutschen vorn. Paul Breitner hatte mit einem Foulelfmeter für den Ausgleich gesorgt, Gerd Müller noch vor der Pause den 2:1-Siegtreffer erzielt. Der englische "Daily Express" schrieb nach dem Endspiel: "Die Niederländer waren zu arrogant, sie vergaßen, dass sie das bei weitem beste Team hatten." Noch heute gibt es viele Oranje-Fans, die sich immer wieder die Aufzeichnung dieser wirklich legendären Partie angucken und ob der niederländischen Überlegenheit bis zum Schluss von einem Triumph ihres Teams ausgehen.

WM-Geschichte: Finaltrauma und Viertelfinalfluch
Beim WM-Turnier 1978 steht die Mannschaft erneut im WM-Finale, trainiert von Ernst Happel. Gegner ist wieder der Gastgeber: Argentinien. Cruyff ist nicht dabei, Jahre später nennt er seine Angst vor einer Entführung als Grund für die Absage. Die Niederländer kommen am 25. Juni 1978 früh aus der Kabine im El-Monumental-Stadion in Buenos Aires, als wollen sie den Zehntausenden fanatischen Fans trotzen.
Ärger um eine Manschette und wegen des Schiedsrichters
Es könnte jetzt losgehen. Doch die Gastgeber monieren die Manschette, die René van de Kerkhof wegen seiner angebrochenen Hand tragen muss. Sie weigern sich aufzulaufen. Nach langen Diskussionen wird die Manschette mit einem Mullverband umwickelt. Als dann endlich die Argentinier aus den Katakomben kommen, jubeln die Massen frenetisch, schwenken blau-weiß gestreifte Fähnchen. Konfetti regnet auf die Laufbahn hernieder. Mit zehn Minuten Verspätung wird angepfiffen.
Argentinien geht durch Mario Kempes in Führung, Dick Nanninga gleicht aus. In der Nachspielzeit treffen die Niederländer nur den Pfosten, es kommt zur Verlängerung - und erneut zu einem bösen Ende für die "Elftal". Noch einmal trifft Kempes und dann auch noch Daniel Bertoni. Argentinien gewinnt 3:1.
Bei der WM 1994 in den USA erwischt es die Niederlande, die 1988 Europameister geworden waren, bereits im Viertefinale. Die erste Halbzeit der Partie gegen Brasilien ist von taktischem Geplänkel geprägt, im zweiten Durchgang fallen innerhalb von 30 Minuten fünf Tore. 64.000 Zuschauer in Dallas sehen eine rasante Partie zweier Klassemannschaften - und einen strittigen Treffer. Beim 2:0 der Brasilianer durch Bebeto steht Romário deutlich im Abseits. Schiedsrichter Rodrigo Badilla aus Costa Rica hatte auf passives Abseits entschieden.
Oranje-Coach Dick Advocaat muss nach dem Abpfiff von einem Offiziellen des Weltverbandes Fifa zurückgehalten werden. "Der war total blind", schimpft der niederländische Spieler Rob Witschge später auf den Schiedsrichter. 1998 in Frankreich folgt das nächste Duell mit Brasilien, dieses Mal im Halbfinale. Nach regulärer Spielzeit steht es 1:1, in der Verlängerung fallen keine weiteren Tore. Im Elfmeterschießen versagen die Niederländer, Brasilien gewinnt 4:2.
Spanien: Die verfluchten Viertelfinals und ein blinder Schiedsrichter

Wut auf die Schiedsrichter: 2002 scheiterte Spanien unglücklich an Südkorea
Foto: Shaun Botterill/ Getty ImagesSpanien erlebt den Beginn seines "Viertelfinalfluchs" 1986 in Mexiko. In der Runde zuvor hat das Team Geheimfavorit Dänemark 5:1 gedemütigt, der 22-jährige Emilio Butragueno erzielt vier Tore. Nun steht das Duell gegen Belgien an. Torhüter Jean-Marie Pfaff zeigt Weltklasseform. Erst in der 85. Minute gelingt Spanien in Puebla der Ausgleich. Doch das Aus folgt im Elfmeterschießen, Eloy Olaya trifft als einziger der zehn Schützen nicht.
Acht Jahre später, beim Turnier in den USA, scheitert Spanien erneut in der Runde der letzten Acht, diesmal gegen Italien. Die letzten Minuten sind voller Dramatik. Es steht 1:1, Spanien ist die bessere Mannschaft. Doch sie vertändeln den Ball, Roberto Baggio gelingt in der 87. Minute der Siegtreffer. In der Nachspielzeit übersieht der ungarische Schiedsrichter Sandor Puhl einen klaren Ellenbogencheck von Mauro Tassotti gegen Luis Enrique im Strafraum. Dem Spanier wird das Nasenbein gebrochen, die Fifa sperrt Tassotti später für acht Partien.

WM-Geschichte: Finaltrauma und Viertelfinalfluch
Fehlentscheidungen bringen Spanien um den Lohn
Und wieder muss Spanien acht Jahre auf die nächste Chance warten, endlich ins Halbfinale einer WM einzuziehen. Gegner 2002 ist Co-Gastgeber Südkorea. In Gwangju landet der Ball nach einem Freistoß erstmals in der 48. Minute im Kasten der Asiaten, ein Eigentor. Doch der Jubel der Spanier wird unterbrochen vom Pfiff des Schiedsrichters. Der Ägypter Gamal al Ghandour will ein Foul gesehen haben. Rätselhaft.
Noch krasser ist die Fehlentscheidung des Schiedsrichtergespanns in der zweiten Minute der Verlängerung: Joaquín flankt in den Strafraum, Fernando Morientes köpft ein zum Golden Goal. Doch der Assistent zeigt an, dass der Ball bereits bei der Flanke die Grundlinie überschritten habe. Hat er nicht, die Zeitlupen widerlegen ihn klar. Es folgen weitere falsche Abseitspfiffe gegen die anrennenden Spanier, ein Treffer gelingt ihnen nicht. Südkorea siegt im Elfmeterschießen. "Dieses Spiel war ein Skandal", brüllt Trainer José Antonio Camacho.
Wieder vergehen acht Jahre bis zum nächsten WM-Viertelfinale der Spanier. Doch endlich wird der Fluch gebrochen, der zweimalige Europameister (1964 und 2008) besiegt Paraguay. Und im Halbfinale die deutsche Elf. Nun warten die Niederlande. Es kann nur einen Sieger geben. Nur einmal Erlösung.