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America's Cup in San Francisco: Vom Winde verweht

Foto: Monica M. Davey/ dpa

Oracle-Teamchef Coutts Ein Neuseeländer sorgt für den "Kiwi-Schock"

Sie lagen schon 8:1 vorne - und müssen doch ins Entscheidungsrennen: Das Team Neuseeland erlebt im America's Cup derzeit einen Alptraum. Bei Gegner Oracle ist die Stimmung nach der fulminanten Aufholjagd hingegen blendend. Hinter dem Erfolg steht ein Neuseeländer.

Hamburg - In seiner Heimat ist Sir Russell Coutts derzeit ziemlich unbeliebt. In Neuseeland, wo täglich fast die Hälfte der 4,4 Millionen Einwohner den America's Cup in San Francisco am Fernseher verfolgt, wird Coutts gehörig verflucht. Dabei ist er eine neuseeländische Segler-Legende.

Doch derzeit sehen seine Landsleute in ihm nur eines: den sportlichen Feind. Denn Coutts ist Teamchef beim Neuseeland-Gegner Oracle und als solcher natürlich mitverantwortlich für die beeindruckende Aufholjagd zum 8:8 des Cup-Verteidigers. Team Neuseeland hat eine sicher geglaubte 8:1-Führung und sieben Matchbälle verspielt. Der Herausforderer droht am Mittwochabend (22.15 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE) auch das entscheidende Rennen zu verlieren - und damit den America's Cup.

Coutts und der America's Cup - das ist eine Erfolgsgeschichte: Der prestigeträchtige Wettbewerb ist seit fast zwanzig Jahren fester Bestandteil seines Lebens. Viermal hat der 51-Jährige die Trophäe bereits gewonnen: 1995 und 2000 für Neuseeland, 2003 mit dem Team Alinghi für die Schweiz (ausgerechnet vor der neuseeländischen Küste) und zuletzt 2010 für die USA mit Oracle. Kein Wunder also, dass der Software-Milliardär und Teambesitzer Larry Ellison den Olympiasieger angeblich jährlich mit einem zweistelligen Millionenhonorar entlohnt.

Wegen seines Wechsels 2003 zu Alinghi war Coutts von seinen Landsleuten als "Verräter" tituliert worden. Vor seinem Abgang installierte er noch seinen Kronprinzen: Dean Barker, der heute noch Skipper bei den Neuseeländern ist. Im letzten Rennen beim America's-Cup-Sieg 2000 ließ er den elf Jahre Jüngeren ans Steuer - und hievte dann anschließend gemeinsam mit Barker die 18 Kilo schwere Trophäe gen Himmel.

"Könnte kaum glücklicher sein"

Coutts ist der Strippenzieher des Oracle-Teams, er arbeitet meist hinter den Kulissen. Auf dem Wasser steuert James Spithill das Boot, als genialer Taktiker hat sich Ben Ainslie erwiesen, selbst vierfacher Olympiasieger. Der 36-jährige Engländer gilt als das Gehirn hinter dem spektakulären Comeback des Oracle-Teams. "Ich könnte kaum glücklicher sein mit der Entwicklung des Finals", sagt er.

Coutts freut sich natürlich auch, hatte er sich doch neben seinem Boot als Sieger von 2010 auch um die Vorbereitung des Wettbewerbs kümmern müssen - und dabei ging vieles schief: Für seine radikalen Veränderungen, die er als "Sprung aus dem Flintstones-Zeitalter hinein in die Facebook-Generation" beschrieb, hatte er viel Kritik einstecken müssen. Die Herausfordererserie, in der sich Team Neuseeland durchsetzte, war geprägt durch Langeweile. Nur drei und nicht die von Coutts erhofften zehn bis zwölf Teams bildeten aufgrund der enormen Projektkosten die überschaubare Flotte.

Es folgten der tragische Tod des Olympiasiegers Andrew Simpson in Folge eines Trainingsunfalls, Sicherheitsdebatten, Zuschauermangel und eine unzufriedene Gastgeberstadt San Francisco. Schließlich wurden die Amerikaner auch noch beim Schummeln erwischt und mit zwei Minuspunkten für das Cup-Duell bestraft. Und dann verloren sie auch noch acht der ersten elf Rennen.

Doch was niemand für möglich hielt, das gelang Coutts, Ainslie und Skipper Spithill: Sieben Punkte in Folge holte Oracle - das Comeback. Das Match zwischen Neuseeländern und Amerikanern ist mit 19 Tagen bereits das längste in der Cup-Geschichte.

Coutts hatte vor dem Aufeinandertreffen der beiden Cup-Giganten gesagt: "Auf beiden Seiten lastet enormer Druck, denn es ist für beide eine Art Überlebenskampf. Für den Verlierer kann es das Ende des Teams bedeuten."

Nun könnte also ein Neuseeländer für das Aus des Teams Neuseeland sorgen.

bka/dpa/sid
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