Wörns-Interview "Ein ganz linkes Ding von Klinsmann"

Bei Borussia Dortmund bekommt er beste Noten, zeigt gleichmäßig gute Leistungen. Dennoch hat Bundestrainer Jürgen Klinsmann Christian Wörns auch für das Italien-Spiel nicht berufen. Mit SPIEGEL ONLINE sprach der Verteidiger über seine Wut und einen möglichen Rücktritt.

SPIEGEL ONLINE:

Herr Wörns, Sie spielen bis dato eine blendende Rückrunde, trotzdem verzichtet Klinsmann wieder auf Ihre Dienste. Wie finden Sie diese Entscheidung?

Wörns: Ich habe von meiner Nichtnominierung am Mittwochmittag, also einen Tag, bevor der Kader offiziell bekannt gegeben wurde, durch einen Journalisten erfahren und war wie vor den Kopf geschlagen. Der Bundestrainer hatte mir später am Nachmittag auf die Mailbox gesprochen. Für mich war das ein ganz linkes Ding.

SPIEGEL ONLINE: Glauben Sie noch an Ihre zweite WM-Teilnahme?

Wörns: Wenn man das Ganze realistisch betrachtet, ist meine Chance wohl auf ein Minimum gesunken.

SPIEGEL ONLINE: Wollen Sie noch einmal das Gespräch mit Klinsmann suchen?

Wörns: Wir haben schon einige Male gesprochen, eigentlich gibt es keinen Gesprächsbedarf meinerseits mehr, weil ich nie eine wirkliche Begründung für meine Nichtnominierungen bekommen habe. Und dass es nicht an meinen Leistungen liegen kann, sieht doch eigentlich jeder, der mit Fußball zu tun hat. Sportliche Gründe kann das also nicht haben.

SPIEGEL ONLINE: Woran kann es liegen?

Wörns: Ich habe einige Spieler, die schlechtere Leistungen geboten haben als ich, aber dennoch nominiert wurden, öffentlich genannt. Das war sicherlich weder sonderlich geschickt noch korrekt von mir. Andererseits musste ich mich nach Klinsmanns Entscheidungen einfach wehren, wenn ich morgens noch in den Spiegel schauen wollte. Wir konnten dann aber anlässlich des Länderspiels gegen China in Hamburg (am 12. Oktober 2005; die Red.), zu dem ich ebenfalls nicht nominiert war, miteinander sprechen und eigentlich schienen alle Missverständnisse ausgeräumt. Offensichtlich ist das aber nicht der Fall.

SPIEGEL ONLINE: Haben sich Klinsmann oder dessen Assistent Jogi Löw denn davor regelmäßig bei Ihnen gemeldet?

Wörns: Ein besonders intensives Verhältnis haben wir in den vergangenen Monaten sicher nicht gepflegt. Ich bin aber auch keiner, der regelmäßige Streicheleinheiten braucht. Was ich allerdings verlange ist Offenheit. Ich fühle mich veräppelt. Sicherlich hätte ich mich bei einer Nominierung heute moderater geäußert. Mittlerweile aber sind die Disharmonien für niemanden mehr zu übersehen. Und ich muss auch nicht mit dem Bundestrainer während der WM Händchen haltend herumlaufen, sollte er mich wider Erwarten doch mitnehmen. Da bin ich professionell genug, das trennen zu können.

SPIEGEL ONLINE: Sie sind bereits 33 Jahre alt. Wundert es Sie da, dass Kritiker Sie als Auslaufmodell sehen?

Wörns: Ich bin im Moment der einzige aktuelle deutsche Innenverteidiger, der regelmäßig und gut spielt. Was soll ich da sonst anführen? Ich renne meinen Gegenspielern nicht mehr hinterher wie vor 15 Jahren, habe mich voll auf die Viererkette eingestellt und mache auch im Aufbau nur wenige Fehler.

SPIEGEL ONLINE: Die "Süddeutsche Zeitung" sieht dennoch ein strukturelles Problem und moniert, dass es derzeit "eigentlich gar keine WM-tauglichen Abwehrspieler" gibt. Ist diese Kritik nicht berechtigt?

Wörns: Das sehe ich anders. Aber lassen wir es doch einfach mal so stehen. Selbst dann bin ich noch der Einäugige, der unter den Blinden König ist und habe mir meine Nominierung verdient.

SPIEGEL ONLINE: Noch einmal - ist die deutsche Abwehr nicht der schwächste Mannnschaftsteil?

Wörns: Wir haben viele talentierte Innenverteidiger. Die allerdings sind noch sehr jung, machen Krisen durch oder sitzen nur auf der Bank wie Robert Huth. Da bleibe im Moment nur ich übrig.

SPIEGEL ONLINE: Hoffen Sie noch auf eine Nominierung für die Partie am 22. März gegen die USA, immerhin findet das Spiel in Dortmund statt?

Wörns: Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, aber der Trend ist eindeutig.

SPIEGEL ONLINE: Erwägen Sie einen Rücktritt?

Wörns: Sollte es jetzt gegen Italien nicht laufen, will ich mit fast 34 Jahren nicht der Notnagel sein. Ich bin bitter enttäuscht und muss über all das jetzt erst einmal ein paar Nächte schlafen.

Die Fragen stellte Andreas Kötter

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