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TENNIS Nur nackt anständig

Der meistverdienende Tennisspieler der Welt, Björn Borg, söhnte sich mit seinem Heimatland Schweden aus. Dann kaufte er ein Inselgrundstück in der Ostsee.
aus DER SPIEGEL 42/1978

Noch vor fünf Jahren versuchte der Händler Rune Borg im schwedischen Provinznest Södertälje Kleider, Schuhcreme und Autofette zu verkaufen. Jetzt besitzt er einen Sportshop in bester Lage von Monte Carlo -- direkt an der Strandpromenade. Borgs Verkaufsschlager: der eigene Sohn.

Nach einem Sieg in einem Tischtennis-Turnier hatte Rune Borg die Wahl zwischen einer Angel und einem Tennisschläger. Er wählte das Racket. Sohn Björn schwang das Gerät so mächtig, als wäre es Thors Hammer. Während die Rivalen die Saiten nur mit 19 bis 23 Kilo Zugdruck spannten, zog Björn Borg eine Bespannung für 28 bis 34 Kilo auf. Kaum einer schlug so hart wie er. Nächste Woche bestreitet er Schaukämpfe in Hamburg.

Björn Borg. 23, nach dem die Boutique in Monte Carlo benannt ist, steigerte Vaters Umsatz durch Siege auf den berühmtesten Tennisplätzen der Welt. Im letzten Sommer gewann er zum drittenmal hintereinander das begehrteste Turnier, die inoffiziellen Weltmeisterschaften in Wimbledon. Das hatte 40 Jahre zuvor nur der Engländer Fred Perry geschafft -- und der verkauft heute noch Sportkleidung.

Den Grand Slam, Siege bei den größten Turnieren der Welt (Frankreich, England, USA und Australien) in einer Saison, verpaßte Björn Borg 1978 in New York nur deshalb, weil eine Blase am Daumen der rechten Hand seine Schlagkraft vermindert hatte. »Das konnte doch jeder sehen«, entschuldigte Trainer Lennart Bergelin. Doch Borg war nichts anzusehen. In Sieg und Niederlage zeigt der Stoiker keinerlei Regung. Bergelin: »Zuletzt rutschte Björn beim Aufschlag mehrmals der Schläger aus der Hand.«

Aber der Ausrutscher kostete den meistverdienenden Tennisspieler der Welt keine wesentliche finanzielle Einbuße. 1978 verdient er wahrscheinlich mehr als eine Million Dollar durch Spiele und zweieinhalb Millionen Dollar mit Werbung. Sogar seine Verlobte, die Rumänin Mariana Simionescu, ist bei seinen Spielverträgen inbegriffen.

Das Paar schmettert und lobbt für die Cleveland Nets. Der US-Tennisklub verzichtet auf Beiträge und zahlt für die Einmaligkeit, das berühmteste Tennis-Brautpaar der Welt präsentieren zu können, 150 000 Dollar pro Saison zu. Gesellschaftsreporter indes gaben Versuche, Intimes über den in sich gekehrten Borg zu berichten, längst auf. Nur die Werbung wurde fündig.

Für alles, was Borg trägt, Hemd und Hose, Schuhe und Schweißriemen, kassiert »der Mann mit dem goldenen Arm«, so der »Observer«, von den Herstellern Honorar. Sogar das Stirnband, das sein lang wallendes Blondhaar mi Match bändigt, bringt 125 000 Mark jährlich ein. In den USA schwingt Borg stets ein einheimisches Bancroft-Racket. Im Rest der Welt greift er zu Schlägern von Donnay -- jede Firma zahlt fast 200 000 Mark pro Jahr.

Weil ihm die Steuer in Schweden bis zu 83 Prozent der Einnahmen abverlangte, zog Borg 1975 nach Monte Carlo um, wo schon Automobilrennfahrer und Golfprofis ihre Sportmillionen, nur zur Hälfte vom Fiskus geschmälert, horteten. Neben dem Sportshop und einer Penthouse-Wohnung erwarb Borg auf der Halbinsel Cap Ferrat eine Villa.

»In der Welt ist es leider so«, rügte die schwedische Zeitschrift »VI« den Steuerflüchtling, »daß diejenigen, die schon viel haben, nicht genug kriegen können.« Daraufhin hatte Borg von seiner Heimat ebenfalls genug. »Ich schlage nicht einen einzigen Ball mehr auf einem schwedischen Tennisplatz«, kündigte er an.

Tatsächlich spielte er für Schweden auch im Ausland nicht mehr in der Nationalmannschaft. Sein Betreuer Bergelin erklärte: »Wenn es nach seinen Nei-

* Beim 3:O-Endspielsieg 1978 über den Amerikaner Jimmy Connors.

dern geht, kann er nur noch nackt anständig sein.

Der Verzicht auf die ohnehin nur durch geringe Spesen aufgebesserten Länderspiel-Einsätze tat Borgs dichtgedrängtem Terminkalender gut. Nun ließen sich zwischen den Pflicht-Turnieren der Profis noch einige Schaukämpfe einstreuen.

Für 10 000 Dollar kreuzte Borg einmal sogar in der hessischen Kleinstadt Elz auf, um Jugendlichen Tennistricks zu verraten. Die Zuschauer zahlten bis zu 85 Mark Eintritt. Anschließend trat Borg gegen deutsche Spieler an, die international ohnehin nur zur dritten Garnitur zählen, um sich »etwas in Schwung zu bringen«, bevor er zum nächsten Großturnier enteilte. Anfangs versicherte Borg Bewunderern wie Reportern, er versuche seine Gegner zu hassen, um Bestform zu erreichen. Inzwischen gilt für ihn im Spiel nur noch eine Grundregel. »Ich konzentriere mich nur auf das, was auf dem Platz geschieht) Publikumstumulte, Pfiffe oder Schreie, die Motoren aufsteigender oder landender Flugzeuge »nehme ich nicht mehr wahr«.

Seit Monaten beglückt er auch die Schweden wieder mit seinem Tennisspiel. Freilich reichte ein Borg nicht aus, um im Daviscup bis ins Finale vorzustoßen. Die Amerikaner besiegten Schweden mit 3:2. Beide Punkte für Schweden erzielte Borg.

»Spätestens in fünf Jahren ist Borg körperlich am Ende«, mutmaßte der frühere Wimbledonsieger John Newcombe. »Er spielt zuviel und zu hart.« Die Frist ist bald abgelaufen. Tatsächlich sagte Borg 1978 schon dreimal Turniere wegen Verletzungen ab. »Es waren immer nur Kleinigkeiten«, beruhigte der Star. Dennoch verlor er noch nie so häufig wie in den vergangenen zwei Monaten.

Für die Tage ohne Tennis hat er unlängst auch in der Heimat vorgesorgt. Auf der Ostseeinsel Kättilö erwarb er für zwei Millionen Kronen ein 300 000 Quadratmeter großes Grundstück.

»Ich habe jetzt mehr Grundstücke als Zeit«, zog er Bilanz. »Denn einige Jahre werde ich noch spielen.« Muß er auch: Der amerikanische PR-Leader McCormack schloß erst 1977 mit ihm einen neuen Fünf-Jahres-Vertrag ab.

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