»Hätte der Papst doch Coca-Cola getrunken«
Die Zeiger der goldenen »Rolex« sind stets fünf Minuten vorgestellt - Mark McCormack, 53, ist lebendes Symbol für die Volksweisheit »time is money«, Zeit ist Geld.
Sein persönliches Vermögen schätzen Branchen-Insider auf rund 50 Millionen Dollar. Gleichwohl will der Amerikaner noch fünf, vielleicht sieben Jahre weiter scheffeln. Er hat »einfach Spaß daran, morgens um fünf Uhr aufzustehen und zu arbeiten«. Seine Sekretärin sieht es möglicherweise anders - zuweilen bittet McCormack um sechs Uhr früh zum Diktat. Zeit, so sagt er, sei sein »größter Feind«.
Die »International Management Group« (IMG), McCormacks Unternehmen, verzeichnet jährliche Umsätze zwischen 250 und 500 Millionen Dollar. Schon deshalb verschmäht der IMG-Präsident die Berufsbezeichnung »Agent«. Er sieht sich dabei an das klassische Image von Boxmanagern erinnert, Männer mit angekauten Zigarren im Mund, Diamantringen an den Fingern und Bäuchen, die sich zwischen Hosenträgern wölben.
Der 1,90 Meter große McCormack, dessen Haare sich allmählich von blond auf grau verfärben und dessen braungebranntes Gesicht gelegentlich durch ein nervöses Zucken den Streß in olympischen Höhen verrät, betrachtet sich vielmehr als Unternehmer.
Während des Tennisturniers in Wimbledon ist er oftmals Gast in der königlichen Loge. Für die Dauer der Internationalen Tennismeisterschaften in Paris bezog er eine Suite im luxuriösen Hotel »Crillon«, mit Blick auf die Place de la Concorde, versteht sich.
In Paris diniert er im Drei-Sterne-Restaurant »Archestrate« oder speist »Terrine Saint-Jacques« im Fischlokal »La Maree«. Mit seinem Freund Ray Cave, dem Chefredakteur von »Time«, hat der Amerikaner eben Florenz und Rom besucht. Er sagt über sich: »Ich habe einen Sinn fürs Feine.«
Die »Los Angeles Times« karikierte McCormack als einen Polypen, dessen Fangarme den Globus umgreifen. »Sports Illustrated« beschrieb McCormack als den »mächtigsten Mann im Profi-Sport«. Sein Unternehmen (Sitz: Cleveland, Ohio) ist in elf Ländern vertreten, in Tokio wie Monte Carlo, Rio de Janeiro und Hongkong. »Uns mit irgendeinem Konkurrenten vergleichen zu wollen«, behauptet McCormack, »ist so, als wollte man Reparaturwerkstätten an General Motors messen.«
Hunderte von international erfolgreichen Sportlern sind ihm vertraglich verbunden. McCormack handelt für sie Sponsoren-Verträge aus und besorgt Ghostwriter für ihre Memoiren. Er kalkuliert für seine Kunden die Steuern und investiert ihren Profit. Er entscheidet mit den Sportlern, bei welchen Wettkämpfen sie antreten sollen, und verpflichtet, falls nötig, auch die Trainer. Zuweilen ermuntert er Kunden zum Umzug in steuergünstigere Länder; Björn Borg empfahl er Monaco.
McCormack zwackt seinen Anteil von den Werbeeinnahmen einiger Leichtathleten ab, die bei den Olympischen Spielen in Los Angeles starten. Er schöpft beim Internationalen Tennisturnier in Wimbledon Gewinn ab, selbst wenn seine Stars am Ende dieser Woche die Endspiele nicht erreichen sollten. Denn der Manager ist nicht nur an den Prämien der Spieler, sondern an »nahezu allen kommerziellen Abläufen des Turniers« beteiligt.
Beispielsweise handeln die Amerikaner aus Cleveland für den Turnierveranstalter, den »All England Club and Lawn Tennis & Croquet«, die internationalen
Fernseh-Übertragungsrechte aus. McCormack brachte die Klub-Manager, in der Mehrheit pensionierte Generäle und Obristen, vor zwei Jahren dazu, Spiele auch am sonst in Großbritannien tabuierten Sonntag anzusetzen. Den Briten erschien dieses Ansinnen zunächst so unvorstellbar, als solle die Queen am Strand von Blackpool im Bikini flanieren.
