Von Football Leaks zu Luanda Leaks Pintos Stimme

Rui Pinto
Foto: FERENC ISZA/ AFPAuch wenn Rui Pinto, Kopf der Enthüllungsplattform Football Leaks, zurzeit im Gefängnis sitzt, führen von ihm verbreitete Daten zu Enthüllungen von internationaler Tragweite. Am frühen Montagmorgen verschickten seine Anwälte Francisco Teixeira da Mota und William Bourdon eine Pressemitteilung, die es in sich hatte: Ihr Mandant Rui Pinto ist demnach der Whistleblower hinter den sogenannten Luanda Leaks. Bourdon nennt Pinto den "Edward Snowden für die internationale Korruption". Seine Enthüllungen hätten den gleichen Stellenwert.
Hintergrund: Vor wenigen Tagen hatte das internationale Recherche-Netzwerk ICIJ, zu dem in Deutschland auch Journalisten des WDR, des NDR und die "Süddeutsche Zeitung" gehören, die brisanten Enthüllungen rund um das Geschäftsgebaren von Isabel dos Santos veröffentlicht. Dos Santos ist die Tochter des früheren angolanischen Staatspräsidenten José Eduardo dos Santos, der sein Land fast vier Jahrzehnte lang regierte und 2017 abtrat. Während seiner Ära als Staatschef wuchs auch das Vermögen seiner Tochter, die inzwischen Milliardärin ist und zu den reichsten Frauen der Welt gehört.
Der Reichtum der Isabel dos Santos führte in den vergangenen Jahren zu kritischen Berichten. Auch das Recherche-Netzwerk EIC, dem der SPIEGEL angehört, enthüllte bereits einige der fragwürdigen Geldflüsse rund um das Firmenimperium der angolanischen Geschäftsfrau .
Die Luanda Leaks offenbaren nun weitere, teilweise frappierende Interessenkonflikte in der früheren angolanischen Präsidentenfamilie. Isabel dos Santos bestreitet sämtliche Vorwürfe und behauptet, ein Opfer einer Kampagne der angolanischen Regierung zu sein.
Die Luanda Leaks ziehen trotzdem eine Reihe von strafrechtlichen Konsequenzen für Isabel dos Santos nach sich: Der angolanische Generalstaatsanwalt Hélder Pitta Grós erklärte, dass er ein Ermittlungsverfahren wegen Veruntreuung, Geldwäsche und Dokumentenfälschung führe. Die angolanische Justiz wirft dos Santos vor, sich illegal bereichert zu haben und fordert nun 1,1 Milliarden Dollar zurück. Sollte dos Santos nicht zeitnah nach Angola zurückkommen, wolle der Generalstaatsanwalt einen Haftbefehl gegen sie bei Interpol erwirken.
Dos Santos‘ Konten in Angola sind bereits vor einigen Wochen eingefroren worden. Viele ihrer Geschäfte wickelte sie zudem über Portugal, Rui Pintos Heimatland, ab. Dort hält sie auch 42,5 Prozent der Anteile an einer Bank, über die hohe Millionensummen ihres Vermögens auf Offshore-Konten geflossen sein sollen. Der Vorstandschef der Bank, Teixeira dos Santos, erklärte nun, dass das Geldinstitut die geschäftlichen Beziehungen zu Firmen von dos Santos beenden wolle, um "das Vertrauen in das Institut zu sichern". Bemerkenswert daran ist, dass Teixeira dos Santos von 2005 bis 2011 Finanzminister Portugals war.
Es sind diese Verbindungen zwischen Politik, Wirtschaft und Justiz, die Rui Pinto in den vergangenen Jahren angeprangert hat – insbesondere in seinem Heimatland Portugal, wo hochrangige Beamte immer wieder in Interessenkonflikte gerieten.
Seine Anwälte schreiben nun, dass Pinto den Datensatz rund um die Geschäfte von Isabel dos Santos bereits vor seiner Verhaftung an die afrikanische Whistleblower-Vereinigung PLAAF weiterreichte, die die Dokumente anschließend mit den Journalisten vom ICIJ teilte.
Zuvor waren von Pinto weitergegebene Daten auch schon die Grundlage für die Football Leaks sowie die Malta Files , sie ermöglichten zudem Artikel über Donald Trumps umstrittene Immobiliendeals und Geschäfte mit Personen aus der osteuropäischen Halbwelt sowie Ölgeschäfte der Familie des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Viele dieser Enthüllungsgeschichten führten zu Ermittlungsverfahren, weitere könnten folgen: Seit einem knappen Jahr arbeitet eine Eurojust-Arbeitsgruppe mit einem Teil von Pintos Daten.
Der Einzige, der aber im Zuge all dieser Skandale im Gefängnis gelandet ist, ist Rui Pinto. Die portugiesische Justiz hielt ihn mehr als sechs Monate lang in Einzelhaft, er sitzt auch heute noch in Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen, 90 Straftaten begangen zu haben, darunter versuchte Erpressung, Cyberkriminalität und der Verstoß gegen das Briefgeheimnis.
In den kommenden Monaten soll der Prozess gegen ihn beginnen. Die portugiesische Justiz hat Pinto bislang jeden Anspruch auf den rechtlich gesondert geschützten Status als Whistleblower aberkannt.