Zur Ausgabe
Artikel 32 / 79

DAVISCUP Ramanathans Rätsel

aus DER SPIEGEL 46/1966

Nach 28 Jahren kann Deutschlands

Tennis-Team erstmals wieder das Interzonen-Finale im Daviscup erreichen. Aber die Chance bietet sich in Indien, wo die Deutschen noch niemals gespielt haben, und zu einer Jahreszeit, in der sie gewöhnlich pausieren.

Vom 12. bis 14. November kämpfen die Deutschen in Neu-Delhi (November -Durchschnitt: 25 Grad im Schatten) gegen den Asienzonen-Sieger Indien. Die erfolgreiche Mannschaft spielt dann im Interzonen-Finale um das Recht, gegen den Pokalverteidiger Australien das Endspiel zu bestreiten.

Den Vorstoß unter die besten Mannschaften der Welt hatten die deutschen Tennis-Fans nach der letzten deutschen Teilnahme am Interzonen-Finale im Jahre 1938 eigentlich schon 1963 erwartet. Denn mit dem Düsseldorfer Wilhelm Bungert und Christian Kuhnke aus Hamburg verfügte die Bundesrepublik über zwei Weltklassespieler. Kuhnke erreichte beim wichtigsten Turnier der Welt in Wimbledon 1963 und 1964 die Runde der letzten acht. Bungert spielte sogar zweimal hintereinander im Vorfinale. Allein im Daviscup scheiterten die beiden vorzeitig.

Doch 1965 schienen alle Chancen zu schwinden. Kuhnke konzentrierte sich auf sein Studium und schied aus der Mannschaft aus. Bungert baute einen Großhandel für Sportartikel auf und unterbrach monatelang das Training. Da änderte das Pokal-Komitee die Einteilung. Für die Europa-Gruppe durften bislang weit entfernte Länder wie Neuseeland und Brasilien melden. In diesem Jahr wurde die Europa-Zone in zwei Gruppen zu je 16 Mannschaften aufgespalten und Europäern ein Nennungs-Vorrecht eingeräumt.

So stießen die Deutschen erst auf den gefährlichsten Konkurrenten Südafrika, als Bungert seinen Trainingsrückstand aufgeholt hatte. Er besiegte den südafrikanischen Weltranglisten - Vierten Cliff Drysdale und ermöglichte damit, daß die Deutschen unter die letzten vier von 46 Equipen gelangten.

Deutschlands nächster Gegner Indien verdankt seinen Tennis-Aufstieg einem Deutschen: dem früheren Weltmeister der Berufsspieler Hans Nüßlein aus Köln. Er bildete nach dem Zweiten Weltkrieg Talente aus, die er entdeckt hatte. Bester Inder ist Ramanathan Krishnan, 29, der Bungert bereits einmal besiegte. Er war 1961 in Wimbledon unter den letzten vier Spielern und wurde in die Weltrangliste aufgenommen. Im letzten Jahr war der Tennis -Star müde. Er wollte sich nicht mehr In unwichtigen Daviscup-Spielen strapazieren. Die Funktionäre sperrten ihn für Ausland-Turniere. Krishnans gegenwärtige Spielstärke ist für seine Gegner Bungert und Ingo Buding das größte Rätsel.

»Wir werden die Deutschen schlagen«, verkündete der inzwischen begnadigte Krishnan im Vertrauen auf die heimischen Zuschauer und den Grasplatz des Gymkhana-Klubs. In Deutschland wird auf Aschenanlagen gespielt. Kurzgeschorenes Gras läßt den Ball schneller und in flacheren Kurven springen.

Die Inder kündigten zudem einen englischen Slazenger-Ball an. Er springt schneller als die in Deutschland üblichen Dunlop-Erzeugnisse. Größe und Gewicht der Hohlgummibälle sind zwar exakt vorgeschrieben. Verschiedenartige Filzauflagen verleihen ihnen jedoch Unterschiede in der Aufprallhöhe von 20 Prozent.

Doch auf das diesjährige Zonen -Finale gegen Indien bereiteten sich die Deutschen sorgsam vor. Sie verpflichteten den dänischen Trainer Kurt Nielsen, der schon in Indien gespielt hat. Er drillte die Deutschen auf Hallen -Parkett, das die Bälle ähnlich wie auf Gras springen läßt. Für das Training beschafften sie sich Bälle, wie sie in Neu-Delhi benutzt werden. Ingo Buding trainierte sogar auf eigene Kosten in Amerika mit Berufsspielern.

Finanziell brachten die bisherigen Daviscup-Kämpfe allerdings ein Defizit von 10 000 Mark. Gastmannschaften erhalten von den Einnahmen nach Abzug aller Unkosten jeweils die Hälfte. In das Indien-Abenteuer mußte der Deutsche Tennis-Bund (DTB) allein an Reisekosten 30 000 Mark investieren. Um zu sparen, durfte kein Präsidiums-Mitglied des DTB mitfliegen.

Erst ein Erfolg gegen Indien vermag die Aussichten aufzuhellen. Einzig Amerika als Gegner im Interzonen-Finale garantiert hohe Einnahmen, freilich auch eine Niederlage. In Los Angeles, dem vorgesehenen Spielort, wird noch schneller als auf Gras gespielt: auf Zement.

Deutscher Daviscup-Spieler Bungert

Training auf Parkett

Mehr lesen über

Zur Ausgabe
Artikel 32 / 79
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren