
35. America's Cup: Vorsprung durch Technik
35. America's Cup America first
Donald Trump mag den America's Cup. Er passt bestens in sein Weltbild. America first! 132 Jahre lang war die wichtigste Segelregatta der Welt ein Symbol für US-Überlegenheit. Die Siege der Sternenbanner-Boote galten als so vorhersehbar, dass der New York Yacht Club die älteste Sporttrophäe der Welt auf seinem Vitrinensockel festschraubte.
So erklärt sich, dass Trump seine erste Interview-Audienz für die "Bild"-Zeitung und "The Times" in seinem Büro unter dem Halbmodell der "Stars and Stripes"-Siegerjacht abhielt. Es stammt von Dennis Conner, dem Trump 1987 erst den Löwenanteil für die Sieg-Kampagne und dann die Konfetti-Parade in Manhattan vor mehr als 100.000 Fans spendierte.
Damals war die Welt noch in Ordnung und Amerika im Segelsport "great". Später wanderte der Pokal ins ferne Neuseeland und sogar in die Schweiz. 15 Jahre lang blieb er für die Amerikaner außer Reichweite, dann kam Oracle-Chef Larry Ellison, der heute siebtreichste Mensch der Welt. Er nutzte juristische Tricks, um zum Herausforderer der Schweizer Jacht Alinghi 5 zu werden und die Chancen seines Konsortiums zu verbessern. Damit und mit viel Geld entwendete Ellison dem Schweizer Pharma-Milliardär Ernesto Bertarelli den Pokal.
Amerikaner spielen im US-Team kaum eine Rolle
In 83 Tagen starten die Rennen um den 35. America's Cup und Ellison bricht dabei erstmals mit der US-Tradition, den Cup im eigenen Land aussegeln zu lassen. Der Segler-Tross zieht ins Steuerparadies Bermuda, das neben gutem Wind auch gutes Geld verspricht. Im Oracle-Team USA hat Ellison internationale Spitzensegler um sich geschart. Der neuseeländische Chef-Stratege Russell Coutts zieht die Fäden, auch Australier wie Steuermann James Spithill und Olympiasieger Tom Slingsby sind prägende Figuren.
Ellison hat schon viel Kritik geerntet, denn niemand baute den America's Cup, der auf einer 1851 geschriebenen Stiftungsurkunde basiert, so radikal um. Traditionell darf der jeweilige Sieger die wichtigsten Regeln bestimmen, und das haben die Amerikaner oft so einseitig getan, dass Herausforderer keine Chance hatten. Aber dem Milliardär scheint es jetzt nicht mehr nur allein um den Sieg zu gehen. Zweimal ist ihm das nämlich schon gelungen. Spannender als bei der 9:8-Aufholjagd 2013 kann es nicht werden.
Inzwischen hat sich Ellison an die Spitze einer technischen Revolution gesetzt, die den gesamten Segelsport ergriffen hat. Heutzutage fliegen Boote auf Hydrofoils über das Wasser, das sind Tragflügel, die den Rumpf des Boots mit zunehmender Geschwindigkeit aus dem Wasser heben. Das verringert den Wasserwiderstand und ermöglicht es diesen Booten, doppelte Windgeschwindigkeit zu erreichen.
Ellison hat den Wechsel von den langsamen Einrumpf-Jachten zu Hochgeschwindigkeits-Katamaranen durchgesetzt, bei deren Entwicklung es 2013 sogar schon zu einem Todesopfer unter den Seglern gekommen ist. Zwar kentern die auf zwei Rümpfen gleitenden Katamarane nicht so leicht wie herkömmliche Boote. Andererseits sind sie aber auch wesentlich schwieriger wieder aufzurichten, wenn sie einmal gekentert sind. Genau das wurde dem Segler Andrew Simpson 2013 zum Verhängnis, als er unter seinem Boot gefangen war. Ellison ist jedoch inzwischen zuversichtlich, die Gefahren im Griff zu haben. Er plant die Erschaffung einer stabilen Rennserie nach dem Vorbild der Formel 1. Damit könnte er sich ein Denkmal setzen.