McCormack konzipierte das »W"(für Wimbledon)-Emblem, das weltweit in Lizenz verkauft wird. Bekleidungsunternehmen, die das »W« auf ihre Produkte nähen, bietet McCormack als zusätzliche Attraktion an - gegen Honorar -, die Balljungen in ihre »W«-Hemden oder »W«-Pullover zu kleiden und so vor der gesamten Tenniswelt Produkt-Werbung zu betreiben.
»Wilkinson Sword«, Hersteller von Gartengeräten und Rasierklingen, erwarb - über McCormack - das Recht, den Wimbledon-Rasen kurz zu scheren und mit dem Rasenmäher-Einsatz in Anzeigen zu prahlen. Von den 40 Fest-Zelten, den sogenannten »Hospitality Tents«, in denen Unternehmen wie BAT, Ford oder Seagram Distillers ihre Gäste mit Erdbeeren und Sahne, Champagner und Lachsschnitten beköstigen, vermietet McCormack die Hälfte.
Zwar ziehen Stars wie Jimmy Connors und John McEnroe gegenwärtig Familienbetreuung vor; Connors läßt sich von seiner Mutter, McEnroe vor allem von seinem Vater beraten. 13 der 30 weltbesten Profis im Männertennis werden jedoch in der McCormack-Zentrale in Cleveland in den Computern als Kunden geführt. Fünf der zehn besten Tennisdamen arbeiten ebenfalls mit McCormack zusammen.
Als zuletzt die Ex-Tschechin Martina Navratilova gegen die Amerikanerin Chris Evert-Lloyd in Paris um die »Internationalen Meisterschaften von Frankreich« kämpfte, konnte sich Mark McCormack in der für ihn reservierten Loge hinter der Grundlinie absolut sicher fühlen.
Denn die Finalistinnen gehören beide zu McCormacks Klienten. Anders als in den ersten Jahren seiner Manager-Tätigkeit, als ihn mit den Sportlern oft ein freundschaftliches Verhältnis verband, besucht der Manager die Damen vor dem Match nicht mehr in der Kabine oder wünscht ihnen telephonisch Erfolg. Dafür hat er heute seine Leute. Einer seiner leitenden Mitarbeiter bemüht sich um Chris Evert. Ein zweiter, Peter Johnson, um Martina Navratilova.
McCormack arbeitet nur noch selten Verträge aus, Details überläßt er anderen. Er führt und entscheidet im Zweifelsfall im Stil eines Henry Ford, der bei Diskussionen über neue Automodelle das letzte Wort mit der Frage für sich in Anspruch nahm: »Wessen Name steht an den Autos?«
»Mark the shark« nennen Konkurrenten den IMG-Chef, Mark, der Haifisch. Seine harten Business-Methoden versteht er freilich durch Charme und Witz abzufedern. Er habe nie eine PR-Agentur engagiert, behauptet der Amerikaner. Er muß es nicht. McCormack selbst ist sein bester PR-Konzern. Der Hotelmanager, der ihm die schönste Suite reserviert, wird nicht vergessen. Für seine Mühen erhält er Tribünenkarten fürs Endspiel.
Im »Crillon« bereitete McCormack die Siegesfeier für den Abend nach dem Pariser Endspiel persönlich vor. Ob er nun auf die Siegerin Chris Evert oder die Siegerin Navratilova das Champagnerglas leeren würde, war ihm angeblich »völlig gleichgültig«. Denn »beide sind meine Kunden, und beides sind feine Damen, die für das Ansehen ihres Sports viel geleistet haben«.
Im ersten Satz des Finales siegt die ehemalige Tschechin Navratilova 6:3. Im zweiten führt sie 5:0 und schlägt auf. Ein Spiel noch, und die Navratilova ist Tennisgeschichte. Ihr Sieg bedeutet eine Sonderprämie in Höhe von einer Million Dollar. Dieses Geld hat ein amerikanischer Miederwarenkonzern für jene Spielerin ausgesetzt, die nacheinander die sogenannten »Grand Slam«-Turniere in London, New York, Australien und Paris, also auf Rasen-, Zement- und Aschenplätzen, gewinnt.
