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GOLF Gemeines Loch

Die Masters, Anfang April in Augusta im US-Bundesstaat Georgia ausgetragen, gelten als exklusivste Sportveranstaltung der Welt. *
aus DER SPIEGEL 13/1988

Frühmorgens schleppten Gärtner eimerweise Eiswürfel an und packten sie um die gerade knospenden Blumen auf den Beeten in Sichtweite des Klubheimes. Die Vereinsmitglieder, die erst am Nachmittag Zeit zu einem Besuch hatten, sollten auch dann noch die Blütenpracht genießen können.

Fast alles erscheint etwas skurril am Augusta National Golf Club im US-Staat Georgia, der alljährlich im April die Masters ausrichtet. Es ist das außergewöhnlichste und bedeutendste Golf-Turnier der Welt, der Fan-Gemeinde so heilig wie Wimbledon den Tennisfreaks.

»Hier wird Golf nicht nur gespielt«, beobachtete die »FAZ«, »hier wird es zelebriert.« Mitmachen kann beim Masters nur, wen der Klub eingeladen hat, und diese Auszeichnung widerfährt allein den jeweils Besten der Welt, in diesem Jahr exakt 100.

Wer freilich einmal in Augusta gesiegt hat, darf bis zum Lebensende mitspielen. Wie der Deutsche Bernhard Langer, der 1985 gewann und für den es nach eigenem Bekunden »eine Ehre« ist, zum Teilnehmerfeld zu gehören.

Langers Arbeitskollegen, durchweg hartgesottene Professionals und Dollar-Millionäre, schwärmen nicht weniger von Augusta. Als er begonnen habe, sich mit Golf zu befassen, erzählte Jack Nicklaus, sei die Teilnahme an den Masters sein Traum gewesen. Und Arnold Palmer bekannte: »Wenn du nicht dabei bist, hast du das Gefühl, eine Woche lang aus der Welt zu sein.«

Bis auf Langer, den Südafrikaner Gary Player (drei Siege) und den Spanier Severiano Ballesteros, der zweimal siegte, waren in Augusta stets Amerikaner erfolgreich. Viermal gewann Palmer, Masters-Rekordsieger ist Nicklaus. Vor zwei Jahren feierte er, als 46jähriger, seinen sechsten Triumph.

Am durchgestylten Ambiente der Anlage hat sich nichts verändert, seit Robert Tyre Jones, ein Rechtsanwalt und erfolgreicher Golfspieler, Anfang der dreißiger Jahre auf dem Gelände der ältesten Baumschule im Süden der USA den 18-Loch-Kurs anlegen ließ. Grüntöne bestimmen das Bild von den Seidentapeten und Polstermöbeln des im Kolonialstil erbauten Klubhauses bis zur Kleidung des Personals und den Elektrocarts der Platzrichter.

Grün ist, selbstverständlich, auch die Farbe des Blazers, in den der Gewinner bei der Siegerehrung gesteckt wird. Mit nach Hause nehmen darf er das Kleidungsstück allerdings nicht, es bleibt Eigentum des Klubs.

Im weitläufigen Park, vor unerwünschten Besuchern geschützt durch ein schmiedeeisernes Tor, ließ der Verein kleine Häuser errichten, in denen prominente Mitglieder nächtigen können. Ein besonders häufiger Gast war Dwight D. Eisenhower, der während seiner Präsidentschaft 29mal in Augusta weilte.

Den seinerzeit vom Golfarchitekten Alister MacKenzie angelegten Kurs, mit 44 Sandbunkern und einem halben Dutzend Gewässern als tückischen Hindernissen, nennt »Newsweek« treffend »elitär, anachronistisch, sogar unfair«. Seit 1934 das erste Masters-Turnier ausgetragen wurde, haben hier selbst die Cracks immer mal wieder an ihren Fähigkeiten gezweifelt.

So kreuzt die zwölfte, nur 142 Meter lange Bahn ein Bach. Nachdem er den Ball endlich ins Loch gebracht hatte, schimpfte der US-Profi Lloyd Mangrum: Dies sei »das gemeinste kleine Loch der Welt«. Meistergolfer Tom Weiskopf benötigte 1980 zehn Schläge über Standard (drei). Er war mit jedem Schlag im Schnitt nur elf Meter vorangekommen. Als Ballesteros den Sieg 1986 durch einen Schlag ins Wasser verspielt hatte, sprach er stundenlang kein Wort mehr.

Das Masters-Publikum ist sorgsam vorsortiert - Hunde, Babys und Jeansträger sind unerwünscht. Jedes Jahr bietet der Klub nur langjährigen, in einer Kartei erfaßten Fans Karten an. 40 000 Besucher faßt die Anlage in Augusta, bei 5000 weiteren Golffreaks schloß der Klub seine Warteliste. Auf dem Schwarzmarkt kostet ein Ticket 850 Dollar.

Der Klub nimmt bei jedem Turnier, trotz des Verzichts auf Sponsoren, etwa fünf Millionen Dollar ein, zwei Millionen davon, so schätzen Insider, vom TV-Konzern CBS, der mit 20 Kameras anrückt. Doch der Vertrag gilt nur von Jahr zu Jahr. Als Reporter Jack Whitaker die Zuschauer einmal »Mob« nannte, mußte sein Sender ihn auf Druck der Veranstalter vom Masters aussperren.

Das Klubkomitee bestimmt sogar, welche TV-Werbekunden für die Masters-Live-Übertragungen zugelassen werden. Das Preisgeld für die Profis, zuletzt 867 100 Dollar, davon 162 000 an den Sieger, gibt der Klub erst am dritten Spieltag bekannt.

Aus den Einnahmen besolden die Veranstalter ganzjährig eine Hundertschaft von Gärtnern und während des Turniers etwa 1500 Hilfskräfte bis zu Sicherheitsbeauftragten der Detektei Pinkerton. Acht von zwölf Monaten bleibt die Anlage gesperrt.

Aber vier Masters-Tage im Jahr füllten die Golf-Chronik mit reichlich Geschichten - der vom Klubmanager Clifford Roberts etwa, der sich auf dem Platz erschoß; von Roberto de Vicenzo, der 1968 den Sieg verschenkte, weil er ungeprüft die Zählkarte unterschrieb, den der jeweilige Rundenpartner führt (sein Mitspieler hatte einen Schlag zuviel notiert); von Larry Mize, der 1987 im Stechen mit einem 30-Meter-Schlag gewann.

Von allen erfuhr Gary Player das unglaublichste Glück: Als er 1961 einen Ball verzog, reckte sich spontan die Hand eines Zuschauers aus der Menge und stoppte den Ball. Er fiel aufs Grün, Player lochte ihn aus zwei Meter locker ein und gewann das Turnier Laut Golf-Regel sind Zuschauer Luft.

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