Wolfsburg-Trainer Littbarski Der traurige Spaßmacher

Noch-Trainer Littbarski: Aus schon nach wenigen Wochen?
Foto: dapdMan darf Pierre Littbarski ohne jede Boshaftigkeit unterstellen, dass ihm am Samstag andere Dinge möglicherweise wichtiger waren als das Ergebnis seines VfL Wolfsburg. Littbarski hat zehn Jahre seines Lebens in Japan verbracht, er ist mit einer Japanerin verheiratet, er nennt das Land seine "zweite Heimat". Die Ereignisse in Japan haben ihn schwer getroffen, es sei "fürchterlich", was dort geschehen sei, sagte der Weltmeister von 1990.
Viel Trost kann ihm die Situation beim VfL derzeit nicht spenden. Littbarski ist seit fünf Spielen Trainer in Wolfsburg, vier davon hat der Verein verloren. Der Club ist nach der Heimniederlage gegen den 1. FC Nürnberg in der Tabelle auf Relegationsplatz 16 abgerutscht. Der VfL Wolfsburg war seit Jahren nicht in so akuter Abstiegsgefahr wie zurzeit.
Man muss sich das alles noch einmal klarmachen: Wolfsburg war vor knapp zwei Jahren Deutscher Meister. Der Verein hat in den vergangenen Spielzeiten Millionen in den Kader investiert. Zwar hat der Über-Stürmer Edin Dzeko die Mannschaft in der Winterpause Richtung England verlassen. Zum Personal gehört aber immer noch der Torschützenkönig von 2009, Grafite. Im Tor steht der Schweizer Nationalkeeper Diego Benaglio. Vor ihm der deutsche Nationalspieler Arne Friedrich. Im Mittelfeld agiert Diego, der zu Zeiten bei Werder Bremen mal der beste Spieler der Bundesliga war. Der Verein hat den potenten VW-Konzern im Rücken.
Mannschaft wirkt wie eine leere Hülle
All das muss man berücksichtigen, um zu ermessen, wie tief der Verein in den vergangenen Monaten gestürzt ist. Littbarski ist der vierte Trainer innerhalb von etwas mehr als einem Jahr. Es gehört keine große Fantasie dazu, vorherzusagen, dass noch in dieser Spielzeit der fünfte Coach angeheuert wird.
Der Verein wirkt orientierungslos, seit sich Felix Magath im Sommer 2009 mit samt seinem opulenten Trainerstab aufmachte, um in Gelsenkirchen ein ähnliches Regime zu errichten, wie er es in Wolfsburg tun durfte. Magath hat den VfL innerhalb von zwei Jahren aus der Fußball-Provinz in die Champions League befördert. Mannschaft und Verein waren mit diesem Rollenwechsel letztlich überfordert. Die Ansprüche, die nicht zuletzt der Volkswagen-Konzern aus der Meisterschaft von 2009 ableitete, waren zu groß für eine Mannschaft, die Magaths Kreation war. Der Meistermacher ging, die Mannschaft blieb zurück. Manchmal hatte man das Gefühl, Magath hat dieses Team bis auf den letzten Blutstropfen leergesogen, anschließend war nur noch die Hülle da.
Für die Fans, für die Öffentlichkeit ist Manager Dieter Hoeneß der Buhmann. Den Mann, der bei Hertha BSC von Großem träumte und in Wolfsburg glaubte, endlich die Bedingungen vorzufinden, seine Träume wahrzumachen, hat die Situation in Wolfsburg sprachlos gemacht. Nach dem Nürnbergspiel verschwand der 58-Jährige ohne Kommentar in den Katakomben des VfL-Stadions. Für die Trainerzukunft von Littbarski bedeutet das nichts Gutes.
Kommt jetzt Hans Meyer aus dem Ruhestand?
Zunehmend geistert dieser Tage der Name Hans Meyer durch Wolfsburg. Hoeneß und Meyer haben vor Jahren in Berlin zusammengearbeitet - Meyer hatte Hertha damals in einer ähnlich prekären Situation übernommen und den Klassenerhalt gesichert. Nicht auszuschließen, dass der 68-Jährige noch einmal aus der Fußballrente zurückgeholt wird.
Der noch im Amt befindliche Coach selbst behalf sich nach der Heimpleite mit Zitaten aus dem Wörterbuch des Trainersprüche. "Wer immer ans obere Limit geht, wird dafür auch belohnt", gab Littbarski tapfer zu Protokoll. Die Mannschaft habe "gezeigt, dass sie den Abstiegskampf angenommen" habe. Und: "Wenn man unten steht, gehen Dinge oft nach hinten los." Littbarski wirkt nicht wie ein Coach, der seine Mannschaft aufrütteln kann, der ihnen den Ernst der Lage nachdrücklich vermittelt. Littbarski wirkt wie das, was er ist: ein Interims-Coach.
Das Team ist zumindest Manns genug, dem 51-Jährigen noch den Rücken zu stärken. "Man kann ihm nichts vorwerfen, er ist in der Mannschaft vollkommen akzeptiert", sagte Nationalspieler Sascha Riether. Das Team, so Riether, sei in der Pflicht. Man selbst habe die Fehler gemacht, attestierte Diego. Nur auf dem Platz haben sich diese Erkenntnisse bisher nicht niedergeschlagen.
Littbarski war 1990 der Spaßmacher in der deutschen Weltmeistermannschaft. Unvergessen, wie er mit seinem damaligen Kölner Teamkollegen Thomas Hässler, in der ARD in Dingsda-Manier Fußballbegriffe erklärte. Das ist sehr sehr lange her. Es gibt für Littbarski derzeit überhaupt keinen Anlass, Spaß zu haben.