Doping im Tennis Rusedski fühlt sich als Bauernopfer
Sydney - "Was da an die Oberfläche kommt, ist nicht nur für unseren Sport eine Katastrophe, deren Ausmaße sich nicht mal erahnen lassen", sagte Rusedski, in dessen Urinprobe beim Turnier im Juli 2003 in Indianapolis Spuren von Nandrolon entdeckt worden waren. Der 30-jährige Tennisstar aus Großbritannien, der sich am 9. Februar vor einem Untersuchungsausschuss in Montreal verantworten muss, sprach von "mindestens 47 doping-positiven Weltklassespielern", die den gleichen analytischen Fingerabdruck hinterlassen hätten. Bis zu seiner Anhörung darf Rusedski weiter spielen. Derzeit hält er sich in Australien auf, wo er sich auf die am 19. Januar beginnende Australian Open vorbereitet.
Rainer Schüttler reagierte auf Rusedskis Behauptungen keinesfalls schockiert. "Als Petr Korda vor einigen Jahren positiv getestet wurde, waren alle Spieler geradezu erschüttert und haben ihn das auch deutlich spüren lassen", sagte Deutschlands bester Tennisspieler, "im Fall Rusedski haben alle große Zweifel, und so lange Rusedski nicht hundertprozentig überführt ist, kann und wird ihm keiner etwas vorwerfen."
Rusedski durfte sich am Wochenende an weiteren Solidaritätsbekundungen durch die Kollegen erfreuen. In einer am Sonntag bei einem Turnier in Sydney verlesenen Erklärung sagte Rusedski: "Ich bin besonders durch die Reaktionen der anderen Spieler ermutigt. Sie waren ausschließlich positiv und sympathisch."
"Die Wahrheit muss auf den Tisch"
Schüttlers Trainer Dirk Hordorff findet, dass "es langsam Zeit wird, dass endlich mal die Wahrheit auf den Tisch kommt." Doch damit tut sich die Spielergewerkschaft ATP ungewöhnlich schwer. Als sich in der Dopingprobe des Tschechen Bohdan Ulihrach 2002 Spuren von Nandrolon fanden, wurde der Spieler für zwei Jahre gesperrt - und im Mai 2003 wieder begnadigt.
Die ATP wollte damals herausgefunden haben, dass Elektrolyte in Tablettenform, von den ATP-Physiotherapeuten ausgegeben, Spuren von Nandrolon enthielten und die Spieler somit versehentlich gedopt wurden. Seit Mai 2003 aber, so ATP-Sprecher David Higden, seien alle ATP-Mitarbeiter strikt angewiesen, keinerlei Nahrungsergänzungsmittel mehr an die Spieler weiterzugeben.
Rusedski ist nun der erste, der diese Variante öffentlich anzweifelt. "Diese Elektrolyte werden seit Jahren verabreicht, und auf einmal sind sie verseucht, das ist schon merkwürdig. Das einzige, woran ich felsenfest glaube, ist die Unschuld der überführten Spieler. Doping hat im Tennis keinen Sinn, das weiß doch jeder Jugendspieler."
"Unfair und diskriminierend"
Die seit Wochen grassierenden Gerüchte, die ATP brauche einen positiv getesteten Spieler für seine Anti-Doping-Kampagne, weshalb sie keine umfassenden Untersuchungen einleite, wollte Rusedski nicht kommentieren: "Ich weiß nur, dass es unfair und diskriminierend ist, nur sporadisch einzelne Namen bekannt zu geben. Dagegen werde ich mit aller Kraft kämpfen, weil ich jetzt auch zu den Bauernopfern gehöre."
Auch die Anti-Doping-Weltagentur Wada hat sich mittlerweile in die Angelegenheit eingeschaltet und eine sorgfältige Untersuchung der Dopingtestverfahren bei der ATP angekündigt. "Wenn es stimmt, was Greg Rusedski sagt, wird es höchste Zeit, sich mit der ATP zu befassen", sagte Wada-Generaldirektor David Howman, "vielleicht hat es ja gar nichts mit Physiotherapeuten und Elektrolyten zu tun, aber das werden wir herausfinden. Es ist sehr beunruhigend, dass da möglicherweise irgendwas abläuft, das schweren Schaden verursacht."