VERBÄNDE Lärm um nichts
Die hau"n sich gleich Watt die Köppe ein«, befürchtete der Hausmeister in der westfälischen Sportschule Kaiserau. Tatsächlich drang aus der Vorstandssitzung des FC Kaiserau merklich anschwellendes Geschrei.
»Der Präsident hat Mist gebaut«, schimpfte sein Stellvertreter. »Der macht jetzt irgendwo in Griechenland high life, während sich hier die Zahlungsbefehle stapeln.« Der Geschäftsführer verteidigte den abwesenden Präsidenten: »Das ist ganz mieser Stil, Sie haben ihm doch selbst den Bau der Flutlichtanlage aufgeschwatzt.«
Der Schatzmeister brüllte als nächster dazwischen: »Sie sind ein Kameradenschwein, erst haben Sie zugestimmt, nun wollen Sie selber Präsident werden.«
Es gab viel Lärm um nichts: Vorstand und Flutlicht, Zahlungsbefehle und Bilanzen bestanden nur für die Dauer eines Planspiels für Nachwuchs-Manager, das der Deutsche Fußball-Bund (DFB) angeregt hatte. Der DFB mochte nicht länger auf die Berliner Funktionärs-Akademie des Deutschen Sportbundes (Baubeginn im Herbst) warten. Er wollte selber Funktionäre ausbilden, wie sie etwa die Bundesligaklubs Bayern München mit Präsident Wilhelm Neudecker oder der HSV mit Generalmanager Dr. Peter Krohn haben.
Dazu schien es höchste Zeit. Nach 14 Jahren Berufsfußball summierte sich der Schuldenstand der 58 bundesdeutschen Profiklubs auf rund 40 Millionen Mark, gab es schon erste Konkursverfahren
So hielten unlängst Willi Scheuer!, ehemals Spieler beim FC Schalke 04, und Dirk Albrecht, früher Hallenhandballspieler beim Bundesligaklub Phönix Essen, in der westfälischen Sportschule den ersten Modell-Lehrgang ab. »Streßbelastung und kontroverse Gruppenarbeit« verordnete Lehrgangsleiter und Psychologe Albrecht, 28, den 34 Teilnehmern aus westfälischen Vereinen, unter ihnen zwei Frauen.
Binnen 24 Stunden vergaßen die Teilnehmer, daß sie nur Vorstand spielten und ihre Vereinsprobleme nur fiktiv waren.,. Noch beim Abendessen ging der Lern-Hader weiter«, kommentierte Albrecht.
Statt zu lernen, wie Präsident, Geschäftsführer und Schatzmeister einträchtig kommunale Geldquellen anzapfen. Steuervorteile erkennen und den Bau einer Flutlichtanlage bei der Stadt durchsetzen könnten, brachen die Lehrgangsteilnehmer mehrmals den westfälischen Frieden in der Sportschule.
Es ging zu wie bei Schalke in Krisenzeiten. Präsident und Schatzmeister intrigierten gegen den Vizepräsidenten und den Geschäftsführer, als führten sie tatsächlich einen hochverschuldeten und zerstrittenen Bundesliga-Klub.
Zwar sah das Planspiel für den Klub aus dem Lehrbuch Streit und Intrigen vor. So sollte der Stellvertreter des Präsidenten versuchen, im Alleingang den Bau der Flutlichtanlage durchzuboxen. Der Schatzmeister des verschuldeten Spiel-Klubs sollte die Zahlungen entgegen dem Mehrheitsbeschluß im Vorstand eigenmächtig stoppen, um die Stadtverwaltung in Zugzwang zu bringen.
Den Klub-Präsidenten charakterisierte das Rollenbuch als stark neurotisch. Außerdem peilten der Präsident und sein feindlicher Stellvertreter, beide Direktoren der Städtischen Sparkasse, das Bürgermeisteramt an.
Derart realistischer Trend im Modell-Lehrgang riß die Teilnehmer mit und zu wirklichem Streit hin. »Wir haben bei der Planung die mitmenschliche Seite zu wenig beachtet«, gestand Regisseur Albrecht.
In einem Verband, bei dein bislang jede Kugelschreiber- und Notizblockbestellung peinlich begründet werden mußte, fielen die Laiendarsteller am zweiten Tag des Planspiels immer mehr aus der Rolle. »Keiner von uns hatte ja gewußt, wie das zu Ende geht«, berichtete Sportschulleiter Scheuerl.
Es ging überhaupt nicht zu Ende, es endete mit Abbruch. Ohne Eingriffe der Regisseure Scheuerl und Albrecht wäre das Projekt »hoffnungslos baden gegangen«, so Albrecht. Abschlußzeugnisse gab es trotzdem.
Weil die handelnden Personen angehalten worden waren, den Umgang wie in der Wirklichkeit vorwiegend per Post oder Telephon zu pflegen, hatte es bei den gemeinsamen Mahlzeiten immer feindselige Debatten über das so fröhlich begonnene Planspiel gegeben.
Was in Direktions-Etagen wenig durchlässiger Wirtschaftsunternehmen funktionieren mag, schien im Sportvereins-Vorstand unmöglich zu sein. »Die Kameradschaft ist doch spätestens dann hin«, so Scheuerl, »wenn es um Geld geht.«
Dennoch planen weitere DFB-Landesverbände das Manager-Spiel, der Mittelrhein im September, Bayern im November. »Führungskräfte für Sportvereine müssen nicht nur gewählt, sondern auch geschult sein«, verkündete DEB-Präsident Hermann Neuberger.
Bei der Organisation der Fußball-Weltmeisterschaft 1974 in der Bundesrepublik hatte es sogar im Frankfurter DFB-Haus Nervenzusammenbrüche gegeben.