Trendwende im Kampf gegen Doping Sportpolitiker versprechen "schärferes Gesetz"

SPD-Politiker Gerster: "Deutlich schärfer gegen die Sportbetrüger vorgehen"
Foto: SPDBei den Koalitionsverhandlungen haben die Befürworter eines Antidoping-Gesetzes einen Zwischenerfolg erreicht. "Wir streben ein schärferes Gesetz gegen Doping an und wollen deutlich schärfer gegen die Sportbetrüger und ihre Hintermänner vorgehen", sagte SPD-Politiker Martin Gerster, Mitglied des Sportausschusses des Bundestages, SPIEGEL ONLINE am Donnerstag. Grundlage soll die "uneingeschränkte Besitzstrafbarkeit" sein. Das bedeutet, dass schon geringste Mengen von Dopingmitteln strafrechtliche Ermittlungen auslösen und zu Verurteilungen führen können.
Eine Unterarbeitsgruppe aus drei Sportpolitikern der CDU/CSU-Fraktion und zweien der SPD hatte bereits am Mittwoch eine erste Annäherung erzielt. "Wir wollen, dass der Besitz von Doping konsequent unter Strafe gestellt wird. Doping vergiftet den Wettbewerb, deshalb bin ich froh, dass wir es wahrscheinlich schaffen werden, eine konsequente Bestrafung des Besitzes von Doping zu bewirken", sagte Thomas Oppermann, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD. Dabei hatte er sich noch unentschlossen gezeigt, ob dies im Rahmen eines neuen Gesetzes oder durch eine Verschärfung der bisherigen Regelungen erfolgen solle. Nun ist die große Koalitionsrunde einen entscheidenden Schritt weiter gegangen.
Die uneingeschränkte Besitzstrafbarkeit gibt es bislang nicht. Dies ist ein Hindernis für die Ermittler der Münchner Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft Doping. Sie arbeitet seit 2009, hat mehr als 2000 Verfahren eingeleitet und etwa 400 Verurteilungen wegen des Besitzes von und Handels mit Dopingmitteln erreicht. Unter den Verurteilten waren jedoch keine Spitzensportler.
Öffentlicher Druck auf den Deutschen Olympischen Sportbund
Nicht, weil die nicht dopten. Eine anonyme Befragung vor der Leichtathletik-WM 2011 soll ergeben haben, dass 29 Prozent der WM-Teilnehmer und gar 45 Prozent der Teilnehmer der Panarabischen Spiele im Jahr zuvor Dopingmittel genommen hatten. Bei einer Studie der Deutschen Sporthilfe Anfang 2013 gaben immerhin 5,9 Prozent der befragten Sportler die regelmäßige Einnahme von Dopingmitteln zu. Nicht einmal jeder Zehnte von ihnen wird erwischt, wenn man die Testergebnisse der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada) zugrundelegt.
Dass Staatsanwalt Markus Müller gegen diese Elite-Sportbetrüger nicht vorgehen kann, liegt seiner Auffassung nach daran, dass die Netzwerke hinter ihnen dafür sorgten, dass sie immer nur geringe Mengen bei sich hätten. "Sie brauchen keine Lagerhaltung", sagt Müller SPIEGEL ONLINE. Das neue Gesetz könnte dem ein Ende machen. Es solle zudem den "Schutz des sportlichen Wettbewerbs" als Grundlage haben und sich gegen Wettbetrug und Spielmanipulation richten, sagt Sportpolitiker Gerster.
Das neue Vorhaben orientiert sich in weiten Teilen an dem Entwurf, den das bayerische Justizministerium bereits 2009 vorgelegt hatte, und an dem Vorschlag der SPD-Bundesfraktion aus diesem Jahr. Dieser Koalition aus SPD und CSU scheint sich nun auch die CDU anschließen zu wollen.
Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) legte unter dem zunehmenden öffentlichen Druck - auch immer mehr Leistungssportler wie die Radprofis Tony Martin, Marcel Kittel und John Degenkolb hatten schärfere Gesetze gegen Doping gefordert - eine Beschlussfassung über ein Antidoping-Gesetz für die Mitgliederversammlung am 7. Dezember vor. Darin möchte das oberste Gremium des deutsche Sports aber lediglich bisherige Antidoping-Regeln aus dem Arzneimittelgesetz herauslösen und mit einigen strafverschärfenden Aspekten wie der Erhöhung der Maximalstrafe von drei auf fünf Jahre "unter einem Dach zusammenfassen".
"Wir stellen eine nachhaltige Finanzierung der Nada sicher"
Verfolgt werden sollen - neben den Hintermännern, die am Dopinghandel verdienen - nur Berufssportler. Diese Einschränkung kritisierte Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV) als "realitätsfremd". Denn sie ließe Anwälten beträchtlichen Spielraum, um nachzuweisen, dass ihre Klienten den Sport nur als Nebenerwerb ausübten. Auch SPD-Sportpolitiker Gerster bezeichnet den Vorschlag des DOSB im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE als "Kosmetik" und "Etikettenschwindel".
Der DOSB gerät nun unter Druck. Die Bundesrepublik jedoch holt im europäischen Vergleich auf. Denn Italien verfügt bereits seit dem Jahr 2000 über ein Antidoping-Gesetz, Frankreich verschärfte zuletzt 2006 die Regelungen. Selbst in Spanien, wegen zahlreicher überführter Doper in den vergangenen Jahren in Verruf geraten, wird verstärkt gegen dopende Spitzensportler vorgegangen.
Ein positives Signal brachten die Koalitionsverhandlungen auch für die Nada. "Wir stellen eine nachhaltige Finanzierung der Nada durch eine Erhöhung des Anteils des Bundes sicher. Sie soll von der permanenten Finanznot befreit sein", sagt Gerster. Gegenwärtig hat die deutsche Anti-Doping-Agentur eine Finanzierungslücke von etwa einer Million Euro.