Mann mit Tonfäusten
Die Sparringsrunden mit Nordamerikas Indianerhäuptling »Roter Pfeil« haben Mittelgewichts-Boxweltmeister Marcel Cerdan nichts genutzt: der »Stier aus Bronx«, Jack Lamotta, zerschlug in Detroit den 33jährigen französischen Boxer und aufgehenden Filmstern. In der neunten Runde stoppte der Ringarzt den ungleich gewordenen Kampf zugunsten von Herausforderer Lamotta. Cerdans Linke war gebrochen.
Auf der Kasse lagen die ungebrochenen Fäuste der Manager. Von 19171 Dollar anteiliger Kampfbörse für Lamotta wurden dem Stier von Bronx nur 5000 ausgezahlt. Der Rest wird erst fällig, wenn er im September zum Revanchekampf gegen Cerdan antritt.
Auch Cerdan kassierte nur 5000 von seiner 51124 Dollar-Börse. Dafür konnte er sich die 25000 Dollar abholen, die ihm am 21. September 1948 nach seinem Titelsieg über Tony Zale einbehalten wurden.
Frankreichs Morgenpresse brachte die Niederlage Cerdans in schwarzen Schlagzeilen. Des entthronten Weltmeisters Frau Marinette weinte. »Ich kann es nicht glauben, man macht nur einen schlechten Scherz mit mir.«
Noch in Detroit war Hollywoods platinblonder Filmstern Mae West bei Cerdan, um ihm eine Bombenrolle anzubieten: als eifersüchtiger Liebhaber in Mae Wests neuestem Monumentalfilm »Diamanten-Lilli«. Mit Szenen in Paris und Casablanca. Denn dort ist Cerdan zu Hause.
In der Fremdenlegionärs-Etappe Sidibel-Abbes wurde Cerdan geboren, im marokkanischen Casablanca wuchs er auf. Was selten vorkommt: der alte Lucien Roupp managete beide Cerdans, Vater und Sohn. Story-lüsterne Box-Reporter verlegen Cerdans ersten Triumph ins Jahr 1928. Da schlug er, 12jährig, Negerknaben in Schaukämpfen vor US-Touristen um eine Tafel Schokolade. Cerdans Rekorde dagegen rechnen ab 1937 in Rabat: damals gab der Kolonialfranzose Omar Kousiri nach sechs Runden in Cerdans erstem Profi-Kampf auf.
Ab 1943 gab es für den einstigen Fleischergesellen von Casablanca auch in Europa keine lohnenden Gegner mehr. Die Europameisterschaft im Mittelgewicht hatte Cerdan dem Spanier Ferrer in einer Zwei-Runden-Schlacht abgenommen.
Was der Ring nicht mehr gab, bot der Film. Als Zugabe ein amüsantes Nachtleben. Mäßig trainiert, stieg Cerdan am 25. Mai 1948 in Brüssel gegen den 22jährigen Belgier Cyrille Delannoit in den Ring. Nach fünfzehn Punktrunden verlor Cerdan die Europameisterschaft.
48 Stunden später gelang ihm die Revanche. Noch in der Kabine legte US-Manager Andry Niederreiter Cerdan einen Vertrag über einen Weltmeisterschaftskampf gegen Tony Zale vor.
Cerdan nahm sein Training diesmal ernst und griff Zale so ungestüm an, daß ihn der Ringrichter in der 11. Runde völlig zerschlagen aus dem Ring nehmen mußte. Worauf nicht die Box-, sondern die Filmmanager in Cerdans Kabine kamen.
Leo Mathot schrieb ein Drehbuch um Cerdans Boxerleben. Marcel bekam die Hauptrolle mit Resistence-Szenen garnierten Streifen »Homme aux mains d'argile«, der Mann mit Händen aus Ton. Für den Film gab ihm Mathot auch eine neue Frau: Blanchette Brunoy. Marinette saß in Casablanca.
Der Film zeigt Cerdan in Pariser Nachtklubs und bei großen Siegestafeleien in Hollywood. Das freut Paris. Das Stirnrunzeln von Lew Burston, der Mühe hatte, mit Mike Jakobs Cerdan bis zum Blauen Band der Mittelgewichts - Meisterschaft durchzupauken, verschweigt Frankreichs Heldenfilm.
Der Streifen endet mit Cerdans Sieg über Tony Zale in Montreal. (Zale verzichtete auf Revanche, er war bereits 35.)
Von 110 Profi-Kämpfen gewann Cerdan 106. Viermal wurde er besiegt, zweimal durch Tiefschlag-Disqualifikation. Für den 111. Kampf Cerdans erklärte der Stier von Bronx: »Ich werde auch im September in Bestform sein.«