Kritik an Opferhilfe DDR-Doper sollen keine Entschädigung mehr erhalten

Dürfen ehemalige DDR-Sportler wie Christian Schenk nicht mehr als Dopingopfer gelten? Experten fordern vom Bundestag eine Gesetzesänderung. Es geht um die Frage, wer im System des Staatsdopings Täter war.
Christian Schenk

Christian Schenk

Foto: dpa Seoul/ dpa

Eine Gruppe von Doping-Experten hat in einem Brief an die Mitglieder des Sportausschusses des Deutschen Bundestags eine grundlegende Veränderung des Dopingopferhilfegesetzes gefordert. "Das Gesetz war immer schon eine Einladung zum fortwährenden Betrug durch damals dopende Sportler, die heute behaupten, nichts gewusst zu haben", heißt es in dem Schreiben, das dem SPIEGEL vorliegt.

Die Absender des zweiseitigen Briefs sind der Molekularbiologe Werner Franke, Gerhard Treutlein, Co-Autor des Buchs "Doping im Spitzensport", sowie die Anti-Doping-Kämpfer Claudia Lepping (ehemalige Leichtathletin) und Henner Misersky (ehemaliger Skilanglauftrainer).

Werner Franke

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Foto: Rainer Jensen/ picture alliance / dpa

Ziel des Appells sei es, "Missbrauch durch Betrüger" zu verhindern. Zudem sollen Zweifel an Prozedere und Personalien ausgeräumt und "alle Regelungslücken geschlossen" werden. Auslöser des Briefes ist laut der Unterzeichner unter anderem die Ankündigung des früheren DDR-Zehnkampf-Olympiasiegers und Dopingsünders Christian Schenk, die Erfolgschancen einer möglichen Entschädigung aus dem Opferfonds zu prüfen.

Das Dopingopferhilfegesetz liefert die Entscheidungsgrundlagen , wer Anspruch auf eine Einmalzahlung in Höhe von 10.500 Euro aus dem mit 10,5 Millionen Euro ausgestatteten Fonds des Bundesverwaltungsamts hat, der aus "humanitären und sozialen Gründen" eingerichtet wurde. Dazu ist ein fachärztliches Gutachten nötig.

Gruppe kritisiert "fragwürdige" Prüfungsverfahren

Derzeit sind das zwei Gruppen: Personen, die erhebliche Gesundheitsschäden erlitten haben, weil ihnen durch die DDR ohne ihr Wissen oder gegen ihren Willen Dopingsubstanzen verabreicht wurden. Außerdem haben auch Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft gedopt haben, laut Gesetzestext einen Anspruch auf das Geld.

Schenk hatte in einer im Sommer dieses Jahres erschienenen Biografie zugegeben, während seiner Zeit als Leistungssportler in der DDR wissentlich gedopt zu haben, in den Jahren zuvor hatte er das bestritten. Seine Olympia-Goldmedaille muss Schenk aufgrund einer Verjährungsregelung nicht abgeben.

"Dass jetzt ein geständiger Doper wie Christian Schenk - der fast 25 Jahre Doping leugnete, um seine erschwindelten Erfolge und Einkünfte nicht zu gefährden - Entschädigung auch nur in Erwägung zieht, zeigt, dass das Gesetz und sein humanitärer Ansatz missbraucht werden", heißt es in dem Schreiben an den Sportausschuss.

"Subjektive Psycho-Gefühle"

Die Gruppe nennt zudem die Prüfungsverfahren für Entschädigungsansprüche als "fragwürdig". Die ärztliche Begutachtung der vermeintlichen Opfer müsse gründlicher hinterfragt werden. "Musste bei früheren Anträgen unter Umständen ein knappes, aber fachlich kompetentes Gutachten beigefügt werden (...) sollen heute auch subjektive 'Psycho-Gefühle' reichen", heißt es.

Der Bundesrat wird in der kommenden Woche wohl die Erhöhung des Hilfsfonds ratifizieren, nachdem der Deutsche Bundestag die Beschlussempfehlung des Innenausschusses angenommen hatte. Der Fonds wird um 3,15 Millionen Euro auf 13,65 Millionen Euro aufgestockt. Zudem wurde die Verlängerung der Antragsfrist zur Geltendmachung von Ansprüchen beschlossen.

Hier können Sie den kompletten Brief herunterladen:

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bka
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