America's Cup Team New Zealand schockt Gegner Oracle

Das Team New Zealand hat seinem Rivalen Oracle beim America's Cup eine weitere schwere Niederlage zugefügt. Die Neuseeländer führen in der Gesamtwertung jetzt fast schon uneinholbar - und haben dies auch einem riskanten Manöver zu verdanken.
Team New Zealand: Langsam können sie nicht

Team New Zealand: Langsam können sie nicht

Foto: John G. Mabanglo/ dpa

James Spithill, der Steuermann des US-amerikanischen Oracle-Teams, blickte ungläubig zu seinem Kontrahenten. Sein Gegner auf dem neuseeländischen Katamaran hatte den Kurs geändert. Er zielte mit seinen roten Bugspitzen direkt auf ihn. Beide Boote rasten frontal mit 25 Knoten aufeinander zu. Eine Annäherungsgeschwindigkeit von gut 93 Kilometer pro Stunde.

Nach dem Tod von Olympiasieger Andrew Simpson in der Vorbereitung wurden bei diesem 34. America's Cup viele Maßnahmen zur verbesserten Sicherheit diskutiert, aber ein Verbot dieses aggressiven und oft gefährlichen Match Race Manövers hat man dabei offenbar übersehen. Spithill drückte zwar entgeistert auf den Protestknopf, eine rote Lampe leuchtete bei den Schiedsrichtern auf, aber gleichzeitig reagierte er geistesgegenwärtig, drehte das Rad weg vom Gegner. Eine mögliche Kollision wurde dadurch vermieden.

"Ein ziemlich aggressives Manöver", kommentiert der US-Segelexperte Ken Read vorsichtig. Es wurde noch nie in einem Rennen der großen AC72 ausgeführt. Aber die Schiedsrichter sendeten das Signal "No Penalty" auf den Bildschirm an Bord. Protest abgewiesen. Die Neuseeländer gingen aufs Ganze - und wurden belohnt. Am Ende des Tages sind sie erneut die großen Gewinner. Im Duell mit Oracle liegt das Team New Zealand jetzt schon 6:0 in Führung.

Vorsichtig können die Neuseeländer nicht

Die Ausführung dieses riskanten sogenannten Dial-Down-Manövers ist vielleicht die beste Erklärung, warum die Neuseeländer jetzt schon 6:0 Punkte und sogar 6:1 Rennen vorne liegen. Sie könnten auf dem Weg zum Cup-Sieg den sicheren Weg wählen und über Risiko-Minimierung nachdenken. Sie könnten einen Gang rausnehmen. Denn ihre Konstrukteure haben ihnen ein Schiff gebaut, das spektakuläre Überholmanöver erlaubt. Es kommt schneller um die Kurven. Es verliert weniger Geschwindigkeit bei den Wenden.

Nur eine Kollision dürfte sie noch vom Cup-Sieg abbringen. Aber vorsichtig können die Neuseeländer nicht. Sie haben bei ihrer gesamten Kampagne Vollgas gegeben. Deshalb reizen sie auch bei dem Dial-Down-Manöver auf dem ersten Kreuzkurs das Regelwerk voll aus. Sie zwingen den Gegner durch ihr Abfallen zu einem krassen Schlenker, der viel Geschwindigkeit aus dem US-Boot nimmt. Damit ist das Rennen endgültig entschieden.

Die Neuseeländer wollen nicht einfach nur vorne sein. Sie zelebrieren die komplizierte Kunst des Duell-Segelns nach allen Regeln der Kunst. Es scheint keine Situation zu geben, auf die sie nicht vorbereitet sind. "In diesem Moment war es richtig, dieses Manöver auszuführen", sagt ihr Skipper Dean Barker auf der Pressekonferenz. "Wir hatten einen klaren Plan."

Oracle hat an sich keine Chance mehr

Oracle tut diese Niederlage besonders weh. Eigentlich haben sie ihr gesamtes Potential ausgeschöpft, keinen eklatanten Fehler begangen und trotzdem verloren. Spithill schien denn auch beim nächsten Start zur zweiten Tageswettfahrt angeschlagen. Er beschleunigte zu spät und musste die Neuseeländer schon auf dem ersten Weg zur Marke passieren lassen. Danach ließ sein unterlegenes Material keinen Angriff mehr zu. Die Neuseeländer segelten ungefährdet mit über einer Minute Vorsprung auf und davon.

An einen Gesamtsieg für Oracle ist eigentlich nicht mehr zu denken. Zwar hat das Team von Larry Ellison erneut einen Tag frei, um mehr am Wind Geschwindigkeit aus dem Katamaran zu kitzeln. Aber offenbar sind die Designer ratlos.

Sie können keine großen Umbauten mehr vornehmen. So fällt auf, dass Oracle noch mit einer klassischen Fockschot arbeitet, während die Neuseeländer eine Selbstwendefock installiert haben. So bremst das flatternde Vorsegel bei der Wende. "Das hat sicher einige Nachteile", sagt Spithill. "Aber wir können nicht mal eben eine Fockschiene installieren." Die Struktur des Schiffes sei dafür nicht ausgelegt.

Etwas entspannter dürfte der geschasste Oracle-Taktiker John Kostecki die Lage am Freitag sehen. Auch ein Sir Ben Ainslie kann mit einem unterlegenen Boot keine Wunder vollbringen. Aber das ist sicher ein zweifelhafter Trost.

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