NFL und Rassismus
Bekommt Kaepernick eine neue Chance?
Nach jahrelanger Ausgrenzung erklärt die NFL Colin Kaepernick wieder für willkommen. Sogar Donald Trump spricht sich für ein Comeback aus. Aber ist das wirklich ein nachhaltiger Kurswechsel?
Colin Kaepernick als Symbolfigur für die "Black Lives Matter"-Bewegung
Foto: ROBERTO SCHMIDT/ AFP
Er ist die Symbolfigur des Protests gegen Rassismus in den USA: Colin Kaepernick. Der Quarterback der San Francisco 49ers hat dafür seinen Preis gezahlt. Nicht nur dass er von politischen Gegnern angefeindet wurde, angefangen beim US-Präsidenten. Seit Jahren ist er zudem bereits ohne Engagement in seinem Sport. Jetzt gibt es plötzlich neue Töne der Annäherung - aus der NFL, aber auch von Donald Trump. Was steckt dahinter?
In dieser Woche richtete sich NFL-Commissioner Roger Goodell in einem Interview mit dem US-Sportsender ESPN direkt an Kaepernick. Er würde es begrüßen, wenn Kaepernick seine Karriere in der NFL wieder aufnehme und jeden Klub dazu ermutigen, den Quarterback zu verpflichten. Und wenn es sportlich nichts mehr werde, könnte man sich zumindest über eine beratende Tätigkeit bei Themen wie soziale Gerechtigkeit und Diskriminierung unterhalten.
Kaepernick als Rassismus-Ratgeber der NFL - drei Jahre nachdem er durch seinen Hymnenprotest und den anschließenden Vorwurf der rassistisch motivierten, systematischen Ausgrenzung zur Persona non grata geworden ist.
Zahme Töne aus dem Weißen Haus
Sogar aus dem Weißen Haus kommen inzwischen zahme Töne. Donald Trump hatte Kaepernick während seines Wahlkampfs im Jahr 2017 noch als "Hurensohn" bezeichnet, weil er kniete. Diese Woche sagte der US-Präsident: "Was das Knien betrifft, würde ich gern sehen, dass er noch eine Chance bekommt."
Die Proteste in den USA nach dem Tod George Floyds in Minneapolis, sie scheinen auch auf die Personalie Kaepernick Auswirkungen zu haben. Forderungen an die NFL, sich stärker gegen Rassismus zu positionieren, gibt es schon länger. Noch Anfang Juni hatten sich Profis wie Tyrann Mathieu, Patrick Mahones oder Odell Beckham Jr. in einem Video an die Liga gewandt und verlangt, die NFL solle Flagge zeigen.
Goodell reagierte darauf mit einem Statement, in dem er den Forderungen nachgab und sich dafür entschuldigte, nicht bereits früher auf seine Spieler gehört zu haben. Dabei adaptierte er fast vollständig die Wortwahl der Spieler. Falls diese ihre politische Meinung ausdrücken und friedlich protestieren wollten, heiße er das willkommen.
Wie nachhaltig dieser neue Kurs ist, ist weitgehend offen. Dass Trump-Aussagen eine begrenzte Halbwertzeit haben können, ist bekannt. Aber auch die NFL hat erst auf öffentlichen Druck reagiert. Von einem echten Positionswechsel zu sprechen, ist vermutlich noch zu früh.
Noch ist der Quarterback meistens weiß
Noch sprechen die Fakten eine andere Sprache: Etwa 60 Prozent aller NFL-Profis sind schwarz, doch je prominenter die Funktion im Team, desto weißer wird es. Auf der wichtigsten und intellektuell anspruchsvollsten Position des Quarterbacks liegt der Anteil bei knapp 20 Prozent. Nur drei von 32 Cheftrainern sind Afroamerikaner.
Kein einziges Team hat einen schwarzen CEO oder Präsidenten, bei den Inhabern ist die Suche auch vergebens. Rund ein Viertel der Klubeigentümer - und auch NFL Ventures, ein Subunternehmen der Liga - beteiligte sich zudem durch Spenden aktiv an Trumps Wahlkampf.
Dennoch zeigt die NFL, oder zumindest verkündet sie es in der Außendarstellung, nun den Willen zur Besserung. Kaepernick ist laut Goodell wieder willkommen in der Liga. Das war er allerdings angeblich bereits im vergangenen Herbst, als Kaepernick fast tausend Tage nach seinem bislang letzten Arbeitstag als NFL-Spieler zu einem Sichtungstraining eingeladen wurde. "Ich bin in Form und bereit dafür", schrieb der 32-Jährige damals bei Twitter.
Doch Kaepernick ließ das Training platzen, weil er sich mit der NFL uneinig über die Rahmenbedingungen war. Seine Forderung nach Transparenz durch die Anwesenheit von Medien wurde nicht erfüllt, seinerseits wollte der Quarterback einen Haftungsausschluss nicht unterschreiben.
Diesmal jedoch könnte es anders laufen - und wenn auch nur aus sportlichen Gründen. Immerhin gibt es in der aktuellen Transferperiode noch einige NFL-Teams, die einen fähigen Quarterback gebrauchen könnten. Eines davon sind die Los Angeles Chargers. "Er ist auf unserer Liste für Probetrainings", sagte Cheftrainer Anthony Lynn am Donnerstag in einer Videokonferenz mit mehreren US-Medien, "er passt zu dem Typ Quarterback, den wir uns wünschen."