Hindernisläuferin Gesa Felicitas Krause "Das Training ist das Einzige, was meinem Leben gerade Sinn gibt"

Olympia verschoben, die Diamond League geschrumpft: Athletinnen wie die zweifache Europameisterin Gesa Felicitas Krause spüren die Folgen der Covid-19-Pandemie. Hier spricht sie über finanzielle Sorgen und das Training als Lichtblick.
Ein Interview von Matthias Fiedler
Leichtathletin Gesa Felicitas Krause: "Ich kann nur hoffen, dass mir einige Sponsoren die Treue halten"

Leichtathletin Gesa Felicitas Krause: "Ich kann nur hoffen, dass mir einige Sponsoren die Treue halten"

Foto:

Hendrik Schmidt/ dpa

Zur Person

Gesa Felicitas Krause, Jahrgang 1992, ist eine deutsche Hindernisläuferin. Zweimal wurde sie Europameisterin über ihre Paradestrecke, die 3000 Meter (2016, 2018). 2015 und 2019 gewann sie WM-Bronze über dieselbe Distanz. 2017 stürzte sie während des WM-Finals ohne eigenes Verschulden. Sie fiel zurück bis ans Ende des Felds, gab allerdings nicht auf und lief immerhin als Neunte ins Ziel.

Foto:

JEWEL SAMAD/ AFP

SPIEGEL: Frau Krause, der Leichtathletik-Weltverband will in einer Studie ermittelt haben, dass Fernsehzuschauer den Hindernislauf weniger spannend finden. Deshalb dürfen Sie in der Diamond League dieses Jahr nur einmal starten statt wie bisher fünfmal. Wie sehr schmerzt das?

Krause: Es ist enttäuschend. Mir hat das Stadionpublikum immer das Gefühl gegeben, vom Hindernislauf begeistert zu sein. Beim Diamond-League-Finale in Zürich vergangenes Jahr hat uns die Menge nach vorn gepeitscht. Das war super motivierend. 

SPIEGEL: Ihre Trainingspartnerin, die US-Amerikanerin Emma Coburn, hat aus Verärgerung angekündigt, gar nicht mehr in der Diamond League anzutreten. Haben Sie auch darüber nachgedacht?

Krause: Nein, aber ich kann Emma verstehen. Sie ist Weltmeisterin und wollte die Diamond League irgendwann einmal gewinnen. Jetzt wurde uns der Start beim Finale genommen. Das ist frustrierend. Es ist ja nicht das erste Mal, dass die Athleten das Nachsehen haben.

SPIEGEL: Was meinen Sie?

Krause: Bis 2017 hat derjenige die Diamond League gewonnen, der am Ende die meisten Punkte hatte. Jetzt reicht ein Sieg im Finale. Ein Rennen entscheidet über die ganze Saison. Für das Publikum ist das vielleicht reizvoller, weil es um alles oder nichts geht. Für die Athleten ist es unfair.

SPIEGEL: Zumindest das Preisgeld ist passabel. Für den Gewinn des Finales gibt es 50.000 US-Dollar, für den zweiten und dritten Rang immerhin 20.000 und 10.000 Dollar.

Krause: Für mich, die immer im Mittelfeld gelaufen ist, haben die hohen Preisgelder nie eine große Rolle gespielt. Für Rang fünf zum Beispiel gibt es 2500 Dollar, die besteuert werden. Dein Manager bekommt seinen Anteil, da bleibt nicht viel. Die Verschiebung der Olympischen Spiele wegen des Coronavirus trifft mich härter.

SPIEGEL: Das müssen Sie erklären.

Krause: Viele Sponsoren verpflichten sich bis zum Abschluss des Olympiajahres. Jetzt ist bei einigen unsicher, ob sie eine Saison dranhängen. Sie fragen sich zu Recht: Kann ich mir diese Ausgaben in der Krise noch leisten? Will ich das? Viele meiner Sponsorenverträge haben eine Bonusklausel. Das bedeutet, es gibt Startprämien für die Teilnahme an Olympia, der EM oder der WM. Außerdem Zulagen für gute Platzierungen. Das fällt vorerst weg.

SPIEGEL: Wie kompensieren Sie das?

Krause: Ich kann nur hoffen, dass mir einige Sponsoren die Treue halten.

SPIEGEL: Wie haben Sie die Olympia-Absage aufgenommen?

Krause: Das war eine Riesenenttäuschung. Jeder träumt davon. Allerdings darf man nicht vergessen: Viele Leute sind vom Coronavirus schwer krank geworden. Sie haben ihren Job verloren oder im schlimmsten Fall Familie und Freunde. Warum soll es uns Athleten besser gehen?

SPIEGEL: Was macht der Olympia-Ausfall mit Ihrer sportlichen Motivation?

Krause: Es ist schwer, von heute auf morgen ein neues Ziel zu definieren. Ich bin jetzt zehn Jahre Profiläuferin. Ich war Europameisterin, habe WM-Bronze gewonnen. Da gibt es nicht mehr viel, was ich erreichen kann. Eine Medaille bei Olympischen Spielen ist das, was mich antreibt.

SPIEGEL: Das heißt, Sie müssen sich momentan für jedes Training in den Hintern treten?

Krause: Nein, im Gegenteil. Das Training ist das Einzige, was meinem Leben gerade Sinn gibt. Worauf ich mich freue. Ohne das Laufen wüsste ich gar nicht, was ich mit meiner Zeit machen sollte. Nur das ganz große Ziel fehlt eben.

SPIEGEL: Sie haben die vergangenen Wochen in der Stadt Boulder im US-Bundesstaat Colorado trainiert. Haben die Behörden wegen der Coronakrise dort keine Sportanlagen gesperrt?

Krause: Nein. Die Laufbahnen an Schulen sind für die Öffentlichkeit weiter zugänglich. Das war mein großes Glück. So konnte ich jede Woche gut 170 Kilometer abspulen. In Deutschland hätte ich schon lange nicht mehr trainieren können.

SPIEGEL: Wie geht es weiter?

Krause: Ich weiß es nicht. Wir können kein Trainingslager planen, keinen Wettkampf. Diese Ungewissheit ist furchtbar.

Mehr lesen über

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren