Achilles' Verse Miese Marathon-Mythen

Teilnehmer des Chicago-Marathons: Ständig zu viel gelaufen
Foto: Nam Y. Huh/ APWas muss es den armen Griechen dreckig gehen, wenn sie schon den FDP-Chef vergangene Woche wie einen Heilsbringer empfangen? Das horrende Wachstumsminus in 2011 ist ja nicht schön für Athen. Aber ob einer wie der arme Phillip Rösler der ideale Ratgeber ist? Immerhin: Die Griechen-Krise birgt die Chance, sich mal ehrlich zu machen, nicht nur wirtschafts- und finanzpolitisch. Auch mit ein paar anderen Schlampereien könnte man gleich aufräumen, den ganzen Marathon-Mythen zum Beispiel.
Hartnäckig hält sich die Legende, ein Marathon ginge über 42 Kilometer und 195 Meter. Völliger Unsinn, da sind sich die Geschichtsschreiber ausnahmsweise einig. Vom Küstenstädtchen Marathonas, wo die Athener im Jahre 490 vor Christus die Perser besiegten, bis auf den Hügel Pnyx gleich neben der Akropolis, wo Pheidippides den Sieg meldete, sind es nur etwa 37 Kilometer. Seit über 100 Jahren laufen also Millionen Menschen jeden Sonntag in irgendeiner Großstadt fünf Kilometer zuviel. Das ist ein Skandal.
Umso rätselhafter bleibt, warum der gute Pheidippides nach dieser eher mitttleren Trainingsdistanz zusammenbrach. Der laufende Bote galt als Zierde seines Volkes, ausdauernd, schlau und schnell, denn er musste sich nicht nur mit der Strecke, sondern auch mit wilden Tieren, Räubern und ungenügender Pronationsstütze in den Rennsandalen herumschlagen. Von wegen Gel-Dämpfung, Luftpolster und Kompressionssocken.
Herodot, führender Chronist der Griechisch-Persischen Kriege, erklärt, warum der Bote tatsächlich kollabierte: Demnach rannte Pheidippides zuvor von Athen nach Sparta, um die durchtrainierten Herrschaften dort um Militärhilfe zu bitten. Die Spartaner allerdings fühlten sich gerade nicht so recht; der Mond stünde ungünstig, ließen sie wissen. Seit wann glauben Männer an Mondphasen? Der Verdacht liegt nahe, dass die Spartanerinnen ihren Männern die Keilerei schlichtweg untersagt hatten.
Da darf man schon mal tot umfallen
Wenn Pheidippides aber von Athen nach Sparta (200 Kilometer), dann nach Marathonas und zurück zur Akropolis gewetzt ist, hatte er um die 470 Kilometer in den Beinen, was selbst einen geübten Ausdauersportler an seine Grenzen bringt. Da darf man schon mal tot umfallen.
Was lernen wir daraus? Die Mortalitätsquote beim Marathon ist in den vergangenen 2500 Jahren trotz illegal verlängerter Strecke deutlich gesunken. Wenn man 37 und 42 nicht auseinander halten kann, darf man sich über widersprüchliche Bilanzen nicht wundern. Und wenn die Perser damals gewonnen hätten, gäbe es heute den ganzen Euro-Ärger nicht.
Mit dem Schuldenschnitt sollte man in Athen den Marathonschnitt gleich mitmachen. Welch ein Potential da schlummert: schlagartig neue Bestzeiten, weniger Getränkestände, höhere Zuschauer- und Werbebannerdichte, weniger gesperrte Straßen. Billiger, schneller, voller, so kommt jede Ökonomie in Schwung. Und eine Zeit unter vier Stunden wird so selbst für mittelbegabte Läufer endlich möglich.
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