Von Mihambo bis Kruse Diese Deutschen haben in Tokio Medaillenchancen

Leichtathletik, Fußball – und vielleicht nach langer Durststrecke diesmal sogar im Beckenschwimmen? Hier hat der DOSB-Kader besondere Chancen. Eine Auswahl hoffnungsvoller Athletinnen und Athleten.
Johannes Vetter

Johannes Vetter

Foto: ANDREJ ISAKOVIC/ AFP

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Speerwurf

Johannes Vetter hat den Speer in diesem Jahr fast nach Belieben über 90 Meter geworfen, der Weltrekord scheint für den 28-Jährigen nur eine Frage der Zeit, und Gold in Tokio geht nur über ihn – oder doch nicht?

Kritiker wie der verletzte 2016-Olympiasieger Thomas Röhler mahnen, Vetter könnte sich übernommen haben. Der bestreitet das allerdings vehement. In jedem Fall dürfte er die beste Chance der Leichtathleten auf Gold haben (Finale: 7. August).

Foto: Conny Kurth / imago images

Judo

In der Qualifikation hatte Theresa Stoll ihre eigene Zwillingsschwester Amelie schlagen müssen. Nun scheint sie bereit für eine Olympiamedaille. WM-Bronze vor wenigen Wochen hat der 25 Jahre alten Medizinstudentin nach einer von Corona arg eingeschränkten Vorbereitung jedenfalls Mut gemacht: Da könnte was gehen in Tokio (Finale: 26. Juli).

Gehört zu den Besten der deutschen Leichtathletik: Gesa Krause

Gehört zu den Besten der deutschen Leichtathletik: Gesa Krause

Foto: Michael Kappeler / dpa

Hindernislauf

Gesa Krause hatte gerade bei der Leichtathletik-WM 2019 in Doha die Bronzemedaille gewonnen, da sprach die Hindernisläuferin bereits über das nächste große Ziel: Olympia in Japan. Sie und ihr Trainer Wolfgang Heinig hätten das kommende Jahr bereits durchgeplant, jeden Schritt, jeden Vorbereitungslauf. Es kam dann alles anders.

Einige Monate später sah man die 28-Jährige nicht in Tokio, sondern bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig, und zwar völlig entkräftet. Sie musste bei ihrem Lauf aufgeben und anschließend eine kurze Pause vom Profisport einlegen. Das Coronajahr 2020 hat Krause hart erwischt. Nun aber – nach zwei Titeln bei den diesjährigen Deutschen Meisterschaften – will sie sich ihren Traum von der ersten olympischen Medaille erfüllen. Am 4. August steigt das Finale in ihrer Paradedisziplin 3000 Meter Hindernis.

Foto:

Daniel Schäfer / dpa

Kanu

Aus Rio fuhren die sonst erfolgsverwöhnten deutschen Slalomkanuten ohne Medaille nach Hause. Dass das diesmal anders wird, dafür soll unter anderen Andrea Herzog sorgen. Die 21-Jährige wurde vor zwei Jahren im Canadier überraschend Weltmeisterin, nun ersetzt diese Disziplin bei den Frauen im Olympiaprogramm den Canadier-Zweier der Männer (Finale: 29. Juli). Damit haben erstmals Männer und Frauen gleich viele Slalomevents bei den Spielen.

Foto: Carsten Rehder / dpa

Segeln

Hoffnungen auf Gold darf sich auch Philipp Buhl machen. Der 31-Jährige ist aktueller Segelweltmeister 2020 in der Bootskategorie Laser. In der Bucht von Enoshima, einem beliebten Ausflugsziel für Japaner, wäre Buhl in guter Tradition: Bei den Spielen 1964 in Tokio gewann mit Willy Kuhweide im Finn-Dinghy auch ein deutscher die Goldmedaille.

Foto: imago images / Fotografie73

Hockey

Die deutschen Hockeyteams waren bei Olympischen Spielen zuletzt immer ein Medaillengarant. In Rio de Janeiro vor fünf Jahren gewannen Männer und Frauen Bronze. Auch in Tokio wird mit den Hockeyspielerinnen und -spielern zu rechnen sein – mit etwas Glück und einem guten Lauf ist vielleicht sogar eine Goldmedaille drin. Oder sogar zwei? (Finale: 5. August)

Lange Zeit der Star, nun manchmal auch Ergänzungsspieler: Uwe Gensheimer

Lange Zeit der Star, nun manchmal auch Ergänzungsspieler: Uwe Gensheimer

Foto: Kenny Beele / imago images / Beautiful Sports

Handball

Die Spitze der deutschen Handballer um Vizepräsident Bob Hanning hat sich die Goldmedaille als Ziel gesetzt. Das klang lange Zeit übertrieben und vor allem nach der schwachen WM in Ägypten mit dem Hauptrunden-Aus eher wie die Kampfansage eines Boxers, der am Boden liegt. Doch mit dem Qualifikationsturnier im März hat sich die Stimmung verbessert, die DHB-Auswahl zeigte sich stärker als noch im Januar. Im Mittelpunkt dieser Entwicklung steht Alfred Gíslason, der Bundestrainer hat dem Angriff mehr Varianten verliehen, mit seiner Routine strahlt er die Ruhe aus, die dem Team unter Vorgänger Christian Prokop hier und da abhandengekommen war.

Zwölf Teams sind für die Spiele in Japan qualifiziert, das DHB-Team ist kein Goldfavorit, aber zu den Medaillenkandidaten muss man es hinzuzählen. Was möglich ist, dürfte man schon im ersten Spiel erfahren: Der deutsche Auftaktgegner in der Vorrunde ist Spanien (Finale: 7. August).

