GEWICHTHEBEN DOPING Gift und Gegengift
Tapsig stakte der ungarische Gewichtheber Sandor Holczreiter auf die Bühne. Ein Auge stierte hinauf zum Rang, das andere auf die Hantel. Der Muskelmann war high.
Bei Weltmeister Holczreiter und acht anderen Medaillengewinnern der Gewichtheber-Weltmeisterschaften in Columbus (Ohio) stellte das Laboratorium eines städtischen Krankenhauses in den Urinproben aufputschende Phenylaethylamine fest. Die Jury disqualifizierte neun Drogensünder.
Erst 1968 hatten die Verbands-Oberen Doping-Proben beschlossen. Nun versagte der fünf Jahre unbesiegte sowjetische Olympiasieger und Weltrekordler Leonid Schabotinski bei der Weltmeisterschaft 1969 in Warschau und trat zurück. Alle Doping-Tests bei den im Ostblock stattfindenden Titelkämpfen verliefen ergebnislos.
Obwohl die US-Veranstalter vor der Weltmeisterschaft in Columbus Doping-Tests angekündigt hatten, fürchtete anscheinend kaum ein Heber die vermeintlich unwirksamen Kontrollen. Der Franzose Jean-Paul Fouletier -- zugleich ein Heber der Spitzenklasse und Arzt -- gab freimütig die Doping-Bräuche seiner Branche preis:
Danach meiden die meisten Heber der leichteren Gewichtsklassen aus Furcht vor Übergewicht muskelbildende Präparate (Anabolika). Dagegen mästen die Schwergewichtler ihre Muskeln mit Anabolika und setzen nur vier bis fünf Tage vor einem bedeutenden Wettkampf aus. Mißbrauch von Anabolika ist mit den bisherigen Methoden nicht nachzuweisen. Die schädigende Wirkung ist hingegen bekannt. Der US-Arzt John Ziegler verabreichte Hebern eines kalifornischen Kraftklubs während eines Tests Muskelmittel »wie Bonbons«. Er stellte Prostata-Schäden und Verkümmerung der Hoden fest. Ziegler brach den Versuch ab.
»Besonders die Heber mit Titelchancen dopen sich«, enthüllte der selbst noch aktive Franzose Fouletier die zusätzliche Anwendung aufputschender Mittel unmittelbar vor einem Wettkampf und gegen depressive Phasen nach hartem Training. »Eines Tages mußte das auffliegen.«
Offensichtlich verfügten die Sportmediziner in Columbus über wirksame Methoden der Analyse. Das Ergebnis der ersten Untersuchung veröffentlichten sie erst, nachdem schon die dritte Gewichtsklasse aufgetreten war. Von neun Medaillenträgern war nur der Perser Nassiri ungedopt.
Den ungarischen Mannschafts-Arzt beobachteten Zeugen, wie er seinem Bantamgewichtler Imre Földi eine Spritze verabreichte. WM-Arzt Dr. Eimer Diltz ermittelte: Die Spritze enthielt ein Gegengift, das Dopingspuren verwischen sollte. Die Ungarn entließen ihren Medizinmann.