Basketball bei Olympia Nigerias amerikanisches Dream-Team

Deutschlands Gegner Nigeria ist die einzige afrikanische Männer-Basketballmannschaft bei Olympia und war lange bestenfalls Mittelmaß. Nun gilt das Team als Geheimfavorit – dank radikaler Hinwendung zu den USA.
Josh Okogie spielt für die Minnesota Timberwolves in der NBA und ist einer der Stars des nigerianischen Teams bei Olympia

Josh Okogie spielt für die Minnesota Timberwolves in der NBA und ist einer der Stars des nigerianischen Teams bei Olympia

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THOMAS COEX / AFP

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Der nigerianische Basketball hat eine rasante Entwicklung genommen. Bei der Olympia-Teilnahme 2012 in London schied man noch in der Vorrunde aus, unter anderem mit einer schmerzhaften 73:156-Niederlage gegen die USA. In der Vorbereitung im Juli konnte sich Nigeria aber revanchieren, als erste Mannschaft vom afrikanischen Kontinent besiegte das nigerianische Team den großen Favoriten 90:87 in einem Testspiel in Las Vegas.

Nun, bei den Olympischen Spielen in Tokio, gehört Nigeria zu den Geheimfavoriten auf eine Medaille, trotz der Auftaktniederlage gegen Australien am Sonntag (67:84). In der Nacht auf Mittwoch trifft das Team auf Deutschland (3 Uhr). Sollte es die Gruppenphase überstehen (neben Deutschland und Australien spielt Nigeria noch gegen Italien), wäre es eine Premiere für ein afrikanisches Team.

Der Ursprung für die neu entdeckte Qualität aber liegt vor allem in den USA.

Acht von zwölf Spielern wurden in den USA geboren

Bei der Zusammenstellung des Kaders wurde auf die wachsende nigerianische Diaspora in den USA zurückgegriffen. Nach Angaben des American Community Survey, einem jährlich durchgeführten Zensus, leben mittlerweile mehr als 400.000 Menschen mit nigerianischen Wurzeln in den USA.

Von dieser demografischen Entwicklung profitiert Nigerias Basketball-Nationalmannschaft: Acht der zwölf Spieler des Olympia-Aufgebots wurden in den USA geboren und einer in Kanada. Die drei in Nigeria geborenen Spieler sind in ihrer Jugend nach Nordamerika ausgewandert, um dort in der Highschool oder am College zu spielen. Keiner der Spieler hat also eine Basketball-Ausbildung in Nigeria genossen.

Wer dort von einer großen Karriere träumt, versucht so früh wie möglich einen Platz in einer Highschool- oder College-Mannschaft in den USA zu ergattern. Die heimische Liga ist nicht konkurrenzfähig: Weder als Sprungbrett für junge Talente noch für den Verband, um Spieler für die Nationalmannschaft zu rekrutieren, ist sie eine Option. Lieber schaut man, wer in den USA lebt und berechtigt ist, für Nigeria aufzulaufen. Und es gibt Weltklassespieler unter den US-Nigerianern.

Da ist zum Beispiel Jahil Okafor von den Detroit Pistons, dessen Vater aus Nigeria stammt. Der Center gehörte zu den besten Talenten in den USA und wurde an dritter Stelle im NBA-Draft 2015 gezogen. Bis zur U19 spielte Okafor noch für Team USA. Jetzt läuft er für das Land seines Vaters auf. Okafor gehört zu den acht NBA-Profis in Nigerias Kader. Ebenso wie Josh Okogie von den Minnesota Timberwolves. Okogie wurde zwar in Nigeria geboren, lebt aber seit der Kindheit in den USA. Bei großen Turnieren in der Vergangenheit stellte sich kaum einer der NBA-Spieler zur Verfügung, um für Nigeria zu spielen.

Hakeem Olajuwon zum Beispiel, einer der beste NBA-Spieler der Neunzigerjahre, spielte lieber für das US-Team, obwohl er in Lagos geboren wurde und bis ins Teenageralter in Nigeria lebte. Nigeria war im internationalen Basketball ein Zwerg. Mit den USA gewann Olajuwon 1996 in Atlanta Olympiagold.

Nigeria war 2012 überhaupt das erste Mal bei Olympia dabei. Den ersten internationalen Titel gewann Nigeria erst 2015 bei den Afrikameisterschaften gegen Angola, das bis dahin auf dem Kontinent zumeist dominierte.

Der neue Trend unter den NBA-Spielern mit nigerianischem Hintergrund, für das Land der Eltern aufzulaufen, hängt auch mit dem Strategiewechsel innerhalb des nigerianischen Verbands zusammen. Der Mittelpunkt der Nationalmannschaft hat sich von Nigeria in die USA verlagert. Das Trainingslager fand in Kalifornien statt. Der Trainerstab besteht hauptsächlich aus US-Amerikanern und wird von Mike Brown angeführt, der in der NBA Chefcoach der Cleveland Cavaliers sowie der Los Angeles Lakers war und 2009 als Trainer des Jahres ausgezeichnet wurde. Aktuell ist er Co-Trainer bei den Golden State Warriors in der NBA.

Nigerias Trainer Mike Brown: Zugpferd für die NBA-Spieler

Nigerias Trainer Mike Brown: Zugpferd für die NBA-Spieler

Foto: Charlie Neibergall / AP

Brown ist das Zugpferd für Nigerias Spieler aus den USA. Es ist seinen Kontakten in der NBA zu verdanken, dass die besten Profis der Einladung der Nationalmannschaft gefolgt sind. Neben Browns Bemühungen ist es die Aussicht auf eine Olympiateilnahme, die einige Spieler dazu bewogen hat, die Einladung anzunehmen. Gerade im internationalen Basketball hat das olympische Turnier viel Prestige.

Kritik am Verband

Doch es gibt auch Kritik an dieser US-zentrierten Ausrichtung: In Nigeria ausgebildeten Spielern werde so die Möglichkeit genommen, für ihr Land zu spielen, sagte etwa Olumide Oyedeji, der als Kapitän 2015 mit Nigeria die Afrikameisterschaft gewann und in der NBA spielte. Eine andere Kritik lautet, dass die Hinwendung zu den USA keine nachhaltige Entwicklung fördere.

Der Verband sieht das anders. Die einheimische Liga sei international nicht konkurrenzfähig, sagte Vizepräsidentin Bas Ogunade. »Die Aufgabe des Verbands ist es, das Spiel nach besten Kräften zu entwickeln und zu fördern. Nigerianer aus allen Teilen der Welt haben ein Recht darauf, das Land zu repräsentieren.«

Der Plan, auf Nigerianer aus den USA zurückzugreifen, geht bisher auf. In der Vorbereitung besiegte man das Team USA, das von den Superstars Kevin Durant, Damian Lillard und Bradley Beal angeführt wurde. Zudem gab es einen Sieg gegen den Weltranglistenvierten Argentinien. Selbst wenn in Tokio keine Podiumsplatzierung erreicht werden sollte, scheint sich in Nigeria eine goldene Generation zu entwickeln.

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