TURNEN Onkel Eisenarm
In den Nachkriegsjahren hechtete er zu internationalem Ruhm. Sogar eine olympische Goldmedaille, 1956 in Melbourne im Pferdsprung, gewann der Pfälzer Helmut Bantz - allerdings mit einem »sehr mittelmäßigen Sprung«, wie er sich erinnert.
Auf Auslandstourneen demonstrierte er mit seinen Kameraden, wie gepflegt man in Deutschland die Riesenfelge oder einen Flickflack zu turnen versteht. Selbst in Japan standen Bantz & Co. als »Diplomaten in Weiß« (so der Titel eines Reiseberichts) auf der Matte.
Der friedliche Umgang mit Japanern ist lange her. Neuerdings sieht sich der 67jährige Sportbotschafter a. D. viel eher als einsames Bollwerk gegen asiatischen Imperialismus im deutschen Vereinswesen: Er glaubt, den Sport des Turnvaters Jahn gegen den werbewirksamen Zugriff des japanischen Autoproduzenten Toyota verteidigen zu müssen. Die Angelegenheit beschäftigte bisher mehrere Gerichte.
Das Unternehmen, seit anderthalb Jahren Sponsor der ehemaligen »Turnabteilung an der Universität zu Köln 1962«, will sein Engagement auch im Namen des Klubs verewigt sehen. Bantz, bis Ende 1987 selbst Chef des studentischen Turnzirkels, hält die Umbenennung in einen eingetragenen Verein namens »Turnabteilung Toyota Köln« für unzulässig.
Firmen- und Produktnamen sind seiner Meinung nach »in Vereinsbezeichnungen nicht gestattet«. Deswegen sei die TA Toyota »nicht Mitglied im Turngau Köln«. Beharrlich verweigert Bantz in seiner Eigenschaft als dessen Vorsitzender den Werksturnern das Startrecht. Seine Bescheide adressiert er weiterhin an die »TA an der Uni Köln«.
Der Kampf des Turndenkmals gegen die japanische Herausforderung geriet zur Groteske. Die 193 Klubmitglieder, 137 sind Toyota-Werksangehörige, kommen bei Gau- und Landesmeisterschaften nur mit der juristischen Hilfestellung einer einstweiligen Verfügung an die Geräte.
So war bei den Rheinischen Kunstturnmeisterschaften der Weg im vergangenen Jahr für zwei Toyota-Turner erst 20 Minuten vor Beginn frei, nachdem der Gerichtsvollzieher kurzentschlossen dem Hausmeister der Sporthalle den Richterspruch in die Hand gedrückt hatte - die Funktionäre hatten sich wohlweislich alle verkrümelt.
Freundschaften gingen in dem erbitterten Gehakel in die Brüche. Lange verstand sich Bantz prächtig mit Kurt Friedrich, einem 1960 in den Westen geflüchteten früheren DDR-Turnchampion. Friedrich wirkte unter Bantz im Klub als Vizepräsident. Doch als im November 1987 die Vereinsversammlung die Namensänderung zugunsten des neuen Finanziers beschloß und Bantz daraufhin wutschnaubend ("Sie brauchen mich nicht über Demokratie zu belehren") die Sitzung verließ, stellte sich Friedrich als Vorsitzender zur Wahl.
Bantz schalt seinen ehemaligen Protege einen »Hundsfott« und berief sich vergebens darauf, »daß das im Rheinland kein Schimpfwort ist«. Das Kölner Landgericht untersagte ihm die Verbalinjurie unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 500 000 Mark. Prozeßkosten von mehr als 5000 Mark schlugen für den »Mann der offenen Worte« ("FAZ") aufgrund der Schmähung zu Buche.
Aber auch die TA Toyota investierte bereits 20 000 Mark in den Turnerstreit. Sie ist überzeugt, daß persönlich gefärbte Rache der Anlaß für die sture Haltung von »Onkel Eisenarm« ist, wie Bantz wegen einer zeitweilig getragenen Ellenbogenmanschette heißt.
Bantz war 1987, als den Turnern das Geld ausgegangen und der Kontakt zur Hochschule abgebrochen war, selbst auf Sponsorsuche gewesen. Er wollte die Kölner Duftfirma 4711 gewinnen. Doch Toyota, auf der Suche nach einem Klub für die Leibesertüchtigung der Mitarbeiter, war schneller, half den klammen Turnern mit rund 75 000 Mark pro Jahr wieder aufs Seitpferd.
Bantz fühlte sich »regelrecht überfallen«, und die TA Toyota zog vor Gericht, um die Namensänderung durchzupauken. Das Oberlandesgericht Köln, vorläufig letzte Station der Kampfhähne, erklärte sich jedoch in der Sache für unzuständig, da zuvor noch nicht alle Verbandsgremien angerufen worden seien.
Der Aufschub der Entscheidung kommt der Bantzschen Hinhaltetaktik zupaß, zumal auch der Deutsche Turner-Bund und sein Präsident, der hessische Ministerpräsident Walter Wallmann, es vorzogen, sich herauszuhalten. Auf einer Hauptausschußsitzung wurde jetzt zwar beschlossen, daß zukünftig kein Verein mehr seinen Namen zu Werbezwecken ändern darf. Der rheinische Namenskrieg bleibt davon allerdings unbeeinflußt: Der Streit muß ausgetragen werden. #