35. America's Cup: Vorsprung durch Technik
Doch diese Motivation nehmen ihm nicht viele ab. Und wie üblich gab es Ärger, als Ellison und Coutts 2015 die Regeln für die neuen Boote kurzfristig änderten, von 62 auf 50 Fuß verkleinerten und kostengünstigere Einheitsmaterial-Elemente einführten. Der italienische Modezar Patrizio Bertelli (Prada) hatte schon viel Geld in das neue große Design investiert und stieg wutentbrannt aus. Aber die anderen vier Herausforderer begrüßten die Einführung der kleineren Boote überwiegend. Mit den Japanern vom Softbank-Team kam sogar ein neuer potenter Herausforderer dazu.
Die ersten drei Teams haben zweieinhalb Monate vor dem Start der offiziellen Cup-Regatten ihre neuen Rennjachten zu Wasser gelassen, und es ist längst klar, dass dieser 35. America's Cup in die Geschichte eingehen wird. Das liegt besonders an den spektakulären Sportgeräten. Die AC50 sind zwar 7,5 Meter kürzer als ihre Vorgänger von 2013, aber die permanent fortschreitende Tragflächentechnik macht sie zu den schnellsten Segelbooten der Geschichte.
Bei entsprechenden Windbedingungen werden sich die Katamarane während des gesamten etwa 20-minütigen Rennens aus dem Wasser heben und dauerhaft zwischen 80 und 100 km/h erreichen.
Die Energie für die Bedienung des starren Segelflügels und der Unterwasser-Tragflächen müssen die sechs Segler an Bord selbst erzeugen. Sie bedienen Kurbeln und speisen Hydrauliksysteme. Das erfordert physische Ausnahmeleistungen, denn diese Arbeit ist extrem anstrengend. Deshalb haben die Rennställe einzelne Hochleistungssportler aus anderen Disziplinen angeheuert. Hoch dekorierte Kanuten, Ruderer und Schwimmer arbeiten im Maschinenraum. Vier Grinder bedienen die Winden für die Segel und den Baum. Sie bringen mit den Armen 1200 Watt Energie auf.
Neuseeländer verpflichteten Olympia-Bronze-Radsportler
Die Neuseeländer gehen einen anderen Weg. Sie haben überraschend die Verpflichtung eines Olympia-Bronze-Radsportlers bekanntgegeben. Auf ihrem lange geheim gehaltenen Boot wird Bein- statt Armkraft an den Kurbeln favorisiert. Vier Segler sitzen im Sattel und treten in die Pedale. Im Mai wird sich zeigen, ob diese Design-Innovation ausreicht, um den Cup diesmal zu gewinnen.
Es ist schwer zu glauben. Denn mindestens drei besser ausgestattete Rennställe haben die vermeintlich klügeren Köpfe verpflichtet. Neben Cup-Verteidiger Oracle-Team USA haben das schwedische Artemis-Team und Land Rover Bar aus England die größten Ressourcen. Das Budget der Briten wird auf über 120 Millionen Euro geschätzt. Die Regierung förderte das Projekt mit 7,5 Millionen Euro.
Die Design-Abteilung umfasst 50 Spezialisten aus der Aero- und Hydrodynamik, Strukturanalyse oder Computersimulation. Pro Trainingsfahrt in Bermuda werden mithilfe von 190 Sensoren auf dem Boot 16 Gigabyte große Datenpakete erstellt, um daraus Anpassungen für Konstruktion und Trimm vorzunehmen.
Telemetrie ist Trumpf. Das Prinzip entspricht der Formel 1: Unmengen von technischen Daten werden während der Regatten gesammelt und drahtlos übertragen, um die Leistungsfähigkeit zu optimieren. Auch deshalb hat bei den Briten Martin Whitmarsh die Chefrolle übernommen, der zuletzt McLaren Mercedes führte. Der 58-Jährige versucht nicht nur, die Regatta 166 Jahre nach der Niederlage gegen die Amerikaner zu gewinnen. Whitmarsh ist auch Vermittler zwischen den Teams, die erstmals eine regelmäßige Rennserie realisieren wollen.
In Bermuda muss sich zeigen, ob die rasenden Katamarane tatsächlich das Potenzial haben, zu begeistern. Viele glauben daran, dass danach eine neue Zeitrechnung für den Segelsport beginnt.