Martina Navratilova verliert ihren Aufschlag. Es steht 5:1. McCormack beugt sich zu Mitarbeiter Peter Johnson und flüstert: »Sie ist das erste Mal nervös geworden.« Und auch das letzte Mal. Sie siegt, kassiert eine Million Dollar, plus die vergleichsweise bescheidene Siegprämie in Höhe von 97 000 Dollar.
Manager McCormack freilich springt nicht vom Stuhl hoch. Er eilt auch nicht mit roten Rosen in die Umkleidekabine. »Das war«, sagt er, »ein schönes Spiel.« Dann fährt er ins »Crillon« zum Nachmittagsschläfchen. Er weiß, er hat ein schönes Stückchen Geld mitverdient.
Mindestens 20, zuweilen 50 Prozent kassiert das Management-Unternehmen von den Prämien sowie den Werbeverträgen ab. Nur der Pokal oder der Silberteller gehören den Sportlern ganz allein. Wieviel der Chef der Navratilova vom Scheck abzieht, darüber will McCormack nicht reden: »Das ist eine Angelegenheit zwischen ihr und mir.«
Der Tennis-Star, das wissen ihre Manager, ist empfindlich. Wenn kritische Geschichten über Martina Navratilova in den Sportzeitungen stehen und unvorteilhafte Navratilova-Photos abgedruckt werden, dann klagt die »Nummer Eins": »Ihr werdet dafür bezahlt, so was zu verhindern.« Von McCormack hört die Weltbeste nie Kritik. Er ist überzeugt: »Martina steht erst am Anfang ihrer Karriere.« Profit ist deshalb langfristig zu erwarten.
Sie ist 27 Jahre alt, mindestens drei oder vier Jahre, »wenn nicht noch länger«, wird sie nach Überzeugung McCormacks noch »die Größte« im Frauentennis sein. Sie sei einfach »eine Ausnahmeerscheinung«. Sie habe »ihren Sport auf eine andere Ebene gehoben« und sei deshalb in der Nachkriegsepoche nur mit einem anderen Großen zu vergleichen, der ähnlich dominierend gewesen sei: Muhammad Ali.
Mit vertragsgebundenen Sportlern wie Martina Navratilova oder vor ihr Björn Borg kann McCormack nur gewinnen. Sollten die Tennis-Profis jedoch einmal versagen oder gar die Lust verlieren, hat McCormack in anderen Disziplinen Ersatz:
In Los Angeles läuft McCormack per saldo mit: Der britische 800-Meter-Weltrekordler Sebastian Coe, der US-Marathonläufer Alberto Salazar sowie die amerikanische 5000-Meter-Weltrekordlerin Mary Decker sind an McCormack schon vor ihrem möglichen Medaillen-Gewinn gebunden.
Sattelt etwa der Reiter Mark Phillips, Ehemann der britischen Prinzessin Anne, seine Turnier-Pferde, ist McCormack dabei. Seine Firma formulierte die Verträge, die der Military-Reiter mit dem britischen Automobilkonzern unterzeichnete, der den Geländewagen Range Rover herstellt.
Das Phillips-Reiterteam startet unter dem Namen Range Rover. Eingekleidet werden die Reiter von der Firma »Daks« - die Schecks gehen an McCormack. Der reicht den Phillips-Anteil an den britischen Reiterverband weiter. Die Funktionäre bezahlen mit diesem Geld die reiterlichen Aufwendungen des Schwiegersohns der Königin von England.
Im September starten Mark Phillips und seine Mannschaft bei einem Turnier, das der Sherry-Hersteller »Croft« finanziert. Austragungsort: der Landsitz Ihrer Königlichen Hoheit Anne. Der Organisator: Mark McCormack.
Das US-Management-Unternehmen berät den Ex-Autorennfahrer Jackie Stewart und Golfer Arnold Palmer. Es setzt die Verträge auf, die beispielsweise Tennisstar Mats Wilander aus Schweden mit dem italienischen Bekleidungsunternehmen »Cerruti« oder die deutsch-amerikanische Tennis-Spielerin Bettina Bunge mit »Adidas« unterzeichneten. Durch McCormacks Management wurde der jetzt 28 Jahre alte Björn Borg zum reichsten Frührentner der Sportgeschichte.
