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FUSSBALL / BUNDESLIGA Höhere Honorare

aus DER SPIEGEL 14/1971

Bevor die Klubs den Bankrott erklären, will der Deutsche Fußball-Bund (DFB) seine Bundesliga durch innere Reformen retten. Statt bisher drei soll es nur noch zwei Kicker-Klassen geben: gut bezahlte und unbezahlte.

Die regionalen Vertragsligen, gleichsam Zwitter zwischen der höchsten bezahlten Spielklasse und den Amateuren, sollen liquidiert werden. Für die mit 16 Millionen Mark verschuldeten 18 Bundesliga-Klubs (SPIEGEL-Titel 7/1971) spannt der DFB schon ein Sicherheitsnetz: eine zweite Profiklasse. Denn um den Abstieg in die Vertragsliga zu vermeiden, haben die Klubs seit Jahren wachsende Gagenforderungen der Spieler ohne Rücksicht auf die Zahlungsgrenzen des DFB erfüllt.

Nun planen die Funktionäre den Fußball für das Jahr 2000. DFB-Vizepräsident Hermann Neuberger umriß das Reformziel: »Almosenempfänger wie die Vertragsspieler sind nicht mehr zeitgemäß.« 1947 halt d r DFB den Almosenempfang selbst eingeführt.

Damals richteten die Frankfurter Fußball-Herren aus der DFB-Zentrale fünf regionale Vertragsilgen für Nord- und Süd-, West- und Südwestdeutschland. und auch für West-Berlin ein. Die Spieler durften bei ihren Vereinen nicht mehr als 400 Mark monatlich verdienen. Anfangs bewährte sich das neue Spielsystem. 1954 erkämpften die Deutschen sogar die Weltmeisterschaft.

Aber gegenüber der Entwicklung im internationalen Fußball blieben die Bundesdeutschen wie in einer Fußball-Gartenlaube sitzen. In den führenden Fußball-Ländern repräsentierte eine Liga mit 16 (Italien) bis 22 (England) Klubs die Spitze. Dagegen war die deutsche Spitzenklasse fünffach aufgesplittert. Die meisten Spieler erhielten nur 50 bis 150 Mark monatlich. Aber die gegenseitige Konkurrenz nötigte die Vertragskicker bald zu vier- oder sogar fünfmaligem Training pro Woche. Viele verpaßten berufliche Chancen.

Überdies büßten die mager entlohnten Honorar-Kicker ihre Amateureigenschaft ein: Sie durften nicht in einer Olympia-Mannschaft antreten. In Wirklichkeit kassierten die meisten an olympischen Turnieren beteiligten Amateure -- ob aus Ost oder West -- weit mehr als deutsche Vertragskicker. Inzwischen halten sich selbst Bundesliga-Klubs Olympia-Amateure, die in einigen Fällen 1200 Mark monatlich aus schwarzen Kassen beziehen.

So äugten immer mehr Bundeskicker in die benachbarten Fußball-Paradiese. Der DFB drohte ihnen mit Sperren -- ohne dauernden Erfolg. Kurz nachdem die italienische Meistermannschaft FC Turin mit acht Nationalspielern, darunter dem Fußball-Idol Valentino Mazzola, mit einem Flugzeug am Turm einer Basilika zerschellt war, erhielt der Karlsruher Horst Buhtz ein verlockendes Angebot. In Turin überreichte ihm ein Vorstandsmitglied feierlich ein ausgeblichenes Trikot: »Das trug der große Mazzola.«

Wie Buhtz wanderten die Nationalspieler Karl-Heinz Schnellinger, Helmut Haller, Jürgen Schütz, Horst Szymaniak und Albert Brülls nach Italien ab. Andere wechselten zu niederländischen und Schweizer Vereinen.

Dann endlich führte der DFB 1963 die Bundesliga und den Berufsfußball (Fachbezeichnung: Lizenzfußball) ein. Die Lizenzspieler durften legal etwa 60 000 Mark jährlich verdienen -- in Wirklichkeit beziehen Spitzenspieler bis zu 300 000 Mark.

Aber wie ein Relikt aus der Fußballsteinzeit ragen weiterhin die Vertragsligen in die Kicker-Landschaft. Denn die Amateurvereine, denen im DFB-Bundestag der Löwenanteil der Stimmen zusteht, blockierten die Einführung einer zweiten Profiliga als Unterbau für die Bundesliga. Sie fürchteten, in der Klassen-Hierarchie einen Stock tiefer abzurutschen.

