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DAMEN Mangel an Mädchen

aus DER SPIEGEL 46/1966

Die deutschen Hockey-Nationalspielerinnen zählen zur Weltklasse - bis jetzt noch. Denn der Nachwuchs scheut den Umgang mit Schlägern.

»Viele Männer nehmen uns nicht ernst«, begründete Barbara Kolbenschlag, die Damenwartin des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) und Präsidentin der Internationalen Damenhockey-Föderation (IFWHA), den Mangel an Mädchen. Im letzten Jahr schrumpfte die Zahl der westdeutschen Hockey-Damen um zehn Prozent. Im DHB (30 000 Mitglieder) sind nur noch 7500 Spielerinnen, alle Altersstufen zusammengerechnet.

Im Kolbenschlag-Klub, der Turngemeinde Würzburg, leiten beispielsweise zwölf bezahlte Trainer 700 Jugendliche an. Ein Hockey-Lehrer ist nicht darunter. So gibt es auch keine Mädchen -Mannschaft. In der Regel bestimmen ausschließlich Männer im Vereinsvorstand, für welche Sparten Trainer bezahlt werden.

»Es sind viele Damenabteilungen eingegangen«, klagte Roland Behn, der erfolgreichste deutsche Damenhockey -Ausbilder, »weil die Herren der Schöpfung Damenhockey nur mitleidig belächeln.«

Die schwierige Technik und die komplizierten Regeln entmutigten freilich viele Anfängerinnen. Heirat und private

Nachwuchssorgen sprengten die meisten eingespielten Mannschaften, die vielfach notdürftig von ehemaligen Spielerinnen trainiert werden.

Einzig in Hamburg verhalfen Tradition und spezielle Klubs für Tennis und Hockey (Jahresbeitrag: etwa 250 Mark), die in der Lage sind, Trainer für Monatsgehälter von 1500 Mark zu verpflichten, den Hockey-Damen zur Vorherrschaft in Deutschland und Damenwartin Kolbenschlag zu einer der besten Nationalmannschaften der Welt. Nur drei Nicht -Hamburgerinnen spielten in der Equipe, die sogar den inoffiziellen Weltmeister England besiegte.

Die Hamburgerinnen berufen sich gern auf ihre Hockey-Heroine Marie Michels, die das Spiel schon 1898 aus England nach Hamburg verpflanzt hatte. Zwei Jahre später waren sechs schlägerbewehrte Hamburgerinnen sogar innerhalb der ersten Stadtmannschaft gegen das ausnahmslos männliche Berliner Team über die Hockey-Wiese getrabt. Viele frühere Spielerinnen führten ihrem Verein die eigenen Töchter zu. Beim Harvestehuder Tennis- und Hockey-Club (HTHC) spielt beispielsweise schon eine Enkelin der früheren Tennis-Weltmeisterin Ines Galvao. Zur Zeit stammt jede siebte deutsche Hockey-Dame aus Hamburg.

Aus diesem Reservoir schöpfen prominente Trainer. Beim elfmaligen deutschen Rekordmeister HTHC lehrt der frühere Rekord-Nationalspieler Kurt Weiß. Für ein zusätzliches Konditionstraining der Meisterinnen wird der Leichtathletik-Trainer Charly Dahlmann herangezogen. Der siebenmalige Endspiel-Teilnehmer Uhlenhorster Hockey-Club (UHC) verpflichtete sogar einen Olympiasieger: den indischen Nationalspieler Svarup Pavar.

Roland Behn, der zehnmal Mannschaften ins Endspiel führte, bildete beim Großflottbeker Tennis-, Hockey - und Golf-Club die jüngste Hamburger Meistermannschaft. Er verbesserte vor allem Technik und Taktik. So befähigte er seine Schülerinnen, fast ohne Körpereinsatz zu siegen. Behn: »Damen dürfen nicht einfach Männerhockey spielen.«

So steigerte die starke Konkurrenz der Nachbarklubs in Hamburg die Leistungen. Insgesamt 23mal erreichten die drei besten Hamburger Mannschaften das deutsche Endspiel, sechsmal waren Hamburgerinnen sogar unter sich. Auch im 22. Finale am letzten Sonntag spielten zwei Klubs aus der Hansestadt: Großflottbek und der HTHC. In den Verbandsspielen um den Eichenschild sind Hamburgs Damen seit 1958 unbesiegt. Sie stießen auch in das diesjährige Endspiel am kommenden Sonntag vor.

Um nach Hamburger Beispiel im Bundesgebiet den Nachwuchs zu fördern, ermunterte Damenwartin Kolbenschlag erfolgreiche Spielerinnen, sich in Sonderlehrgängen an der Deutschen Sporthochschule in Köln zu Hockey-Trainerinnen ausbilden zu lassen, um ihre Schlägerkünste dann dem Nachwuchs zu vermitteln. Erstmals soll der neue DHB-Bundestrainer Horst Wein die 22 besten Spielerinnen in einem Trainingslager für das Weltturnier der Hockey-Damen drillen.

Aber im Bundesgebiet wird sich die verstärkte Nachwuchs-Ausbildung erst allmählich auswirken. Auch für das Weltturnier 1967 muß Frau Kolbenschlag den Kreis ihrer Nationalmannschaft »wohl mehr als zur Hälfte aus Hamburgerinnen bilden«.

Hockeyspiel HTHC gegen Großflottbek: Scheu vor Schlägern

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