Will etwa der englische Fußball-Club Manchester United Freundschaftsspiele im Fernen Osten austragen, organisieren McCormack-Mitarbeiter die Tournee. Reist der New Yorker Club »Cosmos« nach Südamerika, inszeniert McCormack die Show. Über die McCormackeigene Firma »Trans World International« wurden Fernseh-Übertragungsrechte für die Verleihung der Nobelpreise, die Krönung der »Miss World« sowie die Olympischen Spiele 1988 im kanadischen Calgary ausgehandelt.
Das US-Unternehmen ist beim Management der Internationalen Deutschen Tennis-Meisterschaften in Hamburg dabei und organisiert für den Deutschen Golf-Verband die »German Open«. Die Golfer nennen lediglich den Wettkampfort, für Sponsoren und Spieler sorgt der US-Manager. 19 der weltbesten Golfer, darunter der Deutsche Bernhard Langer, verdienen das große Geld durch Golfer McCormack (Handicap: 6).
Popstars, Boxer oder Filmschauspieler sind bei ihm kaum noch unter Vertrag, das seien »unstete Branchen«, glaubt der Amerikaner. Dafür kommt der einzige deutsche Automobilrennfahrer, Stefan Bellof, der sogar in der Formel-1-Klasse mithalten kann, neu in den Kundenkreis McCormacks. Nach 25 Jahren Manager-Tätigkeit hat sich der Sportunternehmer erstmals an klassische Musiker gewagt.
Das Kalkül McCormacks, der »von Kunst nicht viel versteht": »Wenn man einen begabten Pianisten im Alter von 17 Jahren unter Vertrag nimmt, dann spielt er wahrscheinlich immer noch, wenn er 65 ist.« Von Rock-Gruppen wie »Police« sei ähnliche Kontinuität nicht zu erwarten: »Vielleicht schon morgen oder in drei, vier Jahren sind die weg vom Fenster.«
Da lobt sich Katholik McCormack Kunden wie den Papst aus Rom. Der Stellvertreter Christi bat den Manager - über seine Emissäre -, ihm bei seiner Reise 1982 durch Britannien zu helfen. Den Heiligen Vater hatte bei seiner voraufgegangenen Irlandreise vor allem
das Defizit von sieben Millionen Dollar der katholischen Kirche irritiert. Damals verdienten private Geschäftsleute am Papst. McCormack sorgte für Ordnung. Er verkaufte die Lizenzen und füllte die Schatullen der Kirche in England.
Ganz glücklich war der amerikanische Marketing-Spezialist dennoch nicht. Der Erfolg, so sinnierte er im nachhinein, hätte viel dramatischer ausfallen können, »etwa wenn der Papst doch öffentlich eine Coca-Cola oder ähnliches getrunken hätte«. Aber ein derartiger Werbegag, das sieht selbst McCormack ein, »ist für einen Papst wohl nicht angebracht«.
Persönlichkeiten wie der Heilige Vater aus Polen entsprechen allerdings dem Modell des Menschen, den McCormack gern vermarktet: »Ein sympathisches Gesicht, weltweit bekannt, spricht Männer und Frauen an und obendrein noch mehrere Sprachen.« Denn »Talent allein reicht nicht«, weiß das Verkaufsgenie, »Persönlichkeit muß sein.«
McCormack ist vor allem ein Kuppler zwischen Profi-Sportlern, Fernsehen und Unternehmern. Er ist überzeugt davon, daß der Sport »nur wachsen kann, wenn mehr Geld zur Verfügung steht«. Nicht der Staat, sondern Unternehmer seien vor allem bereit, im Sport zu investieren. »Dafür aber wollen die etwas sehen«, ihre Namen oder ihre Produkte im Fernsehen etwa. Die Sportverbände, die sich gegen diese Entwicklung zu wehren suchen, seien oft »einfach unfähig, die wirtschaftlichen Realitäten dieser Welt zu erkennen«.
In der Tat: Die Zahlung von beträchtlichen Garantiesummen allein bewegt Tennisspieler wie McEnroe oder Connors, bei Turnieren anzutreten, die für ihr sportliches Image bedeutungslos sind. Den Funktionären ist diese Realität wohl bekannt. Nur letztlich sind sie machtlos - mit ihrer Turnvater-Jahn-Philosophie sind Finanzforderungen der Tennis-Pros oder selbst Leichtathleten heute nicht mehr zu unterdrücken.
