Muhammad Alis Gegner
»Viele waren leider verprügelte, alte Kämpfer«
Ein Mörder, ein Obdachloser, ein Taxifahrer: Was sie eint? Sie boxten alle einmal gegen Muhammad Ali. Der preisgekrönte Fotograf Michael Brennan spricht hier über seine Suche nach den Gegnern des »Größten«.
Boxer und Ali-Gegner Buster Mathis: Nach der Karriere belud er Trucks
Foto: Michael Brennan / Iconic Images
Zur Person
Foto: Michael Brennan
Michael Brennan, Jahrgang 1943, ist ein preisgekrönter Fotograf aus England. 1967 gewann er den British News Picture of the Year Award, er fotografierte zahlreiche Stars, darunter Mick Jagger, John Lennon oder Muhammad Ali, den er längere Zeit begleitete. Er arbeitete unter anderen für »Life«, »Rolling Stone«, »New York Times« und »Sport Illustrated«. Sein kürzlich erschienener Bildband »They Must Fall«, erschienen im »ACC Art Books«-Verlag, beschäftigt sich mit den Gegnern Alis.
SPIEGEL: Herr Brennan, in Hamburg gab es bis vor ein paar Jahren eine Kneipe am Hauptbahnhof. Der Besitzer und Barkeeper hieß Jürgen Blin, er hatte 1971 gegen Ali geboxt. Kannten Sie ihn?
Brennan: Ich habe Jürgen nicht persönlich gesehen, aber mit Kollegen über ihn gesprochen. Aber ich habe den anderen Deutschen getroffen, der gegen Ali gekämpft hat. Wie war noch sein Name? Es war in Kaiserslautern. Ich komme jetzt nicht drauf.
SPIEGEL: Es scheint so, dass die Kämpfe gegen Ali zu den größten Geschichten im Leben vieler seiner Kontrahenten wurden.
Brennan: Sie haben eben gegen einen der größten Boxer der Geschichte gekämpft. Natürlich erzählt man seinen Enkeln, dass man mal sechs Runden gegen Muhammad Ali im Ring stand.
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Foto: Michael Brennan / Iconic Images
Fotostrecke
Die anderen
SPIEGEL: Sie haben viele damalige Kontrahenten besucht und fotografiert. Wann haben Sie mit dem Projekt begonnen?
Brennan: In den Siebzigern habe ich George Foreman getroffen, nach seiner Niederlage gegen Ali hatte er gerade mit dem Predigen angefangen. Auf der Heimfahrt hatte ich mich gefragt, was die anderen Gegner machen. Am nächsten Tag habe ich dann auf der 6th Avenue in New York vor der Radio City Music Hall einen anderen Gegner gefunden. Der Kerl hieß Alex Miteff.
SPIEGEL: Laut Ihrem Buch ein Limousinengeschäft-Betreiber.
Brennan: Na ja, er war eher Gypsy-Cab-Fahrer (illegale Taxis, d. Red.), um ehrlich zu sein. Von ihm ging es dann immer weiter. Zwei Jahre habe ich die Suche selbst finanziert, dann hat sich »Sports Illustrated« eingeschaltet und den Rest bezahlt. Ich bin überall hingefahren: nach Deutschland, nach Hawaii, nach England, Kanada.
SPIEGEL: Was ist aus den Boxern von einst geworden?
Brennan: Viele waren leider verprügelte, alte Kämpfer. Einige waren im Gefängnis, wegen tätlicher Angriffe, einer war ein Mafia-Typ geworden, der für Mord lebenslänglich einsaß. Aber da waren auch andere, wie zum Beispiel Buster Mathis, von dem Ali sagte, dass er ein guter Boxer gewesen sei. Buster hatte Gewichtsprobleme und Diabetes. Er belud Trucks, ein guter Typ, der um vier Uhr morgens anfing zu arbeiten.
SPIEGEL: Hatten sich die Leben der Kontrahenten noch um die Kämpfe gegen Ali gedreht, oder konnten sich einige davon emanzipieren?
Brennan: Viele sind weitergekommen und waren stolz auf ihre eigenen Errungenschaften. Aber je berühmter Ali später wurde, desto mehr wurden sie kleine Berühmtheiten in ihren Umgebungen. Sie gingen zur Arbeit in der Kohlemine oder sonstwo und konnten erzählen: Ich habe gegen Ali geboxt.
SPIEGEL: Wie Jürgen Blin.
Brennan: Genau. Ich weiß jetzt auch wieder den Namen des anderen: Karl, mit einem K am Anfang, Karl Mildenberger war das, in Kaiserslautern. Wir haben uns dort in einem Fußballklub getroffen. Er war stolz auf seine Runden mit Muhammad.
SPIEGEL: Wie erklären Sie sich die unterschiedlichen Lebensverläufe der Ali-Gegner?
