Boxen Lennox Lewis ist der König der Boxer
Las Vegas - Lennox Lewis geht als unbestrittener Schwergewichts-Weltmeister ins neue Jahrtausend. Der britische Box-Profi gewann in der Nacht zum Sonntag in Las Vegas die Revanche gegen Evander Holyfield und holte sich nach dem Titel des World Boxing Council (WBC) auch die Krone der Internationalen Boxing-Federation (IBF) und der World Boxing Association (WBA). Allerdings konnte der Brite nur mit zwei WM-Gürteln in die Heimat reisen, da ihm die IBF das Symbol seiner uneingeschränkten Herrschaft verweigerte.
Nach zwölf Runden landete der 34-Jährige zwar einen einstimmigen Punktsieg, doch so souverän, wie er auf den Zetteln der drei Referees vorn lag, war seine Leistung nicht. Viele der gut 17.000 Zuschauer und die meisten Experten im nicht ganz ausverkauften "Thomas & Mack Center", unter ihnen Steffi Graf und ihr Freund Andre Agassi, hatten einen Triumph des drei Jahre älteren Amerikaners erwartet.
"Das ist nun Mal Boxen. Meine Strategie ist aufgegangen", entgegnete der phlegmatisch und ungelenk wirkende Lewis seinen Kritikern, die ihn diesmal längst nicht so stark gesehen hatten wie beim ersten Duell am 13. März in New York. Damals war er durch ein skandalöses Unentschieden um den verdienten Lohn seiner Mühen gebracht worden. "Der Kampf war schwerer als der erste, und ich hatte Bedenken vor dem Urteilsspruch. Evander war am Ende immer aktiver, ich dachte schon, er würde mir die Runden stehlen", gestand der von 7000 mitgereisten Fans frenetisch mit Raketenknallern und Konfettiregen gefeierte Super-Champion.
"Jetzt fühle ich mich großartig. Auf diesen Tag habe ich zehn Jahre hingearbeitet". Nach London wird der erste britische Vereinigungs-Weltmeister aller Klassen, der wie sein Herausforderer eine Börse von 15 Millionen Dollar erhielt, allerdings nur mit den WM-Gürteln der WBC und WBA zurückkehren. Die wegen Manipulation, Betrugs und Bestechung unter Anklage stehende IBF hatte ihm die Aushändigung mit der Begründung verweigert, sein Management habe die für den WM-Kampf geforderten 300.000 Dollar nicht direkt an den Weltverband, sondern bis zur juristischen Klärung der Vorwürfe auf ein neutrales Konto eingezahlt. Das an den Tagen zuvor zwischen beiden Seiten handschriftlich verfasste Agreement, das die Vorgehensweise von Lewis-Promoter Panos Eliades akzeptierte, war kurz vor dem spannungsgeladenen Kampf für ungültig erklärt worden.
Heftige Kontroversen löste jedoch nicht nur der Disput um den Gürtel aus. Auch die Meinungen über den Ausgang des an Höhepunkten armen Kampfes hätten nicht konträrer sein können. "Ich habe Holyfield knapp vorn gesehen, der sehr viel Gas gegeben hat", befand der WBO-Weltmeister im Schwergewicht, Vitali Klitschko, der sich nun Lewis als nächsten Gegner wünscht. Die gleiche Ansicht vertraten auch sein jüngerer Bruder Wladimir und Axel Schulz.
George Foreman, der für den Pay-Per-View-Kanal HBO kommentierte, sah indes den Olympiasieger von 1988 ebenso mit einem Punkt vorn wie Federgewichts-Weltmeister Prinz Naseem Hamed, Halbschwergewichts- Champion Roy Jones oder Ex-Europameister Zeljko Mavrovic, der vor einem Jahr gegen Lewis nach Punkten verloren hatte. Sogar der zwielichtige Promoter-König Don King, der durch die Niederlage von Holyfield erstmals seit Jahren ohne Titelträger in der profitträchtigsten Gewichtsklasse dasteht, bezeichnete Lewis als einen "großen, würdigen Champion".
Trotz unterschiedlicher Auffassungen waren sich alle einig, das es kein Skandalurteil wie vor acht Monaten war. Unverständnis riefen lediglich die Wertungen von Chuck Giampa (116:112) und Bill Graham (117:111) hervor. "Lewis gewann niemals so viele Runden", kritisierte nicht nur Schulz, der sich mit dem Urteil des dritten Punktrichters Jerry Roth (115:113) durchaus einverstanden erklärte. Die Bestätigung für die Richtigkeit ihres Urteils erhielten die Juroren durch die Trefferstatistik von HBO. Danach hat Lewis 490 Schläge ausgeteilt, wovon 195 getroffen haben. Bei Holyfield lautete die Bilanz 416:137.
Der zweimalige Tyson-Bezwinger, der nunmehr überlegt, seine Karriere zu beenden, erwies sich als fairer Verlierer, haderte aber dennoch mit dem Ausgang, der vielfach als Konzessions-Entscheidung für den verschobenen Kampf im März gewertet wurde. "Ich habe mein Bestes gegeben und bin natürlich sehr enttäuscht. Doch die Entscheidung wurde von Menschen gefällt, die eben Fehler machen", so Holyfield, der optisch den Kampf zumeist bestimmt hatte. Der "Krieger" Holyfield (36 Siege/4 Niederlagen/1 Unentschieden), der erstmals eine WM-Revanche nicht gewinnen konnte, wirkte diesmal viel aggressiver, schneller und beweglicher. Die ersten beiden Runde gab der über elf Kilogramm leichtere und sechs Zentimeter kleinere Außenseiter ab. Danach setzte er Lewis (35/1/1), der Mitte des Kampfes einige Konditionsschwächen offenbarte, unter Druck. Geschickt überwand er die enormen Reichweiten-Nachteile (16 Zentimeter) und punktete vor allem im Infight sowie mit kurzen linken, rechten Haken. Seine stärksten Aktionen hatte er in der dritten, fünften und siebten Runde. Lewis kam mit seinem linken Jab nicht wie gewohnt zum Zuge, schlug aber schöne rechte Aufwärtshaken und traf dabei viel härter, was letztlich den Ausschlag für ihn gegeben haben dürfte.