Missbrauchsvorwürfe im Turnen »Ich habe nachts in Frischhaltefolie geschlafen«

Turnerin Leonie Papke: In ihrem Zimmer fanden die Eltern Dragees, Tabletten, Kapseln – päckchenweise Abführmittel
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Drei karierte Blatt Papier und die typisch bauchige Schrift eines jungen Mädchens dokumentieren sein Leid. »Liebe Mami und Papi« schreibt Jana Müller*, damals 14 Jahre alt. »Ich turne meistens mit Knie- und Seelenschmerzen. Fragt bitte nicht nach wegen meinen Seelenschmerzen. Ich kann einfach nicht mehr.« Und weiter: »Mein Herz tut jeden Tag weh, wenn ich die Halle betrete.« Die junge Turnerin will ihren Eltern auch erklären, warum sie lange geschwiegen habe: »Weil ich dachte, Ihr seid dann von mir enttäuscht.«
Müller, heute 24, hat ihren Brief, den sie im Frühjahr 2011 auf dem Zimmer ihres Sportinternats in Chemnitz schrieb, abfotografiert und per WhatsApp geschickt. Sie war eine der ersten jungen Frauen, die sich auf den SPIEGEL-Artikel vom vergangenen Freitag gemeldet hat – bis Dienstagmorgen berichteten sieben weitere ehemalige Turnerinnen, was ihnen zum Teil über viele Jahre am Bundesstützpunkt in Chemnitz widerfahren ist.
Auch sie waren Schützlinge der dortigen Trainerin Gabriele Frehse. Die 60-jährige Chemnitzerin steht aktuell massiv in der Kritik: Pauline Schäfer, Weltmeisterin von 2017, und fünf weitere Athletinnen werfen Frehse vor, sie als Turnerinnen mental misshandelt, ihnen zum Teil starke Schmerzmittel gegeben oder sie in die Essstörung getrieben zu haben. Es waren die ersten derartigen Berichte hierzulande – zuvor hatten Athletinnen aus der Schweiz, England oder auch den Niederlanden ähnliche Missstände offenbart.
Der SPIEGEL hatte Gabriele Frehse in der vorvergangenen Woche mit den Vorwürfen ihrer ehemaligen Athletinnen konfrontiert. Sie zeigte sich davon überrascht, gab ihre Zitate aber anschließend nicht zur Veröffentlichung frei. Auf einen umfangreichen Fragenkatalog antwortete ihr Anwalt, die darin enthaltenen Äußerungen Dritter enthielten eine »Vielzahl von Unwahrheiten und haltlosen Vorwürfen«.
Das sehen die jungen Frauen, die sich nun gemeldet haben, ganz anders. Mit dem Artikel, sagen sie, sei alles wieder da gewesen – alle schmerzlichen Erinnerungen, die sie über Jahre versucht hatten, in ihre Biografie zu integrieren, irgendwie unschädlich zu machen.
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