Er hat sein Versprechen gehalten: Usain Bolt ist Weltmeister über 100 Meter. Der Jamaikaner bezwang seinen größten Rivalen Tyson Gay und den Rest der Weltelite - standesgemäß mit neuem Fabel-Weltrekord.
Hamburg - Es war wie immer: Usain Bolt machte nicht nur aus dem 100-Meter-Lauf eine Show, sondern auch aus dem Jubel danach. Er tanzte mit einer Jamaika-Flagge auf der blauen Piste im Olympiastadion, zeigte stolz auf die Rekord-Anzeigentafel und bedankte sich bei den 50.000 fassungslosen Zuschauern.
Auf den Tag genau ein Jahr nach seinem Olympiasieg setzte sich der Jamaikaner auch bei der WM in Berlin durch und gewann die 100 Meter in Fabel-Weltrekordzeit. In sagenhaften 9,58 Sekunden bei 0,9 Metern pro Sekunde Rückenwind blieb der 22-Jährige elf Hundertstel unter seiner in Peking aufgestellten Bestmarke (9,69). Zudem wurde er zum ersten jamaikanischen Sprint-Weltmeister. Anders als in Peking trudelte der Mann von der Karibik-Insel auf den letzten Metern aber nicht aus.
"Das war definitiv mein bestes Rennen", sagte Bolt. Das Publikum im Stadion habe ihm zusätzlich Energie verliehen. "Es war großartig. Es ist einfach unglaublich, ein Rennen zu laufen, wie man sich das vorstellt. Ich hatte es für möglich gehalten, schneller als 9,69 Sekunden zu laufen, aber dafür brauchte ich das perfekte Rennen. Ich glaube, mein Trainer wird nichts finden können, womit er unzufrieden ist.", erklärte der Weltrekordler.
"Ihr habt mir Energie gegeben. Danke für eure Unterstützung", sagte Bolt nach seinem Lauf ins Mikrofon in Richtung der Tribünen im Olympiastadion. Aus dem im Vorfeld zum "Giganten-Duell" ausgerufenen Kräftemessen der beiden Superstars Bolt und Tyson Gay wurde eine Ein-Mann-Show, in der Bolts Weltmeister-Vorgänger (USA) trotz starker 9,71 Sekunden nur die Rolle des ersten Verlierers blieb. Bronze holte Bolts Landsmann Asafa Powell (9.84). Zuvor durften sich nur Carl Lewis und Maurice Greene (beide USA) zeitgleich Olympiasieger, Weltmeister und Weltrekordler über 100 Meter nennen.
Bolts großes Ziel ist aber das WM-Triple. Bereits vor einem Jahr bei Olympia war ihm das Kunststück von drei Siegen über 100, 200 und 4x100 Meter geglückt. "Ich will beweisen, dass das letzte Jahr kein Witz war. Ich will eine Legende werden", sagt der 1,96 Meter große Sprinter: "Das Spiel hat erst begonnen". Die 160.00 Dollar (112.700 Euro) Prämie für Sieg und Weltrekord nahm der Ausnahmeläufer aber auch gerne mit.
100-Meter-Weltrekorde
ZEIT
NAME
JAHR
ORT
10,60
Donald Lippincott/USA
1912
Stockholm
10,20
Jesse Owens/USA
1936
Chicago
10,00
Armin Hary/Deutschland
1960
Zürich
9,95
James Hines/USA
1968
Sacramento
9,92
Carl Lewis/USA
1988
Seoul
9,86
Carl Lewis/USA
1991
Tokio
9,84
Donovan Bailey/Kanada
1996
Atlanta
9,79
Maurice Greene/USA
1999
Athen
9,77
Asafa Powell/Jamaika
2005
Athen
9,74
Asafa Powell/Jamaika
2007
Rieti
9,72
Usain Bolt/Jamaika
2008
New York
9,69
Usain Bolt/Jamaika
2008
Peking
9,58
Usain Bolt/Jamaika
2009
Berlin
Der Zweite war mit seiner Silbermedaille ebenfalls glücklich: "Exzellent, exzellent, ich bin froh, in diesem Lauf dabei gewesen zu sein. Aber mein Ziel ist weiter der Weltrekord", sagte Gay, der Dreifach-Sieger der WM 2007. Trotzdem bleibt abzuwarten, ob der 27-Jährige tatsächlich wie geplant am Donnerstag die Revanche gegen Bolt im Finale über 200 Meter angehen wird oder sich vielleicht nur auf die 4x100-Meter-Staffel am Samstag konzentriert. Gay, der über leichte Leistenschmerzen klagt, ist in beiden Wettbewerben Titelverteidiger.
Auf dem Weg zum Titel war Bolt, der seine letzte Niederlage vor etwas mehr als einem Jahr durch Landsmann Powell in Stockholm kassiert hatte, durch nichts aufzuhalten. Selbst eine Nervenschlacht wie im Halbfinale, als erst er selbst und dann der Brite Tyrone Edgar einen Fehlstart provozierten, steckte er weg. Im Zwischenlauf nahm sich Bolt sogar die Zeit, seinem Nebenmann Daniel Bailey auf der Hälfte der Strecke ein Lächeln zu schenken.
Doch es gibt einen Gegner, dem Bolt wohl nicht so einfach davonlaufen kann: dem Dopingverdacht. Bei den nationalen Meisterschaften Jamaikas wurden fünf für das WM-Team vorgesehene Athleten positiv auf das Stimulans Methylxanthin getestet. Zwei von ihnen sollen Yohan Blake (19) und Marvin Anderson (27) sein, die Bolts Trainingsgruppe, dem "Racers Track Club", angehören. "Jetzt wird alles hinterfragt, was von Jamaika kommt", so Bolt.