Positiver Froome-Test Der kurzatmige Antidopingkampf

Tour-Dominator Christopher Froome
Foto: CHRISTIAN HARTMANN/ REUTERSDer zweite Vorname von Christopher Froome lautet Zweifel. Es gibt wohl kein Wort, das im Zusammenhang mit dem vierfachen Tour-de-France-Sieger häufiger verwendet wird. Bei der Tour wird er vom französischen Publikum ausgepfiffen, als Doper beschimpft, einmal ist er auf der Strecke mit einem Becher Urin übergossen worden. Man mag den 32-Jährigen einfach nicht bei der Tour, und man traut seinen Leistungen nicht - verschärfend kommt hinzu, dass Froome Brite ist und kein Franzose. Der letzte, der die Abneigung in solcher Form spürte, war Lance Armstrong.
Froome weiß jedenfalls sehr genau, dass er seit Jahren unter verschärfter Beobachtung steht. Daher ist an dem jetzt bekannt gewordenen positiven Dopingtest noch das Überraschendste, dass Froome und seinem Team Sky überhaupt so etwas passiert. Sky ist für viele Radsportfans so etwas wie die Inkarnation des Bösen und hat das kasachische Astana-Team darin abgelöst. Sky dominiert die großen Rundfahrten fast nach Belieben, die Erfolge werden argwöhnisch beäugt, aber ihren Dominatoren Froome und zuvor Bradley Wiggins konnte bisher nichts nachgewiesen werden. Bis heute.
Froome wurde bei der Spanienrundfahrt Vuelta eine extrem hohe Dosis des Asthmawirkstoffs Salbutamol nachgewiesen. Er hatte die Rundfahrt im September erstmals in seiner Karriere gewonnen, einen Monat, nachdem er auch die Tour de France für sich entschieden hatte. Salbutamol erfreut sich seit Jahren großer Beliebtheit bei Rad- und anderen Ausdauersportlern. Es weitet die Bronchien - und es hat noch einen anderen großen Vorteil: Die Einnahme ist unter Auflagen gestattet, wenn man zuvor eine Ausnahmegenehmigung an die Antidopingbehörden gestellt hat. Eine Genehmigung, in der zum Beispiel aufgeführt ist, dass der Sportler unter Asthma leidet und deshalb zur Einnahme des Mittels gezwungen ist.
Fancy-Bears-Enthüllungen sorgten für Aufsehen
Das hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass zahlreiche Radprofis sich als kurzatmig und asthmakrank herausstellten. Auch Wiggins und Froome haben für große Rennen und Rundfahrten diese Genehmigungen, im Fachjargon TUE abgekürzt, eingeholt. In den USA haben allein 2015 2500 Athleten aus unterschiedlichen Gründen einen Antrag auf TUE gestellt. Die russische und vermutlich Kreml-nahe Hackergruppe Fancy Bears hatte vor den Olympischen Spielen von Rio Namen prominenter US-Sportler veröffentlicht - allerdings wohl auch, um den Fokus vom russischen Staatsdoping abzulenken. Auch mehrere Fußballer des WM-Viertelfinales 2010 zwischen Deutschland und Argentinien sollen im Vorfeld des Spiels Salbutamol verabreicht bekommen haben. Der Name Mario Gomez wurde zum Beispiel durch Fancy Bears lanciert.
Froome hat am Mittwoch argumentiert, es sei bekannt, "dass ich Asthma habe, und ich weiß genau, wie die Regeln lauten" - zum Beispiel, dass er als Führender einer Rundfahrt täglich getestet werde. Genauso ist allerdings auch bekannt, dass Froome seit Jahren bei der Tour de France Leistungen vollbringt, die zumindest extrem ungewöhnlich sind. Er ist sowohl in den Bergen als auch beim Zeitfahren dominant - obwohl beide Prüfungen körperlich sehr unterschiedliche Anforderungen mit sich bringen. In den Bergen sollte man ein Leichtgewicht sein, das ist Froome. Beim Zeitfahren helfen einem dagegen große Übersetzungen. Der Brite kann offenbar beides.
Sky versuchte, Froome zum gläsernen Athleten zu machen
Sky hat 2015, als die Zweifel mal wieder besonders laut wurden, selbst Leistungsdaten des Superstars veröffentlicht, um die Dopinganwürfe zu entkräften. Froome sei auf diese Weise zum "gläsernen Athleten" geworden, hat Sky damals gejubelt. Die Kritiker hat das Team damit nicht zum Verstummen gebracht. Der deutsche Radprofi André Greipel hat in Bezug auf Froomes Asthma süffisant kommentiert: "Wenn jemand schwere Krankheitsbeschwerden hat, sollte er vielleicht keine Radrennen fahren." Froome und Sky begründen den verdoppelten Salbutamol-Wert damit, bei der Vuelta seien "seine Asthmabeschwerden besonders groß" gewesen.
Es sind alte Geschichten, mit denen Froome sich nun wieder herumschlagen muss, aber sie kommen auch deswegen immer wieder hoch, weil das Misstrauen so groß ist. 2010 war Froome schwer an Bilharziose erkrankt, einer Infektionskrankheit, die den Körper auszehrt, gewöhnlich verursacht von einem Wurm, der es sich im Blut des Menschen bequem macht. Bis dahin war Froome ein solider junger Radprofi, bei den Rundfahrten fuhr er mittlere Plätze heraus. Nach der Krankheit fing der Brite plötzlich an, den Sport zu dominieren. Dass viele da an Armstrong denken, der nach seiner Hodenkrebserkrankung zum Alleinherrscher aufstieg, mag unfair sein, aber man kann es den Leuten nicht verdenken.
Froome fährt in einer Sportart, die ein schweres Erbe trägt. Armstrong, Marco Pantani, Jan Ullrich, Richard Virenque, US Postal und Telekom - sie alle haben dazu beigetragen, den Ruf des Radsports nachhaltig zu ruinieren. Froome hat stets gesagt, die Zeiten hätten sich geändert, "es ist nicht mehr der Wilde Westen wie vor 15 Jahren". Aber möglicherweise ist Christopher Froome der letzte Cowboy.