Max Kruse ist das Gesicht der deutschen Fußballer

Max Kruse ist das Gesicht der deutschen Fußballer

Foto: Peter Hartenfelser / imago images/Hartenfelser

Fußball

Einige Spieler waren dabei, als die deutsche Fußball-U21 im Mai Europameister wurde, Max Kruse und Maximilian Arnold fahren als Routiniers mit nach Tokio, und an der Seitenlinie steht DFB-Erfolgscoach Stefan Kuntz: Die deutsche Olympiaauswahl im Fußball hofft auf eine Medaille – auch wenn Störgeräusche um die Kaderzusammenstellung die Stimmung getrübt haben und nicht alle Kaderplätze besetzt werden konnten. Das Team ist nicht so stark wie vor fünf Jahren.

2016 gewannen die deutschen Fußballer Silber, Endspielgegner in Rio war damals Brasilien mit Neymar. Auf Brasilien wird die deutsche Auswahl auch diesmal treffen, gleich zu Beginn im ersten Vorrundenspiel. Unter anderem dabei: Dani Alves, einst beim FC Barcelona aktiv. Für die deutschen Fußballer wird es ein harter Auftakt, aber wenn es ein Team zuletzt geschafft hat, sich stetig zu steigern und dabei gute Stimmung zu verbreiten, dann waren es die deutschen Nachwuchsfußballer unter Stefan Kuntz (Finale: 7. August).

Malaika Mihambo: Sie ist Weltmeisterin, wird sie auch Olympiasiegerin?

Malaika Mihambo: Sie ist Weltmeisterin, wird sie auch Olympiasiegerin?

Foto: Michael Kappeler / dpa

Weitsprung

Eigentlich war Malaika Mihambo der Weitsprungwelt davongeflogen. 2019, WM in Doha, da war sie mit einer Weite von 7,30 Metern geradezu zur Goldmedaille geschwebt. Olymiasieg in Tokio, der Angriff auf den deutschen Rekord von Heike Drechsler (7,48 Meter), das schienen damals die nächsten Schritte in der Karriere von Mihambo zu sein. Und damit wäre man beim Thema: Schritte. Mihambo hat im Coronajahr ihren Anlauf verändert, 16 statt wie bisher 20 Schritte, um die Verletzungsgefahr zu minimieren.

Es klingt nach einer Kleinigkeit, nach einer guten Idee: Warum verheizen, wenn wegen Corona ohnehin kaum Wettkämpfe anstehen? Aber diese Änderung hat Mihambos Saison mächtig gestört. So sehr, dass sie vor einem halben Jahr zu den 20 Schritten zurückgekehrt ist – und zuletzt noch immer Probleme hatte, zurück zur alten Sicherheit zu finden. Ihre Bestweite 2021 steht bei 6,92 Metern, neun Athletinnen sind in diesem Jahr weiter gesprungen. Aber, und das steht auch fest, sie alle springen in keiner anderen Welt, wie es Mihambo damals im Jahr 2019 getan hat. Eine Medaille ist nicht ausgeschlossen (Finale: 3. August).

Florian Wellbrock ist Deutschlands Schwimmhoffnung

Florian Wellbrock ist Deutschlands Schwimmhoffnung

Foto: Joel Marklund/ dpa

Schwimmen

Ohne Medaillen waren die deutschen Beckenschwimmer und -schwimmerinnen bei den Sommerspielen in Rio 2016 und London 2012 geblieben. Das soll sich jetzt ändern, und im Mittelpunkt der Hoffnungen steht Florian Wellbrock. Der 23 Jahre alte Langstreckenspezialist zählt gleich in mehreren Rennen zu den Medaillenkandidaten. Wellbrock gewann bei der WM 2019 Gold über 1500 Meter Freistil im Becken und zehn Kilometer Freiwasser. Auch über 800 Meter gehört Wellbrock zu den Besten.

Kein Medaillenkandidat, aber ein Hoffnungsträger: Amanal Petros

Kein Medaillenkandidat, aber ein Hoffnungsträger: Amanal Petros

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Laci Perenyi / imago images

Marathon

Zum Schluss ein absoluter Außenseitertipp in der Reihe der Olympiachancen: Mit 16 Jahren floh Amanal Petros vor dem Bürgerkrieg in Äthiopien nach Deutschland. Er verstand die Sprache nicht, und um schnell Anschluss zu finden, verschrieb er sich dem Laufsport. Seit Dezember 2020 ist der inzwischen 26-Jährige deutscher Rekordhalter im Marathon. 2:07:18 Stunden lautet die Marke, die Petros aufgestellt hat. Gewiss: Das ist keine Zeit, die normalerweise für einen Angriff auf die Medaillen reicht, die Weltspitze um Eliud Kipchoge wirkt im Vergleich meilenweit entfernt. Aber Petros hat großes Entwicklungspotenzial, er ist noch nicht lange im Profisport unterwegs und hat seither erstaunliche Fortschritte gemacht.

Und: Olympische Marathonrennen haben ihre Eigenheiten, sie finden im Hochsommer bei Hitze statt (die ist in Japan auch im etwas kühleren Sapporo zu erwarten, wo der Marathon hinverlegt worden ist), die Strecken sind provisorischer, tückischer, nicht wenige Athleten geben vorzeitig auf. Ein Olympiamarathon ist immer auch etwas Glückssache. Vielleicht hat Petros einen glücklichen Tag, der ihn ins vordere Feld spült (Finale: 8. August).

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