UWE SEELER Pfiff im Blatt
Auf dem Tisch standen Gläser mit Glühwein; es duftete nach Punsch -Nelken. Im HSV-Klubhaus an der Hamburger Rothenbaumchaussee versuchten im Februar dieses Jahres Redakteure des »Hamburger Echo am Abend«, den populärsten deutschen Fußballspieler, Uwe Seeler, anzuheuern.
Nachdem die aus einer der ältesten sozialdemokratischen Publikationen hervorgegangene Zeitung in wirtschaftliche, Bedrängnis geraten war (SPIEGEL 50/1963), hatte das Blatt einen neuen Titel (seit 1. Oktober »Hamburger Abendecho") und ein zeitgemäßes graphisches Aussehen erhalten.
»Sie hat Pfiff bekommen«, bescheinigte Uwe Seeler der renovierten Zeitung und willigte mit Handschlag ein, regelmäßig Kommentare für die Titelseite zu verfassen. Honorar: 100 Mark pro Beitrag. Schon früher hatte der Hamburger »Fußballspieler des Jahres« für »Bild« über Fußball-Themen geschrieben und in der Fachzeitschrift »Sport-Magazin« über seine hartnäckigsten Gegner aus 40 Länderspielen berichtet.
Bei »Bild« oft arg zurechtgestutzt, bedingte sich Seeler beim »Echo« aus: »Das muß aber Seeler bleiben.«
Kommentator Seeler scheute sich nicht, im »Abendecho« sogar Selbstkritik zu üben: »Ich hatte leider nicht meinen glücklichsten Tag.« Und als der Nationalspieler nach einem Europacup-Spiel seines HSV in Lyon wegen eines Poststreiks nicht hatte telephonieren können, ließ er auf der Rückreise den HSV-Bus stoppen, um seine Zeilen noch termingerecht durchzugeben.
Neben Uwe Seeler entwickelten auch andere prominente deutsche Fußballspieler journalistischen Ehrgeiz. Einige wechselten sogar in Redaktionsstuben über:
- Der ehemalige Fürther Nationalspieler Hans Fiederer ist heute Chefredakteur beim »Sport-Magazin«;
- Fritz Walter schreibt regelmäßig für »Kicker« und »Bild am Sonntag«;
- HSV-Lizenzspieler Holger Dieckmann arbeitet ständig beim »Abendecho«;
- Nationaltorhüter Hans Tilkowski verfaßte zahlreiche Fußballkommentare für »Die Welt«;
- journalistisch betätigten sich wiederholt auch die HSV-Spieler Jürgen Werner ("Die Welt«, »Hamburger Abendblatt") und Fritz Boyens ("Die Welt").
Den durchschlagendsten Erfolg von allen aber bewirkte Uwe Seeler wie im Spiel, so auch als Kolumnist. Seit dem Beginn seiner Mitarbeit kletterte die Auflage des »Abendecho« von 32 000 auf 45 000 Exemplare. Gerd Kahle, Chef vom Dienst des Blattes: »Da hat Uwe erheblichen Anteil dran.«
Fußballkritiker Seeler
Anteil an der Auflage