America's-Cup-Sieger Oracle Erst Schufte, dann Helden

America's-Cup-Sieger Oracle: Erst Schufte, dann Helden
Foto: Mathew Sumner/ AFPFür diesen Moment hat sich alles gelohnt. Es ist der Moment, als Larry Ellison die älteste Sporttrophäe der Welt in den Himmel reckt. Dieser Nervenkitzel des knappsten aller Ergebnisse, des Sieges im Alles-oder-nichts-Rennen, beim unglaublichen Comeback nach einem 1:8-Rückstand - er erzeugt Emotionen, die mit Geld nicht zu kaufen sind. Selbst für den fünftreichsten Menschen der Erde nicht.
Oracle, der Katamaran Ellisons, hat den America's Cup doch noch gewonnen.
Und doch ist es für viele Segelfans ernüchternd, dass bei diesem epischen Duell der beiden besten Segelteams der Welt schließlich das Budget den Unterschied ausgemacht hat. Das 19 Tage währende Märchen America's Cup war auch deswegen so schön, weil das Segelteam aus dem kleinen Neuseeland den übermächtigen Milliardär zu besiegen schien.
Ellison hatte als Titelverteidiger zuvor seine gestalterische Macht radikal ausgenutzt. Er schickte die schweren, schmalen Kielyachten in Rente, die 2007 in Valencia noch für ein schönes Spektakel gesorgt hatten. Ellison wollte mit den schnellsten Segelyachten der Welt einen neuen Fernsehsport kreieren. Er wollte junge Athleten. Er wollte die Facebook-Generation zum Zusehen bewegen.
Oracle startet als Bad Boys

Fotostrecke: Greatest Comeback on Earth
Aber schnell wurde klar, dass die ultraschnellen AC72-Katamarane mit ihren 40 Meter hohen starren Flügelmasten viel zu teuer waren. Welches Team sollte diesen Aufwand bezahlen können? Von ehemals zwölf interessierten Herausforderern blieben drei übrig. Nur die Milliardäre Tornquist (Team Artemis, Schweden) und Bertelli (Team Luna Rossa, Italien) wollten sich das leisten - und überraschend das kleine Neuseeland.
Die Neuseeländer holten neben treuen Sponsoren sogar den Steuerzahler mit 22 Millionen Euro ins Boot. Das Budget von 100 Millionen Euro wird auf ein Drittel der Oracle-Ausgaben geschätzt, die Personalkosten auf die Hälfte.
Die Stimmung drehte sich. Ellison wurde vorgeworfen, das Spiel bewusst so teuer zu machen, um die 162 Jahre alte Silberkanne möglichst einfach wiedergewinnen zu können. Und dann passierte der schreckliche Überschlag des Artemis-Katamarans, bei dem der britische Olympiasieger Andrew Simson starb. Der Veranstaltung drohte der Abbruch.
Die Situation verschärfte sich sogar noch, als Oracles Betrugsskandal aufgedeckt wurde. In der Show-Serie im Vorfeld hatten Oracle-Team-Mitglieder Beschläge verändert und mit Bleisäckchen den Gewichtstrimm manipuliert. Oracle musste 250.000 Dollar Strafe zahlen, bekam schon vor dem Start des America's Cup Duells zwei Punkte abgezogen.
So startete Oracle in der Rolle des Bösewichtes in die Rennen, und niemand weinte, als die Underdogs die ersten Punkte holten. Ihr Schiff zeigte in vielen Belangen einen leichten Vorteil. Besonders auf dem Kreuzkurs gelangen den Neuseeländern spektakuläre Überholmanöver.
So hatte man Segeln noch nie gesehen
Die Segelfans wunderten sich aber nicht nur darüber, sondern auch über die Attraktivität der Rennen. So hatte man Segelregatten noch nie gesehen. Ellison hatte rund 80 Millionen Dollar in die TV-Produktion gesteckt, um Linien in das Livebild zu ziehen, die Wirbelschleppen hinter den Booten oder die Strömung in der Bucht zu visualisieren. Der Plan ging auf.
Das US-Team verlor dagegen Rennen um Rennen. Auch Fehler des amerikanischen Taktikers John Kostecki schienen ein Grund zu sein. Er wurde gegen den britischen Vierfach-Olympiasieger Ben Ainslie ausgetauscht. Eine hektische Last-Minute-Entscheidung, so schien es. Ainslie war noch nie als Taktiker gesegelt. Prompt verlor Oracle zwei weitere Rennen und lag 0:6 hinten.
Aber Tag für Tag beharrte Oracle-Skipper James Spithill auf seiner Aussage, dass man das alles noch aufholen könnte.
Und plötzlich begann das US-Team zu gewinnen. Das Schiff wurde schneller. Die US-Designabteilung schien endlich die richtigen Antworten auf die wichtigsten Fragen der Segler zu finden. Warum wenden wir so langsam? Warum passt die Geschwindigkeit am Wind nicht?
Aber alle Verbesserungen halfen nicht, als New Zealand im zwölften Rennen bei wenig Wind den uneinholbaren Vorsprung von gut einem Kilometer heraussegelte. Das neuseeländische Fernsehen rief schon zur Jubelstunde für den neuen Cup-Sieger auf. Der Matchball würde klar verwandelt werden. Bis klar wurde, dass es ein Zeitlimit von 40 Minuten gibt, in denen ein Cup-Rennen beendet sein muss. Die Kiwis überschritten es um die Nichtigkeit von drei Minuten. Das Rennen wurde nicht gewertet.
Stillschweigen über das Erfolgsrezept
Zwei weitere Duelle mussten wegen zu starken Windes abgebrochen werden. Beide Male lagen die Neuseeländer vorne. Soll es vielleicht einfach nicht sein?
Was technisch am Ende genau den Unterschied pro Oracle ausgemacht hat, wollte Ellison bis zuletzt nicht sagen. Sein Skipper Spithill bekundet, dass sich das Team auf jedem Gebiet ein wenig verbessert hätte. Es gibt Gerüchte, dass neu konstruierte Tragflächen, die ausgerechnet von einem Lieferanten in Neuseeland stammen, zum neuen Turbo geführt haben könnten.
Sicher ist nur, dass die Neuseeländer im letzten Rennen keine Chance mehr hatten. Skipper Dean Barker konnte seine Tränen nicht unterdrücken, Teamchef Grant Dalton kündigte seinen Abschied an, und er hatte zuvor schon das Ende seines Teams im Falle einer Niederlage vorhergesagt. Noch einmal könne sein kleines Land einen solchen finanziellen Kraftakt nicht stemmen.
Ellison hat versprochen, der nächste America's Cup werde deutlich günstiger werden. Es wird vermutet, dass die riesigen Katamarane ins Museum wandern. Ellison hat wieder die Chance, eine neue Vision von der Zukunft des Segelsports aufzuzeigen.
