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Kniebeuge mit Kondom

aus DER SPIEGEL 12/1993

Forschergeist bricht sich immer Bahn, wenngleich manchmal mit Verzögerung. Dietrich Bormuth faßte den Entschluß zu einem wegweisenden wissenschaftlichen Werk, als er im April vergangenen Jahres beim ersten Dopingprozeß gegen Katrin Krabbe draußen vor der Tür bleiben mußte.

Der Rüsselsheimer Gynäkologe war zwar als sachverständiger Zeuge geladen. Er sollte befragt werden, ob es medizin-technisch möglich sei, daß Frauen Fremdurin im Körper deponieren können, um die Kontrolleure zu täuschen. Bormuth, 56, war nach einem ungewöhnlichen Experiment davon überzeugt - durfte aber nicht aussagen.

Der Freispruch des Sportgerichts für die Sprinterin aus Neubrandenburg und die mitangeklagten Kolleginnen Grit Breuer und Silke Möller ließ den aufrechten Doktor nicht ruhen. In einem Beitrag für das Fachblatt »Arzt und Sport« liefert er jetzt den damals nicht erwünschten Beweis nach: Die Manipulation mit einem _(* Mit Frauenkondom »Femidom«. ) Frauenkondom ist »völlig unauffällig«.

Bei den Dopingproben, die im südafrikanischen Trainingslager der Leichtathletinnen genommen worden waren, hatten zwei Umstände den Verdacht Bormuths geweckt: Der Urin war nicht nur identisch, alle drei Frauen hatten mit 120 Millilitern auch die exakt gleiche Menge abgeliefert.

Deshalb überprüfte Bormuth experimentell, ob es möglich ist, »einen Behälter mit 120 Milliliter Fremdurin in der Scheide einer Frau zu deponieren, die noch kein Kind geboren hat«. Der Versuch mit einem normalen Präservativ scheiterte: »Durch den Druck der Bauchorgane«, stellte Bormuth bei seinen Probandinnen fest, »glitt das elastische, wassergefüllte Kondom bei geringen Bewegungen wieder aus der Scheide.«

Bei weiteren Tests benutzte der Arzt »Femidom« - ein Kondom für Frauen, dessen Prinzip seit 1988 in den Ostblockländern bekannt und imitiert worden ist. Das Femidom besteht aus einer kondomartigen Blase, die an einem Ende von einem eingearbeiteten Hartgummiring gehalten wird. Das offene Ende wird von einem Ring gebildet, der beim Gebrauch als Verhütungsmittel außerhalb der Scheide liegt.

Dicht hinter dem äußeren Ring band Bormuth das Femidom mit einem dünnen Gummiband zu. Durch den elastischen Verschluß schob er einen »Frauenkatheter 12 Charriere«, dann plazierten die Testpersonen das Kondom so in der Scheide, daß auch der äußere Ring mit eingeführt wurde.

»Problemlos«, so Bormuth, ließ sich nun das Femidom mit 140 Milliliter Wasser füllen, die Frauen konnten »ohne irgendwelche Druckerscheinungen Kniebeugen und Spreizschritte ausführen«. So sei es Sportlerinnen möglich, folgert der Frauenarzt, »ohne Schwierigkeiten ein Urindepot anzulegen«. Mit einem weichen Katheter, der in der Scheide »abgeklemmt« werde, könne der Urin jederzeit für Dopingproben abgerufen werden.

Um Manipulationen mit sauberem Fremdurin auszuschalten, fordert Bormuth nun eine routinemäßige Ultraschalluntersuchung. So seien verbotene Depots einfach aufzuspüren, »ohne Verletzung des Schamgefühls«.

[Grafiktext]

_216b Doping: Manipulationsmöglichkeiten mit fremdem Urin:

_____ / Uringefülltes Frauenkondom

[GrafiktextEnde]

* Mit Frauenkondom »Femidom«.

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