ANABOLIKA Proper aussehen
Die Flaschen trugen deutschsprachige Aufkleber: »Eigentum Der DDR - Versenden Gesetzlich Verboten«. Der Inhalt, anabole Steroide, stammte allerdings aus der Fountain Valley Research Laboratories Inc., südlich von Los Angeles, wo der illegale Doping-Mix entdeckt wurde.
Erhebliche Mengen der gesundheitsschädigenden Muskelmacher fielen der Polizei bei einer Razzia in die Hände. Den Etikettenschwindel erklärte ein kalifornischer Jurist so: »Ostdeutsche Steroide verkaufen sich eben am besten. Ihre Athleten haben den Ruf, besser und stärker zu sein.«
Mit Muskel-Mitteln läßt sich Kasse machen, nicht nur bei rekordhungrigen Spitzensportlern. Einer amerikanischen Untersuchung zufolge nahmen oder nehmen sieben Prozent der männlichen Oberschüler Steroide, Tendenz stark steigend. »Die Leute denken, Kokain sei das große Problem«, sagt der Physiotherapeut Pat Croce, »aber es ist nicht so gravierend wie Steroide. Unter den Kids sind sie wie eine Epidemie.«
Gerade nach der Ben-Johnson-Affäre beobachten Drogenwächter einen Run auf die bizepsblähenden Medikamente, denn, so ein Regierungsbeamter, »die Jungs wollen am Strand proper aussehen, und Oberschüler denken, Steroide erhöhen ihre Chancen auf ein Athletenstipendium, auf eine Karriere als Profisportler und bei den Mädchen.« Die ruinösen Folgen des Dopings, von Schrumpfhoden bis zu Leberkrebs, schrecken da wenig, Anabolika werden bedenkenlos in Pillenform eingeworfen oder ohne ärztliche Beratung injiziert - volle Ampulle.
60 Dealer wurden in den vergangenen zweieinhalb Jahren verurteilt, 120 Verfahren sind anhängig, aber gegen den Steroid-Schmuggel großen Stils sind die 2800 Fahnder der Drogenverfolgungsbehörde DEA machtlos: Per Schiff kommt ein Großteil der Ware aus Mexiko ins Land, die Kuriere ("Maultiere") erhalten zwischen 600 und 1500 Dollar pro Einsatz und wickeln das Geschäft über anonyme Motelzimmer ab. Der Stoff wird deponiert, der Kunde erhält den Zimmerschlüssel gegen Bargeld.
Auch die Kontrolle der mexikanischamerikanischen Grenze fällt schwer - die Zollhunde erschnüffeln zwar Koks und Gras, sind jedoch nicht auf Steroide getrimmt. So war im April 1987 die Verhaftung des ehemaligen Leichtathleten David Jenkins, 1971 Europameister über 400 Meter, eher Zufall. Jenkins, der selbst »Peter-Pan-Pillen« konsumierte, war Kopf eines Händlerrings, der 70 Prozent des amerikanischen Bedarfs gedeckt haben soll.
Im grenznahen Tijuana residiert, so das »Wall Street Journal«, der Großhandel. Die Firma United Pharmaceuticals of Mexico beispielsweise, ansässig im Hotel Fiesta Americana, Suite 408, bietet per Katalog »unbegrenzte Mengen« an Steroiden zu »unschlagbaren Preisen« feil. Ein Dreierpack, bestehend aus einer Pillenschachtel und zwei Einheiten Flüssig-Anabolika, kostet 58,89 Dollar, »wir akzeptieren gern American Express und MasterCard«.
Ein paar Häuser weiter verkauft eine »Drogenboutique« eine Flasche Dianabol (Code bei Telephonbestellung: »D-2") sogar für nur fünf Dollar. Die »Maultiere« lassen sich ihr Risiko beim Grenztransfer pro Flasche mit 18 Dollar vergüten, der Konsument zahlt 50.
»Für Leute mit guten Kontakten zu größeren Gesundheitsklubs kursieren Preislisten«, berichtet der Zöllner William Gately aus Phoenix, Arizona. »Es wird per Anruf geordert, cash bezahlt, und die Lieferung erfolgt mit der Post.« Angestellte solcher Vereine erhalten oft nur einen Stundenlohn von vier bis fünf Dollar, verdienen aber mit dem Verkauf von Steroiden 1000 Dollar pro Woche.
Auf 100 Millionen Dollar jährlich wird mittlerweile der amerikanische Markt taxiert, Bodybuiding-Studios und Fitness-Center sind die Hauptumschlagplätze der Drogen. Gewinnspannen von mindestens tausend Prozent machen auch den Schmuggel aus dem Ostblock attraktiv, wo zum Beispiel Gewichtheber internationalen Kalibers, wie ein Insider berichtet, »ganz heiß auf Devisen« sind und deshalb Dopingmittel zu Dumpingpreisen abgeben. In Jugoslawien sind Steroide sogar billig in Apotheken erhältlich.
Über die Hälfte des Angebots in den USA sind indes Markenfälschungen von oft zweifelhafter chemischer Qualität. Bei United Pharmaceuticals of Mexico wurden Behälter mit der Aufschrift »Ciba-Geigy« und der Herkunftsbezeichnung »Colon, Panama« sichergestellt. Umgehend dementierte der Schweizer Pharmakonzern, jemals in seinem Zweigwerk Dianabol hergestellt zu haben.
»Es ist ein Macho-Ding«, urteilt ein Steroid-Jäger der DEA über den Boom
an Kraftdrogen und den Nachfrageschub seit dem Fall Johnson. Fachleute klagen vor allem, daß der Steroid-Handel in den USA noch als Vergehen, nicht aber als Verbrechen und damit entsprechend härter geahndet wird.
Ein weiteres Handicap bei der Tätersuche sieht der DEA-Mann in den eigenen Reihen, bei imponiersüchtigen Polizisten: »Ein Cop, der selbst Steroide kauft, ist nicht daran interessiert, die Kerle zu verhaften.«