America's Cup Oracle legt vor, Neuseeland schlägt zurück

America's Cup: Oracle legt vor, Neuseeland schlägt zurück
Foto: AFP"Jetzt ist der Zeitpunkt, hinter uns zu stehen", hatte James Spithill, der Skipper des US-amerikanischen Oracle-Teams, zuletzt gebetsmühlenartig betont. "Jetzt brauchen wir den Heimvorteil, die Unterstützung aus San Francisco und den USA."
Die Amerikaner mögen keine Verlierer, aber sie lieben den amerikanischen Traum. Die Stimmung in San Francisco hat sich gedreht, seit das Oracle-Team beginnt, Rennen zu gewinnen. Die Menschen strömen zu den Aussichtspunkten, lassen ihre Flaggen wehen, skandieren USA-Rufe.
Tatsächlich: Je länger der America's Cup dauert, desto spannender werden die Rennen. Am Sonntag öffnete die San Francisco Bay, das schönste Segel-Amphitheater der Welt, den Vorhang für die bisher aufregendste Segelshow dieses America's Cup.
Oracle zeigt sich stark verbessert
Das "Heimteam", bei dem nach dem Rauswurf des US-Taktikers John Kostecki nur noch ein Amerikaner an Bord ist, machte sich am sechsten Renntag bereit, die Pleitenserie zu stoppen und den ersten Pluspunkt zu holen. Die Vorstellung des stark verbesserten Oracle-Syndikats am Vortag hatte die Hoffnung aufkeimen lassen, dass es trotz großen Rückstands tatsächlich zu der von Spithill beschworenen Aufholjagd kommen könnte.
Der Oracle-Skipper war im neunten Rennen denn auch von Beginn an voll da. Er legte die bisher beste Renneröffnung dieser Serie hin und trieb das Team New Zealand so brutal aus der Startbox, dass er es fast an der rechten Begrenzungstonne abstreifte.

Fotostrecke: Mit 40 Knoten durch die Bucht
Zwei Bootslängen Vorsprung reichten der Oracle-Truppe am Ende aus. Spithill kann auf dem Wasser deutlich selbstsicherer auftreten, seit die Ingenieure mehr Speed ins Boot geschraubt haben. Er muss keinen großen Start-Vorsprung herausarbeiten. Er kann sich auch auf dem Kurs gegen die Neuseeländer wehren.
Tatsächlich waren die Neuseeländer in Rennen neun chancenlos. Auf den drei langen Bahnschenkeln verloren sie jeweils rund 14 Sekunden. Die Amerikaner haben ihre Wendetechnik kopiert und schieben bei der Drehung durch den Wind jetzt sichtbar nur noch einen der beiden Rümpfe durch das Wasser.
New Zealand schlägt im zehnten Rennen zurück
Es kam somit auf das nächste, das zehnte Rennen an. Die gesamte Serie stand auf der Kippe. Viele erwarteten jetzt den angekündigten Durchmarsch des US-Teams. Es entwickelte sich das vermutlich spannendste Rennen der gesamten America's-Cup-Geschichte.
Spithill griff vom Start weg geschickt an, drückte den Gegner tief nach Lee, nahm ihm den Platz zum Beschleunigen. Im letzten Moment erst kam der Neuseeländer noch aus der Ecke und hielt beim Hochgeschwindigkeitsstück zur ersten Wendemarke konzentriert dagegen.
Oracle fehlten nur wenige Zentimeter, um vorbei zu rutschen. Die Neuseeländer protestierten per Knopfdruck, die Schiedsrichter wiesen den Protest zurück, aber das Team startete trotzdem mit einem klaren Vorteil auf den ersten Vorwindkurs. Ein weiterer Fehler am Leetor schien das Schicksal der Amerikaner zu besiegeln. Dennoch entwickelte sich erneut eine rasante Aufholjagd.
Die Neuseeländer haben sich von der engen Boot-zu-Boot-Verteidigungsstrategie der ersten Rennen verabschiedet. Sie wissen mittlerweile, dass Oracle jetzt viel besser wendet und auch ein Wendeduell gewinnen könnte. Das funktioniert am Anfang sehr gut, sieht sehr selbstbewusst aus, birgt aber Gefahren. Tatsächlich egalisierte Oracle am Ende der Kreuzstrecke gegen den Wind mit einem Schlag wie aus dem Nichts einen 100-Meter-Rückstand. Strömung und Wind machten den Unterschied. Die Amerikaner lagen plötzlich vorne.
Es folgte ein heftiger Schlagabtausch, bei dem in kürzester Zeit dreimal die Führung wechselte. Gleichzeitig passierten beide Katamarane das Luvtor, Oracle links, Neuseeland rechts. Aber die Neuseeländer erkämpften sich dadurch für das nächste entscheidende Aufeinandertreffen vor dem Wind die wichtige Vorfahrt.
Mit jeweils 40 Knoten rasten die beiden Geschosse aufeinander zu. Oracle-Taktiker Ben Ainslie sagte einen taktischen Schlenker an, um knapp am Heck des Gegners vorbeizupreschen und die Seite zu wechseln. Aber dieses Manöver misslang vollkommen. Game over.
So enge Zweikämpfe sind auch die besten Segler der Welt noch nicht bei 40 Knoten (etwa 74 Stundenkilometer) Speed gesegelt. Auch für sie ist diese Art der Hochgeschwindigkeitstaktik völliges Neuland. "Wir sitzen hier auf Booten, die längst nicht zu Ende entwickelt sind", sagt Spithill. "Wie in jedem Rennsport, etwa in der Formel 1 oder Moto GP muss man permanent neu lernen, wie die Geräte zu fahren sind." Viele Szenarien werden mit den Coaches theoretisch durchgespielt. Aber in der Realität passieren auf diesen Höllenmaschinen noch viele Fehler.
"Das war so wichtig, nach dem ersten verlorenen Rennen zurückzuschlagen", sagte Neuseelands Skipper Dean Barker nach dem Rennen. Die Neuseeländer haben viel von ihrer bisherigen Überlegenheit eingebüßt. Aber Oracle ist technisch längst nicht vorbeigezogen. Beide Teams liegen unglaublich eng beisammen und können Rennen gewinnen. Aber den Neuseeländern fehlen eben nur noch zwei Siege, Oracle muss noch acht Mal punkten.
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