Zuweilen versuchen die Funktionäre, die Regeln anzuwenden. Sie schließen etwa den Skiprofi Ingemar Stenmark von den Olympischen Spielen aus oder bestrafen den Tennisspieler Guillermo Vilas wegen Annahme unerlaubter Antrittsgelder. Leichtathleten wie der schwarze Weltmeister Carl Lewis beispielsweise, dem Fachleute im McDonalds- und Seven-Up-finanzierten Los Angeles vier Goldmedaillen-Chancen vorrechnen, gewinnt pro Wettkampf 3000 Dollar.
Über den Lewis-Verdienst spekulierte unlängst das »New York Times Magazine« in einer Titelgeschichte. Die Schätzung: »Zwischen 150 000 und einer Million Dollar jährlich«. Der Olympia-Favorit steht bei dem Sportbekleidungs- und Schuhproduzenten »Nike« unter Vertrag.
Die Lewis-Einnahmen werden zwar, wie die der McCormack-Kunden Coe, Decker und Salazar, so vom Amateur-Verband vorgeschrieben, in einen Treuhänderfonds eingezahlt und den Sportlern erst bei Beendigung ihrer Karriere ausgezahlt. Aber, so McCormack: »Man sollte endlich mit der Heuchelei aufhören und bei den Olympischen Spielen alle Profis zulassen.«
Profi-Karrieren, weiß McCormack aus Erfahrung, sind allerdings »nicht immer ein Kinderspiel«. Er selbst sah sich im College »in der Rolle eines frustrierten Golfers«. Er war »gut genung, um sich für bedeutende Turniere zu qualifizieren, aber nicht gut genug, um davon zu leben«.
McCormack hat darüber nachgedacht, wie schön es doch gewesen wäre, wenn einer seiner zwei Söhne oder vielleicht die Tochter seine Träume zur Realität gemacht hätten und Meister geworden wären, im Golf etwa oder Tennis. Es war ein Traum, den viele Väter träumen. Letztlich ist ihm klar geworden, daß er seinen Kindern eine solche Karriere nur wünschen kann, »wenn es ihnen erspart bliebe, sich von Platz 150 ins Endspiel vorarbeiten zu müssen«.
Zu oft hat er mit Sportlern Gespräche geführt, etwa mit Andrea Jaeger, 19, gegenwärtig - noch - Nummer sechs der Weltrangliste im Tennis: Die Amerikanerin kann im Jahr um eine Million Dollar verdienen. Sie will jedoch nicht mehr spielen, obgleich die Eltern drängen, sie möge ihre Karriere fortsetzen - der Dollar lockt. Um dem Tennisplatz zu entkommen, täuschen Spielerinnen wie sie einfach Verletzungen vor.
McCormack-Kundin Sylvia Hanika aus München sackte innerhalb eines Jahres von Platz 8 auf Platz 19 der Weltrangliste ab. Bei dieser Placierung wird sie bei großen Turnieren - etwa in Wimbledon - nicht mehr gesetzt. So verlor sie schon in der ersten Runde des Wimbledon-Turniers und schied aus.
Folglich gehen ihre Einnahmen zurück, das ohnehin geringe Selbstvertrauen nimmt weiter ab. Die Angst vor Niederlagen und die Einsamkeit nehmen
von Turnier zu Turnier zu. Alternativen zum Tennis sehen diese Spielerinnen nicht. Training und Turniere waren das Leben. Für eine Rückkehr in einen bürgerlichen Beruf sind sie zu reich und zu verwöhnt. Wer mit einer »American Express«-Karte ein Flugzeug chartern kann, mag in der Betriebs-Kantine kein Hacksteak mehr verzehren.