Ali-Gegner Tunney Hunsaker: Enttäuscht über Alis Wehrdienstverweigerung
Foto: Michael Brennan / Iconic Images
Brennan: Es waren unterschiedliche Typen. Es ist ein hartes Leben in den Boxställen, und es waren junge Männer aus den harten Vierteln der Städte. Natürlich hatten die sich irgendwann an ein gewisses Auskommen und einen Lifestyle gewöhnt und rutschten nach ihren Karrieren schnell in die Kriminalität ab. Nicht alle, aber ein paar.
SPIEGEL: Hat sich das Ansehen Alis bei seinen Gegnern mit der Zeit verändert?
Brennan: Tunney Hunsaker ist ein gutes Beispiel. Er war ein Law-and-Order-Cop, schon vor dem Kampf und auch danach. Als ich ihn sah, hatte Ali gerade seinen Wehrdienst verweigert, sein Spruch »Ich habe keinen Streit mit dem Vietcong« war in der Welt. Tunney Hunsaker mochte Ali eigentlich wirklich gern, war aber sehr kritisch gegenüber Alis Ansichten zu diesem Thema. Er fand, Muhammad hätte nach Vietnam gehen müssen. Das sahen auch andere so.
SPIEGEL: Interessanterweise sagen viele damalige Gegner in ihrem Buch, dass Ali nicht der beste Boxer gewesen sei, gegen den sie angetreten waren.
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Titel: They Must Fall: Muhammad Ali and the Men He Fought
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Brennan: Es gab in den ersten Jahren größere Männer als Muhammad, er war nicht der härteste Schläger, George Forman hatte einen härteren Punch. Aber viele der Jungs sagten: Ali hatte die schnellsten Hände.
SPIEGEL: In ihrem Buch erzählen Sie auch von einem denkwürdigen Treffen mit »Sweet Jimmy« Robinson. Können Sie Ihre Suche nach ihm beschreiben?
Brennan: Mir wurde erzählt, dass Robinson auf der Straße lebte, in Overtown, Miami – also bin ich dort hingegangen und habe rumgefragt. Er ist dann irgendwann zu mir ins Hotel gekommen. »Sweet Jimmy« führte offensichtlich ein hartes Leben und stank nach billigem Alkohol. Ich machte abends und am nächsten Tag ein paar Fotos. Als er ging, habe ich ihm zwanzig Dollar gegeben. Danach hat niemand mehr etwas von ihm gehört. Keiner weiß, was aus ihm wurde.
Chuck Wepner, Spitzname »The Bayonne Bleeder«, verlor seinen einzigen Kampf gegen Ali 1975 durch K.o. in der 15. Runde. Er wurde Schnapsverkäufer und gilt gemeinhin als Vorbild für die »Rocky«-Filme. Er ist einer von vielen einstigen Ali-Gegnern, die der Fotograf und Ali-Begleiter Michael Brennan über Jahrzehnte besuchte.
Foto: Michael Brennan / Iconic Images
2 / 10
Buster Mathis kämpfte in seiner Boxkarriere im Madison Square Garden gegen Joe Frazier und 1971 auch gegen Muhammad Ali, gegen den er nach zwölf Runden eine klare Punktniederlage einstecken musste. Später belud er Trucks in Grand Rapids, Michigan.
Foto: Michael Brennan / Iconic Images
3 / 10
Der kanadische Boxer Charles Chuvalo (M.) kämpfte 1966 und 1972 gegen Ali. Beide Male konnte er über die komplette Distanz gehen, verlor aber beide Kämpfe. »Die Ringrichter haben für Ali gestimmt – aber er musste ins Krankenhaus gebracht werden, während ich mit meiner Frau tanzen ging«, wird Chuvalo in Brennans Buch zitiert.
Foto: Michael Brennan / Iconic Images
4 / 10
Auch Tunney Hunsaker boxte gegen Ali, der damals noch seinen Geburtsnamen Cassius Clay trug – und verlor den Sechs-Runden-Kampf 1960 in Louisville. Der Polizist mochte Ali, störte sich aber an dessen Wehrdienstverweigerung. »Er hätte seinem Land dienen sollen«, sagte er Brennan.
Foto: Michael Brennan / Iconic Images
5 / 10
George Foreman verlor den berühmten »Rumble in the Jungle« 1974 in Zaire gegen Ali. Später wurde er erst christlicher Priester und Unternehmer. Zehn Jahre nach seinem Fight kehrte er in den Ring zurück und holte sich den Schwergewichts-Titel. Nach einem Besuch bei Foreman fragte sich Fotograf Brennan: Was machen eigentlich die anderen Gegner? Und die Idee für das Buch war geboren.
Foto: Michael Brennan / Iconic Images
6 / 10
Der britische Boxer Richard Dunn verlor durch Technischen K.o. in der fünften Runde gegen Ali, das war 1977. Später betrieb er ein Hotel im englischen Scarborough, vor dem er hier für Brennan posiert.
Foto: Michael Brennan / Iconic Images
7 / 10
Er konnte Ali besiegen: Joe Frazier trat dreimal gegen Muhammad an, 1971 im Madison Square Garden siegte er nach Punkten, 1974 verlor er – und beim berühmten »Thrilla in Manilla« ging er in der 14. Runde k.o. Zwischen den beiden gab es eine große Rivalität, die mit der Zeit jedoch abnahm. 2011 starb Frazier.
