Dressurreiterin Isabell Werth bei Olympia Eine Piaffe vor der Sportgeschichte

Isabell Werth hat in Tokio die Chance, zur erfolgreichsten deutschen Olympionikin zu werden. Doch im Einzel könnte ihr mit Debütantin Jessica von Bredow-Werndl die eigene Kollegin gefährlich werden.
Isabell Werth auf Bella Rose: Seit 1984 ging Mannschaftsgold bei Olympia mit nur einer Ausnahme immer an Deutschland

Isabell Werth auf Bella Rose: Seit 1984 ging Mannschaftsgold bei Olympia mit nur einer Ausnahme immer an Deutschland

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Carolyn Kaster / AP

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»Ich habe keine Ambitionen, auf Statistiken zu schauen«, sagte Isabell Werth in Tokio. Doch selbst wenn die Dressurreiterin, die in der Berichterstattung kaum noch ohne das Attribut ›erfolgreichste Reiterin der Welt‹ auskommt, das Zählen von Medaillen mittlerweile leid sein sollte – die Sportwelt ist es nicht. Die 52-jährige Werth könnte in Japan mit der erfolgreichsten deutschen Olympionikin der Geschichte, der Kanutin Birgit Fischer, gleichziehen.

Zwei Goldmedaillen wären dafür notwendig. Sechs hat Werth bisher, dazu viermal Silber – genau wie die heute 59-jährige Fischer, die zwischen 1980 und 2004 achtmal zu Gold paddelte. Gewinnt Werth entweder den Teamwettbewerb am Dienstag (ab 10 Uhr MESZ, TV: ZDF) oder das Einzelfinale am Mittwoch (ab 10.30 Uhr MESZ, TV: ZDF), würde sie zur ersten Reiterin, die siebenmal olympisches Gold holen konnte . Unwahrscheinlich ist beides nicht.

Für Werth ist Bella Rose das »Herzenspferd«

Für Werth ist Bella Rose das »Herzenspferd«

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Julian Finney / Getty Images

Zwar gibt es in Tokio kein Streichergebnis, die Mannschaften bestehen nach dem neuen olympischen Reglement – anders als bisher – nur aus drei Paaren. Alle Ergebnisse zählen. Mit dem Fluchttier Pferd unter dem Sattel sind dabei immer überraschende Ausfälle einzukalkulieren – etwa wenn sich ein Tier erschreckt oder widersetzt.

Werth hat das selbst erlebt, 2008, als sie nach dem Olympiasieg in Hongkong mit dem Team auch im Einzel auf Goldkurs lag, bis ihr Pferd Satchmo während einer Piaffe zur Seite sprang und sekundenlang die Zusammenarbeit verweigerte. »Scheiße, einfach nur scheiße« sei das gewesen, so Werth. Doch die eigentliche Hürde ist die Konkurrenz – und die kommt auch aus den eigenen Reihen.

Trio startet als klarer Favorit in den Teamwettbewerb

Neben Werth und Westfalenstute Bella Rose starten für die deutsche Équipe Jessica von Bredow-Werndl auf Trakehnerstute Dalera und Dorothee Schneider mit dem Hannoveranerwallach Showtime. Ersatzreiterin ist Helen Langehanenberg mit Holsteinerstute Annabelle. Im Mannschaftswettbewerb gelten die Deutschen als Favoriten. Nach der Qualifikation am Wochenende zogen sie als Punktbeste ins Finale der acht besten Teams ein, vor Großbritannien, Dänemark und den USA. Jede der drei deutschen Reiterinnen gewann ihre jeweilige Qualifikationsgruppe.

Seit 1984 ging Mannschaftsgold mit nur einer Ausnahme immer an Deutschland. Werth, von Bredow-Werndl und Schneider führen die Weltrangliste an. 

Jessica von Bredow-Werndl: Olympia? »Letztlich ist es doch auch nur ein großes Championat«

Jessica von Bredow-Werndl: Olympia? »Letztlich ist es doch auch nur ein großes Championat«

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Doch in der Kür, der Medaillenentscheidung im Einzel, lauert die Konkurrenz. Etwa die Briten um die dreimalige Olympiasiegerin und Titelverteidigerin Charlotte Dujardin, die überraschend mit ihrer Nachwuchshoffnung, dem auffällig kleinen Wallach Gio, nach Japan gereist ist. Aber auch die Dänen mit Cathrine Dufour auf dem aufstrebenden Bohemian oder die Niederländer mit Edward Gal auf dem Totilas-Nachkommen Total US sieht Werth als gefährlich an.

Zusammen feiern können sie: Isabell Werth (l.) und Jessica von Bredow-Werndl feiern ihre Gold- und Bronzemedaille bei der EM 2019 in Rotterdam

Zusammen feiern können sie: Isabell Werth (l.) und Jessica von Bredow-Werndl feiern ihre Gold- und Bronzemedaille bei der EM 2019 in Rotterdam

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Dean Mouhtaropoulos / Getty Images for FEI

Und dann wäre da vor allem Bredow-Werndl. Gegen die Olympia-Debütantin hatte Werth schon mal das Nachsehen, zweimal etwa bei den deutschen Meisterschaften in Balve. Und auch in Tokio sorgte von Bredow-Werndl für einen gelungenen Auftakt: Mit Dalera zeigte sie am Samstag ihren bisher besten Grand Prix und erhielt 84,379 Prozentpunkte – es sollte das beste Ergebnis im gesamten Feld bleiben. »Ich war nicht nervöser als bei den Deutschen Meisterschaften, weil ich auch dort super supergut sein wollte. Es war für mich ein ähnliches Gefühl«, sagte die 35-Jährige im Anschluss , und: »Glücklicherweise macht es für Dalera keinen Unterschied, ob es Deutsche Meisterschaften sind oder Olympische Spiele.«

Mit Spannung war darauf der Ritt von Werth am Sonntag erwartet worden. Auch sie gewann ihre Gruppe ohne Probleme. 82,500 Prozent wurden es am Ende. Das war das zweitbeste Ergebnis im gesamten Feld vor Dufour (81,056) – aber eben hinter von Bredow-Werndl. War das schon die Vorentscheidung? Sicher nicht. Werth ist eine ebenso erfahrene wie erfolgreiche Reiterin, wenn es drauf ankommt. Die 17-jährige erfahrene Bella Rose ist ihr »Herzenspferd« . »Da war noch nicht das letzte Risiko«, sagte Werth nach ihrem Ritt. Es sei ja nicht um Gold gegangen.

Ab Dienstag tut es das, es geht um Sportgeschichte.

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