Mark McCormack erinnert sich an eine Autofahrt von Grenoble nach Paris mit dem Franzosen Jean-Claude Killy, der 1968 als Skirennläufer in Grenoble drei Goldmedaillen herangeholt hatte und danach einen Vertrag mit McCormack abschloß. Im Autoradio lief während der Tour ein französischer Schlager, der dem Amerikaner gefiel. Er wollte wissen: »Wie heißt das Lied?« Killy: »Keine Ahnung.« Er trainiere im Winter in den Alpen und im Sommer in den Bergen Südamerikas, erklärte der Franzose, für Theater, Kino oder Musik habe er keine Zeit: »Ich lebe für den Sport.«
Auch Björn Borg, den McCormack im Alter von 15 Jahren anwarb, mochte plötzlich nicht mehr. Borg vertraute seinem Manager an, ohne größere Trainings-Anstrengungen könne er zwar immer noch das Viertel-Finale erreichen, aber um ins Endspiel zu kommen, seien fünf, sechs Stunden Training erforderlich.
Dank McCormack ist Borg zum Multimillionär geworden, zuletzt fehlte die Motivation. Der Schwede hatte »keine Lust mehr zu dieser Quälerei«. Allerdings als Pensionär verdient Borg täglich hinzu. Sein Geld ist gut angelegt, für jeden Werbeauftritt kassiert er. »Sehr stolz« ist der US-Manager darauf, daß andere vom aktiven Sport zurückgetretene Kunden wie eben Killy, Ex-Rennfahrer Stewart, die Tennisspieler Rod Laver und John Newcombe »1984 mehr Geld verdienen werden als in irgendeinem Jahr ihres bisherigen Lebens«.
Trotz seiner intensiven Kontakte mit Sportlern hat McCormack »wirklich tiefe Freundschaften« zu den Muskel-Männern nicht entwickelt. »Mit dem Begriff 'Freund' gehe ich sehr sorgfältig um.« Privat lebt er eher zurückgezogen. Nachtklubs, so behauptet er, seien nicht seine Sache. Zwar hat McCormack eine Photomodell-Agentur in London erworben, doch auf den »Society«-Seiten der Gazetten ist sein Name nur selten zu lesen: »Ich habe keine Zeit, ich bin dauernd in Eile.«
An einem Tag fliegt er zur Abiturfeier seiner Tochter Leslie nach Ohio. Tags darauf ist er in Paris oder auf dem Weg nach Sydney. Nebenbei hat er noch ein Buch verfaßt, Titel: »Was Manager in der Harvard Business School nicht lernen können«. Der New Yorker Banam-Verlag wird es im August veröffentlichen. Die Erstauflage: 125 000 Exemplare. In England wird das Werk mit 50 000 aufgelegt. Sein Buch wird, wie sollte es anders sein, ein Bestseller.
Als junger Anwalt in Cleveland hatte McCormack, der Schulfranzösisch spricht, »sehr früh erkannt, daß sich der Sport international entwickeln wird«. Bei einem Golfturnier war er 1959 mit einem Golfer in Kontakt gekommen, der seine Profi-Karriere gerade eben begonnen hatte und McCormacks Aufstieg nachhaltig fördern sollte - Arnold Palmer. Der Jurist McCormack, damals 29 Jahre alt, sah sich die Verträge seines Freundes an und erkannte: »Du wirst betrogen.« Palmer: »Mach's besser.«
Er tat's - gemeinsam wurden die Partner zu den »größten Geldmachern diesseits von Kuweit«, notierte »Sports Illustrated«. Sie vermarkteten, was zu vermarkten war: »Palmer«-Hemden, »Palmer«-Schuhe, »Palmer«-Golfanlagen, Palmer überall. »Gemeinsam haben wir erreicht, was zunächst unerreichbar schien«, faßt McCormack zusammen.
Im letzten Jahr allerdings zahlte er einen Preis für sein Manager-Dasein: Nach 27 Ehejahren ließ er sich scheiden. Für einen geruhsamen Golfnachmittag findet er - trotz 350 Angestellten - kaum noch Zeit, allenfalls für eine Stunde Tennis. Oft joggt er in seinem Hotelzimmer auf der Stelle. Sein Rhythmus: 100mal pro Minute muß sein linker Fuß den Boden berühren.
Sorgfältig notiert er täglich im Kalender, wie viele Schritte er gejoggt ist und wie lange er geschlafen hat (1982 insgesamt 2589 Stunden). »Das ist meine Antwort auf jene Freunde, die immer wieder behauptet haben, ich schlafe nicht ausreichend.«
Die Statistik für 1983 hat er noch nicht erstellt. Ihm fehlt einfach die Zeit, behauptet er.