JOCKEIS Siege durch Sonntagsreiter
Zweimal ritt der englische Star-Jockei
Lester Piggott im Deutschen Derby. Er siegte zweimal, und seitdem reiten englische Jockeis für Deutschland: Für das diesjährige Derby am 3. Juli in Hamburg-Horn verpflichteten deutsche Ställe bereits vier Engländer.
»Niemand verpflichtet dagegen deutsche Jockeis nach England«, wetterte Jockei Fritz Drechsler gegen die Fremdreiter in der wertvollsten Prüfung für dreijährige deutsche Vollblüter. »Wir reiten auch nicht schlechter.«
Ob sie schlechter reiten oder nicht - die deutschen Jockeis starten jedenfalls erheblich seltener als ihre englischen Rivalen. Die rund 160 deutschen Jockeis sattelten 1965 in der Bundesrepublik für 1437 Rennen. Nur die Spitzengruppe von etwa zehn Jockeis bringt es auf 350 Einsätze im Jahr. Sie verdienen eine Monatspauschale bis zu 1500 Mark und sind an Renngewinnen mit fünf Prozent beteiligt. Einen Jahresverdienst von 40 000 Mark, wie der 1965 erfolgreichste deutsche Jockei, Peter Remmert, erreichen nur wenige. Viele Jockeis haben keinen festen Vertrag.
Der harte Konkurrenzkampf im kargen bundesdeutschen Renngeschäft führte immer wieder zu Zwischenfällen. So prügelten sich die Jockeis Remmert und Norbert Sauer im März während des Rennens um das »Frühlingsband der Erft« in Neuß mit ihren Peitschen. Remmert mußte 1500 Mark Geldstrafe zahlen, Sauer wurde für drei Wochen gesperrt.
Jockeis, denen es an Startgelegenheiten mangelt, vermögen oft ihr Renngewicht (zugelassenes Minimum: 48 Kilo) nicht zu halten. Außerdem büßen sie ihre Reaktionsgeschwindigkeit ein. Bei gleichwertigen Pferden entscheidet der Reiter, der - bei Galopp-Tempo 60 - am geschicktesten Lücken erkennt und ausnutzt. Im Union-Rennen - einem der wichtigsten Derby-Tests - verlor der Favorit »Krawall« seine Chancen, weil Jockei Drechsler im Pferde-Pulk eingeschlossen worden war.
Englische Spitzenreiter starten fast jeden Tag. Taktische Fehler unterlaufen ihnen selten. Piggott (Jahresverdienst: zwischen 250 000 und 300 000 Mark) ritt 1965 allein in England 656 Rennen, in denen er bei 160 Siegen insgesamt 352mal placiert war. Piggott verlangt und bekommt vom Renngewinn zehn Prozent.
Nur sonntags reiten Piggott und seine Kollegen wegen des Veranstaltungs-Verbots in England nie. Dann verpflichten sie sich - wie am Sonntag des Deutschen Derbys - möglichst für Rennen auf dem Kontinent. Jockei Frankie Durr soll in Hamburg den Hengst »Champus« des Möbelhändlers Motzkau reiten. Groville Starkey ist für »Arjon« vorgesehen, und Brian Taylor soll auf »Volvo« die gelb-roten Maggi -Farben der gebürtigen Schweizerin Angela Spaulding-Maggi tragen.
Das Gestüt »Carolinenhof« will sein Pferd »Gasparone« dem Engländer Paul Cook anvertrauen. Cook hatte erst im April seine Lehrzeit beendet und war sofort für 55 000 Mark bis zum Oktober engagiert worden.
Für ihr Hamburger Engagement erhalten die Engländer neben den Spesen eine Garantie von 1000 Mark. Verlockender ist freilich der Fünf-Prozent-Anteil von den insgesamt 150 000 Mark Gewinngeldern im Derby.
Star-Jockei Piggott Verzichtete allerdings angesichts der zunehmenden englischen Derby-Konkurrenz auf einen neuen Hamburg-Ritt. Er reitet am Derby-Sonntag im Auftrag der Madame Suzy Volterra, der Besitzerin des Nachtklubs »Lido«, in Paris.
Englischer Jockei Piggott
Reiten für den Lido