Dumoulin nimmt Auszeit vom Radsport
»Als sei ein 100-Kilo-Rucksack von meinen Schultern gerutscht«
Giro-Sieger, Zeitfahr-Weltmeister, Mitfavorit auf den Toursieg: Tom Dumoulin zählt zu den besten Radprofis der Welt. Doch jetzt will er sich vorerst nicht mehr die Berge hochquälen.
Der niederländische Radsportstar Tom Dumoulin nimmt überraschend eine Auszeit vom Leistungssport. Wie sein Team Jumbo-Visma am Samstag mitteilte, habe Dumoulin das Trainingslager verlassen, um daheim seine Zukunft im Radsport zu überdenken. Vorerst wird der 30-Jährige keine Rennen bestreiten, laut dem niederländischen Portal »wielerflits« hat er unbezahlten Urlaub.
Dumoulin, 2017 Giro-Sieger und Zeitfahr-Weltmeister, erklärte seine Entscheidung mit mentalen Problemen. Ob und wann der Niederländer seine Karriere fortsetzen wird, ist unklar.
Wegen der Erwartungen an ihn habe er Druck gespürt, sagte Dumoulin in einem Videostatement. »Ich habe es jedem recht machen wollen, wollte, dass mein Team, meine Teamkollegen, die Sponsoren, meine Familie glücklich sind. Dabei habe ich mich selbst etwas vergessen«, sagte Dumoulin: »Die Frage, was ich selbst will, ob ich überhaupt noch Radprofi sein will, hat sich mir in den letzten Monaten immer wieder gestellt, und ich habe keine Zeit dafür gefunden, sie zu beantworten.«
Dumoulin hatte 2017 den Giro d'Italia sowie die WM im Zeitfahren gewonnen. In den Folgejahren galt er bei den großen Rundfahrten stets als Mitfavorit. 2019 verletzte sich der Niederländer jedoch so schwer am Knie, dass er über ein Jahr lang keine Rennen fahren konnte. Zur Tour de France 2020 war Dumoulin wieder am Start und unterstützte Primoz Roglic als Edelhelfer. Nach der Rundfahrt, die er als Siebter beendete, hatte er jedoch gesagt, in Folge seiner Verletzung an ein Karriereende gedacht zu haben.
Eigentlich sollte Dumoulin die neue Saison am 6. März beim Rennen Strade Bianche beginnen. Team Jumbo-Visma hatte noch am Freitag mitgeteilt, Dumoulin werde neben Vuelta-Sieger Primoz Roglic und Steven Kruijswijk einer von drei Mannschaftskapitänen bei der diesjährigen Tour de France sein. Keine 24 Stunden später folgte die Ankündigung der Auszeit.
»Das fühlt sich wirklich gut an«
»Ich habe diese Entscheidung gestern getroffen, und das Team hat mich darin bestätigt. Das fühlt sich wirklich gut an«, sagte Dumoulin nun: »Es ist, als sei ein 100-Kilo-Rucksack von meinen Schultern gerutscht. Ich bin heute Morgen sofort glücklich aufgewacht. Die Entscheidung, mir Zeit für mich selbst zu nehmen, fühlt sich so gut an – das sagt eigentlich genug.«
Nun wolle er für sich die Antwort auf drängende Fragen finden. »Was will ich eigentlich? Was will Tom Dumoulin mit seinem Leben machen? Will ich immer noch ein Rennfahrer sein? Und wie? Das sind Fragen, die in mir seit ein paar Monaten brodeln«, sagte Dumoulin. Während der Auszeit werde er versuchen, viel mit Leuten zu sprechen, nachzudenken »und mit dem Hund spazieren zu gehen«.
Dumoulin ist ein starker Rundfahrer, sein möglicher Abschied aus dem Radsport würde Team Jumbo-Visma vor allem in der Planung für die Tour de France schwächen. Allerdings ist die Mannschaft mit Roglic, der 2020 den zweiten Platz bei der Tour belegte, Kruijswijk und dem starken Bergfahrer Sepp Kuss exzellent besetzt, das Trio könnte Dumoulins möglichen Abschied kompensieren.