Basketball-Jungstar John Wall Nicht von dieser Welt

Ausnahmekönner Wall: Große Zukunft in der NBA
Foto: Andy Lyons/ Getty ImagesLaserstrahlen zucken durch die Rupp Arena, die Stimme des Hallensprechers überschlägt sich, 24.000 in Blau und Weiß gekleidete Fans der Kentucky Wildcats schreien. Auf einem Podest unter der Hallendecke schwebt der, den sie schon "Messiah's Son" getauft haben und der nun den Einstand an der Universität von Kentucky feiert: John Wall.
Es ist "Big Blue Madness", die traditionelle Saisoneröffnung in Kentucky. Kurz zuvor war der erfolgreiche Trainer John Calipari verpflichtet worden, und die Fans ahnten schon: Dann kommt auch die 1,94 Meter große Aufbauhoffnung John Wall zu den Wildcats. Schließlich hatte der Coach zuvor bei den Memphis Tigers dafür gesorgt, dass ähnlich veranlagte Spieler wie Derrick Rose (Chicago Bulls) und Tyreke Evans (Sacramento Kings) groß rauskamen. Der Wunsch erfüllte sich. "Ich mag es, wie Coach Calipari seine Point Guards fördert und ihnen Verantwortung überträgt", sagt Wall. "Es war immer mein Ziel, für ihn zu spielen."
Tatsächlich erinnert Wall an Rose, den NBA-Neuling des Jahres 2009. Genau wie Caliparis ehemaliger Schützling besitzt auch der zwei Zentimeter größere Wall eine Athletik, die unter Point Guards selten zu sehen ist. "Die Position des Aufbauspielers hat sich aufgrund junger, athletischer Guards stark verändert", so Wall. "Moderne Aufbauspieler sind größer und kräftiger als ihre Vorgänger. Trotzdem besitzen sie die Spielübersicht und Passgenauigkeit, die ein Spielgestalter braucht. Ich denke, ich habe diese Eigenschaften."
Lieber passen als werfen
Zu Walls überragender Athletik kommt eine Grundschnelligkeit, die nur von einem noch schnelleren ersten Schritt übertroffen wird - beides ein Muss für die von Calipari bevorzugte Spielweise, bei der Guards oft zum Korb ziehen. Die Kombination aus Größe, Schnelligkeit und Athletik stellt Wall oft vor die Wahl, in der Zone selbst zu punkten oder einen freien Kollegen anzuspielen. "Ich würde aber einen großartigen Pass immer einem Wurf vorziehen. Es macht Spaß, andere mit einzubeziehen."
Allenfalls sein unsicherer Sprungwurf und die Neigung, meist über die linke Seite am Gegner vorbeizugehen, sind Walls Schwachpunkte - dazu leistet er sich zu viele Ballverluste. Seinen Trainer aber stört das kaum. "Manchmal wirft er einen Pass in die fünfte Sitzreihe, und man fragt sich, was er sich dabei gedacht hat. Das ist aber normal und nur auf seine Unerfahrenheit zurückzuführen." Abgesehen davon legt Calipari die Messlatte für Wall bewusst hoch. "Er vereint alle Voraussetzungen für einen erfolgreichen Aufbauspieler in sich. Er ist ein geborener Anführer, der andere mitzieht und besser macht."
Viele Neulinge scheitern an zu großen Erwartungen - John Wall gehört bisher nicht dazu. Gleich im ersten Spiel seiner Collegekarriere zeigt er, dass er nicht nur die Statur, sondern auch die Moral eines Champions hat: Mit dem entscheidenden Wurf beschert er Kentucky einen Heimsieg. Dem gelungenen Einstand folgt eine ganze Reihe an Glanzauftritten. "Es ist unglaublich, was John Wall im Augenblick alles gelingt", staunt Kemba Walker von den Connecticut Huskies, ebenfalls ein NBA-Kandidat. "Obwohl sich seit Wochen alle Augen auf ihn richten, zeigt er ein ums andere Mal, wie gut er ist."
Verbesserung dank Calipari
Wall selbst ist von dem, was er auf College-Niveau leistet, am meisten überrascht. "Ich spiele momentan auf einem Level, den ich nie für möglich gehalten hätte", gibt er zu. "Zwar war ich bereits an der Highschool ganz gut, doch unter Coach Calipari wird anscheinend jeder Spieler noch mal eine Klasse besser."
Auch seine Mannschaftskollegen sind begeistert von ihrem Aufbauspieler. "Drei Buchstaben: NBA. Das ist alles, was ich zu sagen habe", erwidert Forward Patrick Patterson auf die Frage, ob Wall tatsächlich so gut sei, wie behauptet wird. Und DeMarcus Cousins, ebenfalls heiß umworbener Neuling bei den Wildcats, ergänzt: "John ist der 'real deal'. Es gibt keinen besseren Guard als ihn. Wenn du ihm täglich zusiehst, meinst du, er kann kein menschliches Wesen sein."
Und selbst von einem, der weiß, was es heißt, früh mit dem Druck der Medien umzugehen, gibt es Anerkennung. "John spielt zurzeit großartig. Den ersten Pick bei der diesjährigen NBA-Draft wird ihm keiner mehr streitig machen", sagt NBA-Superstar LeBron James. "Ich kenne ihn, seit er vor drei Jahren auf nationaler Ebene für Aufsehen sorgte. Schon damals mochte ich vor allem die Kombination aus Athletik und Schnelligkeit".
Ob er sich bereits nach der laufenden Saison zur Draft anmeldet, verrät Wall nicht. Erst wenn das Team erfolgreich sei, könne er an sich selbst denken - in seinem ersten Jahr gelte sein Augenmerk nur dem Erfolg der Mannschaft. Ausschließen möchte er einen frühen Wechsel in die NBA aber nicht - im Gegenteil: "Am liebsten wäre es mir, wenn wir Meister werden und man mich zum Spieler des Jahres ernennt. Dann wäre meine Entscheidung klar."