Bestehen konnten im Schatten der Bundesliga aber nur noch Regionalliga-Spitzenklubs mit der Chance zum Aufstieg. Fortuna Düsseldorf, der VfL Bochum und der Wuppertaler SV locken den benachbarten Bundesliga-Vereinen in dieser Saison sogar Zuschauer fort. Doch die meisten Vortragsliga-Klubs kümmern dahin; in Berlin erschienen kürzlich drei zahlende Besucher zu einem Spiel.

»Schauen Sie sich die finanzielle Lage einiger süddeutscher Regionalliga-Klubs an«, klagte Alfred Fackler, Trainer des FC Wacker München, »sie ist eine Friedhofsklasse erster Güte.« Als sich Wormatia Worms nach österreichischem Muster zusätzliche Einnahmen durch Werbung für die US-Baumaschinen-Firma Caterpillar verschaffen wollte, pfiff der DFB den Klub zurück. Der ASV Landau sicherte sich Subventionen, indem er den Firmentitel des Mäzens in seinen Vereinsnamen einfügte: ASV Gummi-Mayer Landau.

So verpulverte der bundesdeutsche Fußball im aussichtslosen Klassenkampf seine finanziellen Reserven. Als das Ausmaß der Pleite offenbar wurde, bestellte der DFB bei Rechts- und Steuer-Experten Gutachten über mögliche Steuererleichterungen. Beim Münchner Institut Infratest orderte er eine Marktforschungs-Analyse.

»Einen völlig freien Fußballmarkt nach englischem Muster können wir aus Steuergründen nicht einführen«, verriet Neuberger, der aussichtsreichste Kandidat für den 1971 frei werdenden Posten des DFB-Präsidenten. Aber der DFB bestimmte eine Reform-Kommission. Ein dreiköpfiges Arbeits-Team entwickelt nach den Zielvorstellungen des für Lizenzspieler-Fragen zuständigen Bundesliga-Ausschusses Reform-Alternativen.

Teamchef ist der stellvertretende Vorsitzende des Bundesliga-Ausschusses, Alfred Strothe, zugleich Präsident des Bundesliga-Klubs Hannover 913 (Schuldenlast: 1,5 Millionen Mark). Die beiden DFB-Sekretäre Horst Schmidt und Wilfried Straub assistieren ihm. Übergeordnet ist ihnen Rudi Gramlich, Ehrenpräsident von Eintracht Frankfurt (Schuldenlast: zwei Millionen Mark) und Vorsitzender des Bundesliga-Ausschusses.

Reformarbeiter Strothe lancierte die ersten Erkenntnisse. Dem »Bild«-Sportredakteur Burkhard Lüpke in Hannover verriet er Teilaspekte. Als »größte Fußballbombe seit Einführung der Bundesliga« meldete »Bild« die »Geheimpläne«, nach denen Lizenzspieler künftig auch während der Saison den Verein wechseln dürften.

Tatsächlich reichen die Reformvorhaben darüber weit hinaus. Sie verändern die Struktur des Fußballs in der Bundesrepublik: Die spielstärksten Klubs der Vertragsligen sollen sich um einen Platz in der neuen zweiten Profiliga bewerben. Ihre Bilanz darf keinen zu hohen Schuldenstand aufweisen, ihre geographische Lage muß ein ausreichendes Zuschauer-Potential garantieren. Erfüllen mehr als 18 Klubs die Voraussetzungen, würde die zweite Bundesliga unterteilt werden.

Die übrigen Klubs der demontierten Vertragsilgen rücken dann in fünf regionale Amateur-Klassen (siehe Graphik) unmittelbar unter den Profiligen ein. Spieler der neuen Amateur-Regionalliga dürften an Olympia-Turnieren teilnehmen.

Für die Berufsspieler arbeitet der DFB einen neuen Tarif mit höheren Honoraren aus. Das vorgesehene Gehaltswerk soll Nationalspieler mit zehn, 25 oder mehr Länderspielen gestaffelt bewerten, Auch die Gagen der einfachen Lizenzkicker werden über den üblichen Höchstsatz von 1600 Mark monatlich angehoben.

Die DFB-Spitze tüftelt schon an Taktik und Terminen für ihre inneren Reformen. In zwei bis drei Monaten erwartet sie die ausgefeilten Ergebnisse der Dreier-Kommission. Für die im August beginnende nächste Fußball-Saison kommen alle Vorschläge zu spät. Doch 1972 könnte die neue Ordnung wirksam werden.

Bisher hatten widerborstige Amateur-Funktionäre die notwendigen Reformen verhindert. Einem neuen Klassenkampf will das DFB-Präsidium ausweichen. Neuberger: »Für Fragen der Gesetzgebung und des Lizenzfußballs ist der DFB-Bundestag nicht zuständig, sondern der Beirat.«

Mitglied des Beirats ist der -- Präsident des DFB.

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