Im Treppenhaus ist er konkurrenzlos: Thomas Dold, weltbester Treppenläufer, hat alle großen Wettbewerbe gewonnen. Im Achim-Achilles-Interview spricht er über seinen ungewöhnlichen Sport, Probleme mit Eingangstüren - und seinen Angriffsplan für den höchsten Wolkenkratzer der Welt.
Laufspezialist Dold: "Treppenlaufen ist schon lange keine Nischensportart mehr"
Foto: Richard Drew/ AP
Frage: Herr Dold, Sie hören sich kurzatmig an. Trainieren Sie gerade?
Thomas Dold: Ja klar! Ich sitze seit 13 Minuten auf dem Ergometer. Stört Sie das?
Frage: Strampeln Sie ruhig weiter, solange Sie genügend Puste haben um zu antworten.
Dold: Das ist kein Problem, ich bin bei moderaten 180 Watt und es liegen noch zwei Stunden Training vor mir.
Frage: Erklären Sie uns bitte, wie es bei einem Treppenlauf, der einen Massenstart hat, zugeht.
Dold: Die Startposition ist entscheidend. Die Besten aus dem Vorjahr stehen vorne. Auf den ersten Metern bis zur ersten Stufe des Treppenhauses muss man Vollgas laufen.
Frage: Warum ist das so wichtig?
Dold: Sonst steckt man im Nadelöhr fest: der handelsüblichen Eingangstür. Mit über drei Stufen pro Sekunde geht es dann die ersten Stockwerke hoch. Der Puls steigt synchron zu den Höhenmetern. Nach 20 Stockwerken rast er schon, dass man ihn im ganzen Körper spürt.
Frage: Und dann fängt es an, weh zu tun?
Dold: Spätestens bei Stockwerk 50, kurz nach Halbzeit, ist jeder so platt, dass er eine Pause bräuchte. Ab da zählt nur noch der Wille. Hier entscheidet sich die Platzierung und ob es eine schnelle Zeit wird.
Frage: Wie reagieren Menschen, wenn Sie erzählen, dass Sie der schnellste Treppenläufer der Welt sind?
Dold: Die meisten sind gar nicht so verwundert, wie man es erwartet. Das Treppenlaufen ist schon lange keine Nischensportart mehr.
Frage: Ach nein?
Dold: Nein, denn im Grunde ist jeder ein kleiner Treppenläufer. Wer sich im Alltag für die Treppe und gegen den Aufzug entscheidet, wird bald einen unglaublichen Trainingseffekt feststellen, besonders am Hintern und an den Oberschenkeln.
Frage: Mit Verlaub, das Treppenlaufen ist doch trotzdem eine exotische Sportart.
Dold: Auch Fußballer, Boxer und Biathleten trainieren an der Treppe. Wenn man es auf die Spitze treibt, ist man eben Treppenläufer. So gesehen ist es kein exotischer Sport, sondern nur die Spitze des Eisbergs einer großen Bewegung.
Frage: Sie haben jeden bedeutenden Treppenlauf mehrfach gewonnen. Wird das nicht auf Dauer langweilig?
Dold: Segen und Fluch liegen da nah beieinander. Meinen Gegnern fällt es mit Sicherheit leichter, sich zu motivieren, denn sie haben mich als Feindbild. Ich setze meine Motivationsreize, indem ich mich an meinen eigenen Zielen und Vorgaben messe. Ständig nur die Gegner zu besiegen, ist auf Dauer nicht befriedigend. Ich will noch schneller und besser werden.
Frage: Reicht es, sich nur über bessere Zielzeiten zu motivieren?
Dold: An der grundsätzlichen Motivation, als Erster auf dem Dach anzukommen, hat sich nichts geändert. Die Aufregung ist bei meinem ersten Empire State Building Run Up genauso stark gewesen wie
bei meinem fünften Sieg. Ich trainiere monatelang, um dort an der Startlinie zu stehen und in der kürzestmöglichen Zeit im Ziel zu sein.
Frage: Waren Sie schon im Treppenhaus des Burdsch Chalifa in Dubai, dem mit 828 Metern größten Hochhaus der Welt?
Dold: Nein, noch nicht. Aber ich will natürlich gerne mal hin - das ist der Turm!
Frage: Wie lange würden Sie brauchen, um hochzusprinten?
Dold: Das kommt darauf an, wie das Treppenhaus gebaut ist: Ich müsste wissen, ob das Treppenhaus durchgängig ist und ob es Flachstücke gibt. Aber da es knapp doppelt so hoch ist wie das Empire State Building, denk ich, dass ich nach 20 Minuten oben wäre - atemlos.