TV-Coup Sat.1 überträgt ab sofort die Tour de France
Hamburg - Der Sender teilte heute Mittag mit, ProSiebenSat.1 habe soeben die Rechte für die Live-Berichterstattung der Tour de France erworben. "Sat.1 steigt mit sofortiger Wirkung in die Berichterstattung ein", hieß es in einer Pressemitteilung. Seit 15 Uhr überträgt der Sender die elfte Etappe. Zuvor hatten ARD und ZDF die Rechte für 2007 zurückgegeben. Das sagte ein ARD-Sprecher dem sid.
Erst daraufhin habe der private Konkurrent das Paket als Sublizenznehmer erwerben können. Weiter bei ARD und ZDF lägen die Rechte für die Tour 2008, eine Option für die Rechte 2009 sei nicht gezogen worden, so der Sprecher. SPIEGEL ONLINE erfuhr: Der Privatsender hatte bereits gestern Nachmittag um 14 Uhr die Verhandlungen mit der Tourorganisation Aso um die Übertragungsrechte aufgenommen.
Sat.1 ersetzt als übertragender Sender die beiden öffentlich-rechtlichen Anstalten ARD und ZDF, die gestern ihren vorläufigen Ausstieg aus der Berichterstattung über die Tour de France verkündet hatten. Sie hatten mit ihrem drastischen Schritt auf die Doping-Anschuldigungen gegen T-Mobile-Profi Patrik Sinkewitz reagiert, der nach Mitteilung der Nationalen Anti-Doping-Agentur Nada bei einer Trainingskontrolle am 8. Juni positiv getestet worden war.
Für Sat.1 werden N24-Sportchef Timon Saatmann und Ex-Radprofi Mike Kluge kommentieren. "Ich bin sehr froh, dass wir so kurzfristig eines der weltgrößten Sportereignisse zeigen können. Alle, die dem Radsport verbunden sind, haben eine gute Berichterstattung verdient", sagte Sat.1-Chef Matthias Alberti. Der Sender wird nach Informationen von SPIEGEL ONLINE heute entscheiden, inwieweit freie Mitarbeiter von ARD und ZDF für Sat.1 tätig werden könnten. Die in Frankreich aufgekommenen Gerüchte um ein Comeback des einstigen ARD-Sportchefs Hagen Boßdorf bei dem Privatsender wurden von der Sat.1-Pressestelle gegenüber SPIEGEL ONLINE jedoch dementiert.
Erfahrungen des Senders mit Radsportberichterstattung liegen lange zurück - sind aber vorhanden: 1999 war die Wiederauflage der Deutschland-Tour bei Sat.1 zu sehen, auch Pläne für einen Einstieg in die deutlich größere Tour de France soll es damals schon gegeben haben. Wie viel das Unternehmen für den heutigen Fernsehcoup bezahlen muss, ist noch nicht bekannt - und wird womöglich auch nicht bekannt werden. Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE gibt es im Vertrag zwischen Sat.1 und der Aso eine Klausel, wonach der Sender den Preis für die Übertragungsrechte nicht öffentlich bekannt geben dürfe. ARD und ZDF hatten sich die Tour-Rechte jährlich 2,6 Millionen Euro kosten lassen.
Einzelzeitfahren auf ProSieben
Im Umkehrschluss bedeutet das Engagement des privaten Konkurrenten wohl das endgültige Aus für ARD und ZDF bei der diesjährigen Tour. Den Übertragungsteams der Öffentlich-Rechtlichen droht der Verlust sämtlicher Akkreditierungen. N24 wird an allen Renntagen um 19.30 Uhr eine halbstündige Tageszusammenfassung zeigen. Das Einzelzeitfahren am Samstag, 21. Juli, werde wegen der Sat.1-Übertragung des Fußball-Ligapokals auf ProSieben zu sehen sein.
Schlagzeilen sind dem Privatsender nun aufs Neue garantiert - allerdings in einem anderen Zusammenhang als Anfang der Woche: Da war durch einen SPIEGEL-Bericht bekannt geworden, dass Sat.1 ab sofort seine Nachrichten einstellt. Betroffen sind die Sendungen "Sat.1 am Mittag" und "Sat.1 am Abend". Um die Rendite des Unternehmens von 22 auf 30 Prozent zu steigern, sollen rund 180 Arbeitsplätze beim Medienkonzern ProSiebenSat.1 auf der Kippe stehen, ein Drittel davon bei Sat.1.
ProSiebenSat.1-Chef Guillaume de Posch hatte jedoch dementiert, dass die geplanten Entlassungen auf Druck der Finanzinvestoren KKR und Permira erfolgen sollen. "Die Entscheidung über sämtliche Maßnahmen ist alleine vom Management der Gruppe getroffen worden", sagte Posch auf der Hauptversammlung. Dies betreffe sowohl die Programmreform bei Sat.1 als auch die Sparmaßnahmen in der Gruppe. Durch den weiteren Ausbau der Geschäftsaktivitäten würden mittelfristig wieder Stellen aufgebaut.
goe/sid/dpa