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EISHOCKEY / BUNDESLIGA Kein Wintermärchen

aus DER SPIEGEL 47/1970

Die älteste Bundesliga im deutschen Sport blieb auch die unfertigste. Schon 1958 hatten Funktionäre des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) in Erwartung vollerer Kassen das überregionale Schaugeschäft eröffnet. Außerdem hofften sie, daß die Elite-Liga auch die Leistungen der Nationalmannschaft heben würde, die sich letzte Woche gegen Polen für die Weltmeisterschafts-Endrunde qualifizierte. Doch das deutsche Wintermärchen führte noch zu keinem guten Ende. In diesem Jahr wechselten die DEB-Oberen zum achten Male binnen zwölf Jahren den Meisterschafts-Modus.

»Im Andern sind wir Weltmeister«, murrte DEB-Präsident Otto Wanner, der schon seit Jahren für eine dauerhafte Lösung eintritt. Anders als in den meisten deutschen Sportverbänden, bestimmen die Vereine, was im Eishockey gespielt wird. Vor allem die spielstärksten Klubs aus bayrischen Kleinstädten wie Füssen und Kaufbeuren mit durchschnittlich nur 3000 Zuschauern pro Spiel kassierten weniger als unterentwickelte Teams in Großstädten wie Mannheim und Düsseldorf (Zuschauerschnitt: fast 9000) mit Jahreseinnahmen von 715 942 (Saison 1967/68) Mark.

Den Bayern zuliebe hatten die DEB-Bosse die Bundesliga-Meisterschaft immer wieder verlängert und gekürzt wie einen alten Wintermantel. In der ersten Saison kämpften nur acht Klubs um den Titel, dann zehn und schließlich sogar zwölf. Denn mehr Teilnehmer bedeuten auch mehr Spiele und Einnahmen.

»Ich habe in 14 Tagen neun Spiele gemacht«, schimpfte der Tölzer Nationalspieler Peter Lax nach einem verlorenen Länderspiel. Der frühere kanadische Trainer der Bundesequipe, Ed Reigle, staunte: »Soviel wie deutsche Amateure arbeiten nicht einmal kanadische Profis.« So sank die aus überforderten Bundesligaspielern zusammengesetzte Nationalmannschaft in die Mittelmäßigkeit ab.

Als 1965 Weltmeister UdSSR in drei Testspielen gegen die Bundesdeutschen 37:3 Tore erzielte, riefen mitleidige Zuschauer: »Tor vernageln.« Während Norwegen 30 000 Eishockeyspieler zählt und Finnland sogar 100 000, schmolz die Bundesbranche auf 4500 zusammen. Immer häufiger füllten die Klubs ihre Mannschaften deshalb mit Gastarbeitern aus Kanada und der CSSR auf. Die gutverdienenden rheinischen Vereine warben auch Spieler und Trainer aus Bayern ab.

Nun spalteten die Bayern-Klubs die Bundesliga in eine Nord- und Süd-Gruppe. Resultat: 1967 errangen die von dem früheren Tölzer Nationalspieler Hans Rampf trainierten Düsseldorfer als erste nichtbayrische Equipe den Titel. Reumütig kehrten die Bayern zur Eiseinheit zurück. »Im deutschen Eishockey Ist Kompliziertheit kein Problem«, kritisierte die »FAZ«. Doch das Hin und Her beeinträchtigte Immer mehr die Leistungen der Nationalmannschaft.

Während des Winterkriegs 1967 stieg die Bundesmannschaft bei der Weltmeisterschaft in die B-Gruppe ab. Inzwischen eroberte die DDR den Platz in der Gruppe der Besten. Kürzlich gaben Ulbrichts Sportstrategen für die Weltmeisterschaft im März 1971 den Schleudersitz in der A-Klasse wieder frei. Ihren Platz nahm die prestigebedürftige Bundesequipe ein.

Doch der DDR-Verzicht deutete auf einen pfiffigen Schachzug. Denn: Das mitteldeutsche Kollektiv wäre wahrscheinlich als Letzter der A-Gruppe abgestiegen und könnte dann nicht 1972 um Olympia-Medaillen kämpfen. Der freiwillige Abstieg in die B-Gruppe eröffnet ihm dagegen die gute Chance, bis 1972 wieder aufzusteigen. Nun riskiert die Bundesequipe den fast sicheren Abstieg aus der A-Klasse -- und damit den Ausschluß vom olympischen Medaillenkampf.

»Schwere Niederlagen gegen die Großen«, tröstete der polnische Funktionär Stefan Rzeszot seine von den Deutschen besiegten Landsleute, »sind eine Bremse für die Entwicklung.«

»Wenn aber die Nationalmannschaft schon in der A-Gruppe spielen soll«, gab Bundesligatrainer Rampf zu bedenken, »dürfen die Nationalspieler nicht mehr so viele Bundesligaspiele austragen.«

Aber auch in diesem Winterhalbjahr müssen Eishockeyspieler häufiger zu Punktspielen antreten als Bundesliga-Kicker im ganzen Jahr: 36mal.

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