WM-Pläne des Fifa-Chefs Das System Infantino

Gianni Infantino
Foto: Valeriano Di Domenico/ Getty ImagesDer Fußball-Weltverband Fifa steht vor der schlagzeilenträchtigsten Entscheidung unter seinem Präsidenten Gianni Infantino. Wenn am Dienstag der Fifa-Vorstand, neuerdings Council genannt, seinen Plan durchsetzt und die Ausweitung der Männer-Weltmeisterschaft auf höchstwahrscheinlich 48 Teams beschließt, schreibt Infantino Sportgeschichte.
Der 46 Jahre alte Schweizer, seit Februar 2016 im Amt, bewegt sich in der Tradition eines seiner Vorgänger, des korrupten Brasilianers João Havelange. Dieser hatte sich 1974 unter anderem mit dem Versprechen zum Fifa-Präsidenten wählen lassen, die Endrunde von 16 auf 24 Teams auszuweiten. Ein 24er-Turnier wurde von 1982 bis 1994 gespielt. Als sich Havelange nach 20 Jahren gegen einen Putschversuch seines Generalsekretärs und späteren Nachfolgers Joseph Blatter wehren musste, rettete er sich in seine letzte Amtszeit, indem er das WM-Turnier ab 1998 mit 32 Mannschaften austragen ließ.
An derlei Usancen der Stimmenbeschaffung knüpfte Infantino an, als er im Herbst 2015, damals noch Generalsekretär der Europäischen Fußball-Union Uefa, seine Kandidatur für den Fifa-Vorsitz eröffnete. Infantino kannte das Spiel. Denn in der Uefa war die Endrunde ebenfalls ausgeweitet worden, von 16 auf 24 Mannschaften, weil der damalige Präsident Michel Platini sein Wahlvolk bedienen musste. Infantino hatte diesen Beschluss durchzusetzen.
Diplomatische Worte von DFB-Seite
Als die Uefa später Schwierigkeiten hatte, Bewerber für das Mammut-Turnier zu finden, zauberten Platini und Infantino die Lösung aus dem Hut, die Euro 2020 in dreizehn Ländern auszutragen. Die EM 2024 wird wohl wieder von einer Nation ausgerichtet. Die größten Chancen hat der Deutsche Fußball-Bund (DFB) - und diese Offerte ist, das darf als gesichert gelten, untrennbar mit dem bevorstehenden Beschluss des Fifa-Councils verbunden.

DFB-Präsident Reinhard Grindel
Foto: Alexander Scheuber/ Bongarts/Getty ImagesDFB-Präsident Reinhard Grindel hat vergangene Woche zwar auf der Homepage seines Verbands erklärt, er wünsche sich eine längere Beratungszeit über die WM-Pläne. Doch diese Positionierung ist wohl nur taktischer Natur. Tatsächlich hat der DFB bislang in keinem Gremium nachhaltigen Widerstand praktiziert und dürfte das wohl auch künftig nicht tun. Grindel dürfte seine persönlichen Pläne, im April ins Exekutivkomitee der Uefa und dann auch ins Fifa-Council einzuziehen, genauso wenig gefährden wollen wie die deutsche EM-Bewerbung 2024. Es ist alles miteinander verbunden.
Infantinos Einfluss in der Uefa, deren Administration er jahrelang mit harter Hand führte, bleibt groß. Er könnte die Pläne Grindels und des DFB gefährden, würden die Deutschen wirklich gegen die WM-Ausweitung opponieren. Im Council hat der DFB ohnehin keine Stimme, denn sein ehemaliger Präsident Wolfgang Niersbach ist wegen seines Verhaltens im Sommermärchen-Skandal suspendiert. Sein Platz bleibt verwaist.
Der Fifa geht es an die Geldreserven
Infantino nutzt diese Konstellationen lässig aus. Es gibt nur einen deutschen Funktionär, der ihm Probleme bereiten könnte: Karl-Heinz Rummenigge, der Präsident der Vereinigung europäischer Fußballklubs (ECA). Die ECA hat Infantino Mitte Dezember schriftlich gebeten, bei einer 32er-WM zu bleiben. Die Klubs aber haben keine Stimme im Fifa-Council. Zudem wird deren wichtigstes Anliegen erfüllt, denn die WM 2026, die wohl erste mit 48 Mannschaften, soll wie die vergangenen Weltmeisterschaften exakt 32 Tage dauern. Die Klubs müssten ihre Profis also nicht länger abstellen. Der Rest-Widerstand dürfte über höhere Fifa-Abstellungsgebühren geregelt werden, das lief auch früher so. Um die neuen Preise zu verhandeln, hat man fast ein Jahrzehnt Zeit.
Apropos Geld. Infantino verspricht in einem bislang hausinternen Papier mit der WM-Aufblähung rund 20 Prozent mehr Einnahmen. Angeblich soll sich der Umsatz der Fifa von derzeit 5,5 Milliarden Dollar (WM-Zyklus 2018 in Russland) auf 6,5 Milliarden erhöhen. Überprüfbar sind derlei Behauptungen nicht. Zurzeit geht es ohnehin an die Reserven. Anwalts- und Beraterkosten bleiben exorbitant hoch. In den USA droht weiter Ungemach von den Strafermittlungen und anstehenden Prozessen gegen ehemalige Fifa-Top-Leute, hinzu kommen zivilrechtliche Auseinandersetzungen mit ehemaligen Managern, hohe Abfindungen, weil Infantino die Administration in Zürich umgestaltet und zunehmend mit seinen Leuten besetzt.
Während seiner Amtszeit wurde erst ein wichtiger Sponsoren- oder TV-Vertrag abgeschlossen: Im Juni 2016 verpflichtete man die chinesische Wanda Group als sechsten Partner in der höchsten Sponsoren-Kategorie. Verhandlungen mit Samsung und Qatar Airways blieben bislang erfolglos. Für Infantino ist das misslich, denn er hat die Zuwendungen für die 211 Nationalverbände und die sechs Konföderationen deutlich erhöht - das war neben der WM-Ausweitung sein wichtigstes Wahlversprechen.
Altlasten lauern überall
Die garantierten Zuwendungen für die Verbände stiegen von 1,6 Millionen Dollar im Vierjahreszyklus auf mindestens fünf Millionen - eine sogenannte Extrahilfe von einer Million Dollar ist zusätzlich möglich. Auch darin unterscheidet sich das System Infantino nicht von den Machtsystemen seiner Vorgänger Havelange und Blatter.
Infantinos Herausforderer Scheich Salman aus Bahrain hatte gewarnt, die erhöhten Zuwendungen würden "das Überleben der Fifa" gefährden. Die Rücklagen des Weltverbands sind von 2014 bis 2015 bereits um 180 Millionen Dollar auf 1,34 Milliarden geschmolzen. Das ist noch immer in der Komfortzone. Infantino hat zudem unmittelbar nach Amtsantritt ein Sparprogramm aufsetzen lassen, um nicht dauerhaft an die Reserven gehen zu müssen.
Das Jahr eins der Ära Infantino war von zahlreichen Alleingängen geprägt, von hohen Spesenrechnungen, von umstrittenen Entscheidungen, von unwürdigen Gehaltsdiskussionen, teuren Beratern, von Infantinos Nennung in den Panama Papers. Und die kriminalistische Aufarbeitung des Fifa-Betrugssystems dauert an. Altlasten lauern überall, auch an Infantinos einstiger Wirkungsstätte Uefa.
Wenn das Council am Dienstag allerdings die Umgestaltung der WM absegnet, ist Infantinos Position an der Spitze des Fußballkonzerns trotzdem gefestigter denn je.