Foto: Michael Brennan / Iconic Images
8 / 10
Viel weniger bekannt war Tony Esperti, der seinen einzigen Kampf gegen Ali 1971 durch Technischen K.o. verlor. Brennan traf auf einen Mann, der eine lebenslängliche Freiheitsstrafe für den Mord an einem Geschäftspartner verbüßte.
Foto: Michael Brennan / Iconic Images
9 / 10
Um »Sweet Jimmy« Robinson aufzuspüren, musste sich Brennan mächtig ins Zeug legen, denn der Mann, der 1961 bereits in der ersten Runde von Ali ausgeknockt wurde, lebte in Miami auf der Straße. Brennan wurde jedoch fündig und traf auf jemanden, der offensichtlich ein hartes Leben führte und nach Schnaps gerochen habe.
Foto: Michael Brennan / Iconic Images
10 / 10
Leon Spinks kämpfte zweimal gegen Ali, beide Male 1978. Einmal gewann er – in seinem erst achten Profikampf –, einmal verlor er. 1976 hatte er bei den Olympischen Sommerspielen in Montreal die Goldmedaille gewonnen. Er starb im Februar dieses Jahres.
Foto: Michael Brennan / Iconic Images
Chuck Wepner, Spitzname »The Bayonne Bleeder«, verlor seinen einzigen Kampf gegen Ali 1975 durch K.o. in der 15. Runde. Er wurde Schnapsverkäufer und gilt gemeinhin als Vorbild für die »Rocky«-Filme. Er ist einer von vielen einstigen Ali-Gegnern, die der Fotograf und Ali-Begleiter Michael Brennan über Jahrzehnte besuchte.
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Buster Mathis kämpfte in seiner Boxkarriere im Madison Square Garden gegen Joe Frazier und 1971 auch gegen Muhammad Ali, gegen den er nach zwölf Runden eine klare Punktniederlage einstecken musste. Später belud er Trucks in Grand Rapids, Michigan.
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Der kanadische Boxer Charles Chuvalo (M.) kämpfte 1966 und 1972 gegen Ali. Beide Male konnte er über die komplette Distanz gehen, verlor aber beide Kämpfe. »Die Ringrichter haben für Ali gestimmt – aber er musste ins Krankenhaus gebracht werden, während ich mit meiner Frau tanzen ging«, wird Chuvalo in Brennans Buch zitiert.
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Auch Tunney Hunsaker boxte gegen Ali, der damals noch seinen Geburtsnamen Cassius Clay trug – und verlor den Sechs-Runden-Kampf 1960 in Louisville. Der Polizist mochte Ali, störte sich aber an dessen Wehrdienstverweigerung. »Er hätte seinem Land dienen sollen«, sagte er Brennan.
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George Foreman verlor den berühmten »Rumble in the Jungle« 1974 in Zaire gegen Ali. Später wurde er erst christlicher Priester und Unternehmer. Zehn Jahre nach seinem Fight kehrte er in den Ring zurück und holte sich den Schwergewichts-Titel. Nach einem Besuch bei Foreman fragte sich Fotograf Brennan: Was machen eigentlich die anderen Gegner? Und die Idee für das Buch war geboren.
Foto: Michael Brennan / Iconic Images
Der britische Boxer Richard Dunn verlor durch Technischen K.o. in der fünften Runde gegen Ali, das war 1977. Später betrieb er ein Hotel im englischen Scarborough, vor dem er hier für Brennan posiert.
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Er konnte Ali besiegen: Joe Frazier trat dreimal gegen Muhammad an, 1971 im Madison Square Garden siegte er nach Punkten, 1974 verlor er – und beim berühmten »Thrilla in Manilla« ging er in der 14. Runde k.o. Zwischen den beiden gab es eine große Rivalität, die mit der Zeit jedoch abnahm. 2011 starb Frazier.
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Viel weniger bekannt war Tony Esperti, der seinen einzigen Kampf gegen Ali 1971 durch Technischen K.o. verlor. Brennan traf auf einen Mann, der eine lebenslängliche Freiheitsstrafe für den Mord an einem Geschäftspartner verbüßte.
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Um »Sweet Jimmy« Robinson aufzuspüren, musste sich Brennan mächtig ins Zeug legen, denn der Mann, der 1961 bereits in der ersten Runde von Ali ausgeknockt wurde, lebte in Miami auf der Straße. Brennan wurde jedoch fündig und traf auf jemanden, der offensichtlich ein hartes Leben führte und nach Schnaps gerochen habe.
Foto: Michael Brennan / Iconic Images
Leon Spinks kämpfte zweimal gegen Ali, beide Male 1978. Einmal gewann er – in seinem erst achten Profikampf –, einmal verlor er. 1976 hatte er bei den Olympischen Sommerspielen in Montreal die Goldmedaille gewonnen. Er starb im Februar dieses Jahres.
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