Golf-Olympiasieger Schauffele Ein bisschen Gold fürs Schwabenland

Der neue Olympiasieger heißt Xander Schauffele
Foto: MURAD SEZER / REUTERSDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Wer sich in Baden-Württemberg ein Schäufele bestellt, der weiß, was gut schmeckt. Schäufele, das Stück von der Schweineschulter, ist eine Spezialität im deutschen Süden, in Franken, aber auch im Badischen. Wenn man bei dem Namen Xander Schauffele, dem Goldmedaillengewinner des Golfturniers von Kasumigaseki, an diese Spezialität aus dem Südwesten denkt, mag man das als reines Gedanken- und Wortspiel abtun. Aber es steckt durchaus etwas dahinter. Der Olympiasieger aus Kalifornien, er hat süddeutsche Wurzeln. Und die sitzen tief.
Die Familiengeschichte des 27-Jährigen aus San Diego, der seiner Karriere mit 18 Schlägen unter Par in Tokio einen bisherigen Höhepunkt aufsetzte, sie fängt in Stuttgart an. Sein Urgroßvater Richard, genannt »Molly«, Schauffele ist hier eine kleine Legende. Acht Jahre lang, von 1918 bis 1927, spielte Richard Schauffele für den VfB und wurde württembergisch-badischer Meister. Danach wechselte er vom Fußball in die Leichtathletik, Diskuswerfen, Speerwurf, Kugelstoßen, Schleuderball. Er war ein Multitalent und sammelte mehr als 40 regionale Meistertitel. Für die Olympischen Spiele in Amsterdam 1928 qualifizierte er sich für den Kugelstoßwettbewerb, nur wegen einer Augenverletzung konnte er nicht teilnehmen.

Xander Schauffele beim olympischen Golfturnier
Foto: Andy Wong / APNach dem Krieg sattelte er auf eine Funktionärskarriere um, war drei Jahre lang Präsident der Stuttgarter Kickers, dann reizte ihn die Politik. Er ließ sich in den Stuttgarter Stadtrat wählen, er war zuletzt der Fraktionsvorsitzende der Stuttgarter CDU. Die Sporthalle des Stuttgarter Olympiastützpunkts heißt heute Molly-Schauffele-Halle. Dass sein anderer Urgroßvater, Johann Hoffmann, ein Wiener, es bis in die österreichische Fußballnationalmannschaft schaffte, kommt noch hinzu.
Vater ging in die USA und wurde Golflehrer
Richards Enkel Stefan, der Vater von Xander Schauffele, hatte das Talent seines Vaters geerbt, er war ein hoffnungsvolles Zehnkampftalent. Als er 19 war, fuhr ihm jedoch ein angetrunkener Autofahrer in den Wagen, Stefan Schauffele verlor bei dem Unfall sein linkes Augenlicht. Seine Zehnkampfkarriere war vorbei, und er entschloss sich mit 20 Jahren, Stuttgart und Deutschland zu verlassen. Er ging in die USA und wurde dort Golflehrer, bekam zwei Kinder. Eines davon ist heute Goldmedaillengewinner.
Vater Stefan ist bis heute der Schwungtrainer seines Sohnes geblieben, er hat Xanders Entwicklung über die Jahre begleitet, und die geht immer weiter nach oben. 2017 wurde er zum Rookie of the Year gewählt, mittlerweile gehört er zu den Arrivierten, Schauffele ist Weltranglistenfünfter, beim Masters belegte er die Ränge zwei (2019) und drei (2021), bei den U.S. Open war er auch schon vier Mal unter den besten zehn platziert. Sein Olympiasieg ist demnach zwar sein bisher größter Erfolg, so ganz überraschend kam er aber nicht.
Seit der zweiten Runde lag er vorn, sosehr sich die Konkurrenz um Japans Star Hideki Matsuyama und Nordirlands Ikone Rory McIlroy auch bemühte, ihm nahezukommen – Schauffele meisterte auch schwierige Situationen wie in der Schlussrunde, als sein Ball im hohen Gras landete. Mit einer Souveränität, als gehöre er schon seit Ewigkeiten zur Weltspitze. Lediglich der Slowake Rory Sabbatini, gebürtiger Südafrikaner, wurde ihm mit einer 61er-Traumrunde auf dem Schlusskurs noch einmal gefährlich.
»Eine halbe Goldmedaille für Deutschland« jubelte die »Bild«-Zeitung über Schauffeles Olympiagewinn, aber das ist dann doch leicht übertrieben. Zwar besitzt Schauffele tatsächlich noch einen deutschen Reisepass, und er ist seit 2017 pro forma auch in der deutschen Rangliste PGA gemeldet, aber er selbst spricht kaum Deutsch. Schauffele denkt ohnehin international, seine Mutter ist japanisch-taiwanesischer-Herkunft.
Nationalitäten sind da nicht so wichtig. Mit dem deutschen Pass hat er dennoch die Hintertür offen, um nicht nur für die USA anzutreten – so könnte er theoretisch beim Ryder Cup sowohl für Europa als auch die USA nominiert werden.
Die Priorität jedoch ist klar: Das ist seine Heimat, die USA. Auch wenn sie sich in Schwaben ein ganz kleines bisschen mitfreuen dürfen über dieses Olympiagold von Tokio.