Achilles' Verse Typen-Vielfalt beim Lauftreff

Im Ameisenstaat wird kooperativ gearbeitet, auf dem Pavianfelsen regiert das prallste Hinterteil. Aber wer hat beim Lauftreff das Sagen? Achim Achilles hat sich der Soziologie des gemeinsamen Ausdauertrainings angenommen und elf Läufer-Typen ausgemacht.
Pavian-Gruppe: Auch der Lauftreff hat seine Soziologie

Pavian-Gruppe: Auch der Lauftreff hat seine Soziologie

Foto: DDP

Ralf, die Rennratte
Ein mageres Kerlchen, um dessen spillerige Beine selbst die XS-Hose noch schlackert. Spricht nicht viel, will einfach nur rennen. Seit 20 Jahren der Alptraum jeder Trainingsgruppe, weil er immer schneller ist als alle anderen. Schwer integrierbar, weil krankhaft leistungsgeil und den anderen immer 100 Meter voraus. Lebt seit Jahren mit zwölf Paar Laufschuhen, einem Rechner voll Excel-Tabellen und einem Atemmuskeltrainer zusammen.

Akquise-Armin
Meist Strukturvertriebler oder Scheidungsanwalt, der neue Kunden sucht. Lässt sich beim Waldlauf zurückfallen, um diskret ein Gespräch anzubahnen über renditestarke Geldanlagen oder nervende Ehepartner, die kein Verständnis für läuferischen Ehrgeiz aufbringen. Hält im Auto zufällig allerlei Formulare bereit, die der Lauf-Kollege nur noch zu unterschreiben braucht. Ist nach sechs Monaten, spätestens aber bei der nächsten Finanzkrise urplötzlich verschwunden.

Der preußische Peter
Untalentiert, aber fleißig, ideale Füllmasse jeder Gruppe. Kommt jeden Samstag schon eine halbe Stunde vor dem Training, um ausgiebig zu stretchen, die Beine mit Latschenkieferöl einzureiben und das Gefühl zu genießen, der Eifrigste zu sein. Arbeitet Trainingspläne  pulsschlaggenau ab. Wird beim Schluss-Sprint trotzdem abgehängt, weil ihm das Killer-Gen fehlt. Fühlt sich im Ziel trotzdem prächtig, weil er exakt im vorgeschriebenen Pulsbereich geblieben ist.

Hormonika
Sieht trotz peniblen Makeups immer ein wenig verheult aus. Schwitzt nicht, riecht nicht, redet nicht. Trabt tapfer im hinteren Drittel. Will eigentlich Leute treffen, zuckt aber zusammen, sobald sie angesprochen wird. Das Altrosa steht ihr gut; verbirgt im Flaschenhalfter neben Papiertaschentüchern und Kajal ihre Depressionspillen.

Zatopek
War mal richtig gut, allerdings kurz nach dem Krieg. Zäher Knochen mit angewachsenem Dauergrinsen, das Spaß am Laufen suggerieren soll, obgleich seine Hüftgelenke quietschen wie Hundespielbälle. Gibt jeden Samstag die gleichen Kommentare wie "Hohe Knie - hohes Tempo" oder "Wenn nichts wehtut biste tot". Rackert wie ein Grubenpferd, um nur nicht in die Seniorengruppe abgeschoben zu werden.

Bagger-Bernd
Dauergast bei jeder Fisch-sucht-Fahrrad-Party, deswegen hat er sein Revier auf den Lauftreff ausgeweitet. Sucht die Damen mit aggressivem Bussibussi heim. In seiner Abwindfahne droht Bewusstlosigkeit wegen Überdosis Aftershave. Mit gefährlich enger Hose und rasierten Solariumsbeinen immer wieder gute Unterhaltung. Die Frauen grienen, gehen aber trotzdem mit ihm Kaffee trinken.

Raketen-Renate
Die von der Leyen des Lauftreffs. Makellose Erscheinung, strahlendes Lächeln, auch nach dem härtesten Intervall-Training sitzt die angefrechte Hartfaserfrisur perfekt. Lässt die Männer lächelnd hinter sich, doziert über den Wert ballaststoffreicher Ernährung und gibt auf Anfrage wertvolle orthopädische Ratschläge bei Beckenschiefstand, Arthrose und mentaler Auszehrung. Perfektion, die Angst macht.

Technik-Theo
Ingenieur oder Software-Experte. Wird jeden Samstag bestürmt von Sportsfreunden, die ein Vermögen für die neue GPS-Uhr  ausgegeben haben, aber nicht mal das Datum einstellen können. Im Prinzip praktischer Zeitgenosse, wenn nur die anstrengenden Monologe über Geodaten-Algorithmen nicht wären.

Killer-Kevin
Jung, schlank, straff, schnell. Hat bei gestandenen, mittelalten Genussläufern eigentlich nichts zu suchen. Will sich offenbar bei läuferischem Fallobst moralisch aufbauen. Umkreist die Laufgruppe bevorzugt an giftigen Steigungen wie ein Hütehund und quatscht unablässig während alle anderen nur noch pfeifen. Betrachtet demonstratives Anschweigen als Aufforderung, noch mehr zu labern.

Comeback-Kurt
War ein Vierteljahr in der Reha wegen eines Ermüdungsbruches im Schienbein. Glänzt durch interessante Schilderungen seiner Arztbesuche. Obgleich der Trainer ihm eindringlich geraten hat, langsam anzufangen, gibt er gleich wieder Vollgas. Leicht glasige Augen, wohl von den Wechselwirkungen, die die gleichzeitig eingenommenen Entzündungshemmer und Schmerzpillen auslösen. Leider nur vier Wochen dabei, bis seine Achillessehne gerissen ist.

Die jammernde Jutta
Ihr ist es immer zu heiß, zu kalt, zu nass, zu trocken, zu schnell, zu weit, zu Fuß. Warum um Himmels willen ist sie jeden Samstag wieder da? Klar, damit sie jammern, maulen und meckern kann. Verweigert sich beharrlich dem positiven Denken, das der Läufer so angestrengt übt. Aber eigentlich hat sie ja Recht.

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