FRIEDENSLÄUFER Nicht schnell, aber weit
Am Ende des Dauerlaufes plagten den Athleten Blasen an den Füßen und »wahnsinnige Rückenschmerzen«, die Mediziner später als »Ermüdungsbruch an einem Wirbel« diagnostizierten. Außerdem hatte er sieben Kilo Körpergewicht und die Zehennägel eingebüßt.
53 Tage lang war der Amerikaner Stan Cottrell, 44, unterwegs, über die Distanz von 3400 Kilometern und zum Teil an Chinas Großer Mauer entlang. In Momenten der Schwäche, so berichtete er, habe ihn das Bewußtsein vorangetrieben, »etwas Einmaliges zu leisten« und dabei »auch noch der Menschheit zu dienen«.
Der 1,74 Meter große Marathonmann strebt weder Rekorde an, noch Pokale oder Urkunden. Sein Ziel ist »die Völkerverständigung«. In China wie auch in Vietnam, wo er jetzt vom nördlichen Hanoi in den südlichen Landesteil rannte.
»Statt US-Panzer, nun US-Sportler, statt Blut, Schweiß und Tränen, nun die athletische Herausforderung«, so sieht er seine Mission, die Vietnams Kommunisten bereitwillig unterstützten. Sie versorgten ihn mit einem Masseur und einem Begleitfahrzeug, gleich drei Herren der zuständigen Propaganda-Abteilungen führten den Dauerläufertroß über die »Landstraße A« gen Süden.
Die Reaktion der vietnamesischen Bevölkerung habe ihn in seiner Absicht, etwas zur Versöhnung der einstigen Kriegsgegner beizutragen, zusätzlich bestärkt. Die Menschen hätten ihm, »einem Amerikaner, nach all dem Grauen«, zugejubelt.
Dafür, daß seine Landsleute diese Bilder auch zu sehen bekommen, ist gesorgt. Der Marathon-Missionar wurde in Vietnam, wie oft auf Dienstreisen, von einem Fernsehteam begleitet. »Viele Amerikaner zum Nachdenken zu bewegen«, so Cottrell, das, vor allem, habe er erreichen wollen.
Cottrell läuft seit 32 Jahren, nicht unbedingt schnell ("Für Olympische Spiele war ich nie gut genug"), aber weit. Daß er bei seinem ersten Marathon, 1964 in Boston, für die 42-Kilometer-Strecke drei Stunden und zehn Minuten brauchte, während die Besten mit einer Stunde weniger auskamen, nennt er heute noch »beschämend«. Die rund 650 Kilometer quer durch seinen Heimatstaat Georgia bewältigt er hingegen »mühelos« in fünf Tagen.
Daß er bisweilen als Spinner verlacht wird, ihn sogar die eigene Ehefrau »mehr als einmal für verrückt erklärte«, stört Cottrell nicht sonderlich. Den ehemaligen Lehrer, der Laufen zum Beruf gemacht hat, bekümmert nur, daß er sich nicht allein um den Frieden auf Erden sorgen muß, sondern auch um den mit seiner Bank. Er trabe, so gesteht er, »stets an der Pleite entlang«.
Vor einer USA-Durchquerung kontaktierte er 700 mögliche Sponsoren, ein Schuhunternehmen überwies schließlich 60 000 Dollar, gerade genug, um die Kosten zu decken.
Für den Lauf in China stifteten 42 Privatleute insgesamt 620 000 Dollar. Mit den Einnahmen aus seiner Video-Dokumentation »China Run«, die in diesen Wochen weltweit angeboten wird, will der Dauerläufer die Einlagen zurückerstatten, »hoffentlich mit Gewinn«.
Eben heimgekehrt aus Vietnam, plant der Botschafter in Turnschuhen bereits einen neuen Start für den Frieden - auf Kuba, wie Vietnam für die USA ein Feindesland. Dabei erhofft er sich Hilfe vom Maximo Lider. Diese Chance, so Cottrell, »wird sich Fidel Castro nicht entgehen lassen«.