Nach dreijähriger Sperre Russische Antidopingagentur wieder zugelassen

Die Welt-Anti-Doping-Agentur tagt auf den Seychellen. Ein wichtiges Ergebnis: Der russische Ableger Rusada erhält seine Akkreditierung zurück. Die Entscheidung ruft jedoch Kritik hervor.
Behälter für Dopingproben (Archiv)

Behälter für Dopingproben (Archiv)

Foto: Matt Dunham/ AP

Die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) hat die russische Antidopingagentur Rusada wie erwartet wieder aufgenommen. Den entsprechenden und weltweit kritisierten Beschluss der Exekutive gab die Wada nach ihrer Sitzung auf den Seychellen bekannt. "Heute hat das Exekutivkomitee der Wada mit großer Mehrheit entschieden, die Rusada unter strikten Voraussetzungen wieder aufzunehmen", teilte Wada-Chef Craig Reedie nach der Sitzung mit. Die Exekutive soll mit 9:2 Stimmen für eine Wiederaufnahme gestimmt haben.

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Vorausgegangen war ein Vorschlag des unabhängigen Compliance-Prüfungskomitees CRC, das für die Aufhebung der seit November 2015 geltenden Sanktionen plädiert hatte. Wegen der Suspendierung waren russische Leichtathleten und Behindertensportler aus ihren Weltverbänden IAAF beziehungsweise IPC ausgeschlossen. Sie durften 2016 nicht an den Olympischen und Paralympischen Spielen in Rio de Janeiro teilnehmen.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte Russland, das bei den Winterspielen 2018 wegen des Staatsdopingskandals nicht unter eigener Flagge starten durfte, unmittelbar nach den Wettkämpfen in Pyeongchang ohne Auflagen wieder mit allen Rechten ausgestattet.

Warum hat der Prüfungsausschuss die Wiederaufnahme empfohlen?

Der Ausschuss kam zu dem Ergebnis, die Rusada habe zwei elementare Bedingungen erfüllt, die von der Wada als Voraussetzung für eine Wiederaufnahme gestellt worden waren: Zum einen habe das CRC einen Brief vom russischen Sportministerium erhalten, in dem die Ergebnisse des McLaren-Enthüllungsreports über russisches Staatsdoping offenbar vollständig anerkannt worden seien.

Außerdem gebe es einen konkreten Zeitplan, um unabhängigen Experten Zugang zum Labor in Moskau und den darin befindlichen Daten und Proben zu gewähren. Allerdings bestehen daran Zweifel. Zumal nach Angabe der Nationalen Antidoping Agentur Nada noch wenige Tage zuvor "sehr deutlich" die Rede davon gewesen sei, dass das CRC die Aufrechterhaltung der Suspendierung empfehlen würde.

Worauf gründen die Zweifel der Wada?

Unter anderem auf einem Schreiben von Wada-Chef Reedie und Generaldirektor Olivier Niggli an Russlands Sportminister Pawel Kolobkow, das die BBC veröffentlichte . Aus dem Brief vom 22. Juni geht hervor, dass die Wada zugunsten der Russen von ihren ursprünglichen strengen Auflagen abgewichen ist und Russland vor allem beim Kriterium Zugang zum Moskauer Dopinglabor Zugeständnisse gemacht hat.

Es folgte ein Kompromissvorschlag zur neuen, weicheren Vorgehensweise mit dem Hinweis, dass die Wada verhindern möchte, dass ihr aufgrund des "moderateren Wordings" öffentlich eine "Verlagerung der Ziele" vorgeworfen werde.

Wie antwortete die Rusada auf diesen Kompromissvorschlag?

In seinem Antwortschreiben, das die ARD veröffentlichte , erklärte der russische Minister sich mit der Wada-Vorgehensweise einverstanden. Datiert ist dieser Brief auf den 13. September - einen Tag bevor das CRC die Empfehlung zur Wiederaufnahme der Rusada aussprach. Der McLaren-Report wird hier mit keinem Wort erwähnt, Russland will demnach nur den weniger rigiden IOC-Report des Schweizers Samuel Schmid akzeptieren.

Was sagt die Wada zu den Dokumenten?

"Wenn dies (die zwei Grundvoraussetzungen - d. Red.) nicht vollständig erreicht wird, wird das CRC dem Exekutivkomitee empfehlen, dass die Rusada erneut als nicht konform erklärt wird", teilte die Wada mit und rechtfertigte sich: Die Vorschläge in dem Brief der Wada-Spitze an Russlands Sportminister Kolobkow basierten "auf Pragmatismus und sind nuancierte Interpretationen des Fahrplans, um die Dinge zu einem Abschluss zu bringen". Zeitgleich veröffentlichte die Wada "im Sinne völliger Transparenz" den zuvor geleakten kompletten Schriftverkehr mit den Russen.

Was sagt die deutsche Antidopingagentur?

"Das ist ein herber Rückschlag für uns", sagte die Nada-Vorstandsvorsitzende Andrea Gotzmann. "Die Entscheidung setzt ein falsches Signal. Die wichtigsten Forderungen der Roadmap, Übergabe des Labordatensystems sowie freier Zugang der Wada-Experten zu gelagerten Proben im Labor in Moskau, wurden fahrlässig über Bord geworfen", sagte Gotzmann. "Das Vertrauen in die Wada ist massiv erschüttert."

Mit scharfer Kritik hat auch die Sportausschussvorsitzende des Deutschen Bundestags reagiert. "Eigentlich fehlen mir die Worte. Es ist das eingetreten, was erwartet wurde", sagte die SPD-Politikerin Dagmar Freitag. "Für jeden, der sich im Antidopingkampf engagiert, sind die schlimmsten Befürchtungen eingetreten. Das ist der Worst Case."

chh/sak/sid/dpa
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