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WELTMEISTER Herr im Hause

aus DER SPIEGEL 44/1965

Unter der Dusche in der Sporthalle am Maschsee in Hannover prusteten die Radball-Weltmeisterbrüder Buchholz. Unmittelbar zuvor waren sie zum sechstenmal Deutsche Meister geworden. Doch unter der Brause murrten sie ihre besiegten Rivalen verärgert an: »Wir haben genug. Zur Weltmeisterschaft könnt ihr fahren.«

Radball wird vor allem in mitteleuropäischen Parkettsälen (Spielfläche: 12 mal 15 Meter) von Zweiermannschaften gespielt. Erst in jahrelangem Training eignen sich Spieler die komplizierte Technik an, den pfundschweren Stoffball mit Vorder- oder Hinterrad Im Fahren in das gegnerische Tor (zwei mal zwei Meter) zu befördern.

Deutschlands Parkett-Radler sind die erfolgreichsten der Welt: Von bisher 30 Radball-Weltmeisterschaften gewannen sie 18. Und die besten von etwa 1000 bundesdeutschen Radball-Jongleuren sind Karl, 33, und Oskar Buchholz, 26. Sie errangen bis 1964 fünf Weltmeisterschaften. Bundespräsident Lübke verlieh Ihnen im vergangenen Jahr die wertvollste deutsche Sport-Trophäe, das Silberne Lorbeerblatt.

»Nur die Herren vom Bund Deutscher Radfahrer«, so beschwerten sich die Weltmeister, »haben sich nie um uns gekümmert.« Die fast ausschließlich an den populäreren Bahn- und Straßenfahrern interessierten Radsport - Offiziellen schnitten alle Meisterschaftsfeiern der Gebrüder Buchholz. Nach der diesjährigen Meisterschaft am 3. Oktober - die Buchholz-Brüder beendeten die Bundesliga-Runde mit 60:0 Punkten und 227:53 Toren - schüttelte ihnen Radball-Fachwart Werner Wenzel nicht einmal zur Gratulation die Hand.

Mit Wenzel hatten sich die beiden Brüder freilich schon 1964 zerstritten. Er wollte sie nach einem neunstündigen Turnier in Offenburg mit sechs Mark Spesen abspeisen. Karl Buchholz: »Da fielen offene Worte.« Alle Schlichtungsversuche scheiterten.

Die Radball-Weltmeister witterten einen tieferen Grund für Wenzels Abneigung: Fachwart Wenzels Sohn Werner wurde mit seinem Partner Günter Bittendorf vom Klub »Teutonia Krofdorf« fünfmal nacheinander von den Buchholz-Brüdern in der Meisterschaft auf den zweiten Platz abgedrängt. Die Buchholz - Anhänger warfen Wenzel vor, er bevorzuge die Mannschaft seines Sohnes. »Im Gemeinderat«, muckte Karl Buchholz aus Lauterbach im Schwarzwald auf, »darf auch keiner mitstimmen, wenn es um einen Verwandten geht.«

Um sich allem Ärger zu entziehen, verzichteten die Brüder endgültig darauf, für Bundesdeutschlands Radsport - Prestige weiterhin regenbogenfarbige Weltmeister-Trikots zu sammeln. Ungefähr 1500 Mark Verdienstausfall, ließ

Fuhrunternehmer Karl Buchholz verlauten, sei ihm ein sechster Weltmeistertitel nicht wert.

Vergebens trachteten die Radsport-Oberen, ihre erfolgreichsten Kicker bei der Stange zu halten: Nachdem die deutschen Radler erstmals seit Jahren bei den Weltmeisterschaften im Straßen- und Bahnradsport keinen Titel erringen konnten, hätten die Gebrüder Buchholz bei der Saalradsport-Weltmeisterschaft Ende vergangener Woche in Prag wenigstens einen sicheren Titel verbürgt.

Doch für das Ansehen des deutschen Radsport-Bundes wollen die Brüder Buchholz nicht mehr aufs Parkett. Für ihren Verein »Blitz Lauterbach« werden sie hingegen weiterhin reisen und siegen. Vierzehn Tage vor der Weltmeisterschaft gewannen sie ein internationales Turnier und besiegten auch drei der aussichtsreichsten Weltmeisterschafts-Anwärter. Nach der Weltmeisterschaft wollen sie die erfolgreichsten Teams erneut herausfordern. Wir wollen zeigen«, kündigten die zurückgetretenen Weltmeister an, »wer Herr im Hause ist.«

Radballmeister Karl, Oskar Buchholz. Teutonen fünfmal besiegt

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